Schmerzen bei Krebs

Tumorschmerzen erkennen und einschätzen: Wie lassen sich Krebsschmerzen erfassen?

Schmerztagebücher und professionelles Schmerz-Assessment

Letzte Aktualisierung: 01.06.2016

Selbst für Fachleute ist es nicht immer leicht zu erkennen, was genau bei Krebspatienten Schmerzen auslöst. Zur besseren Erfassung nutzen sie daher sogenannte Assessment-Instrumente. Dazu gehören beispielsweise Schmerztagebücher, gezielte Fragen zur Art, Dauer und Stärke der Schmerzen sowie Skalen, mit denen man als Betroffener die Beschwerden für den Arzt leichter beschreiben kann.
Der folgende Text beschreibt, woran sich Betroffene oder pflegende Angehörige orientieren können.

Hinweis: Informationen aus dem Internet können Ihnen einen Überblick bieten. Sie sind nicht dazu geeignet, die Beratung durch einen Arzt oder eine Ärztin zu ersetzen.

DEN typischen Tumorschmerz gibt es nicht – dazu unterscheiden sich die einzelnen Krebsarten zu sehr voneinander.
Und auch bei Krebspatienten können mehrere Auslöser für Schmerzen zusammenkommen. Dazu gehören zum einen die Beschwerden, die mit dem Behandlungsalltag und der Krebstherapie im Zusammenhang stehen. Zum anderen können Tumoren oder Metastasen durch ihr Wachstum Schmerzen verursachen.

Wie entsteht Krebsschmerz im engeren Sinn?

Krebszellen wachsen in gesundes Gewebe ein und zerstören es. Davon merkt man als Patient zunächst lange nichts. Größere Gewebezerstörungen sind aber spätestens dann schmerzhaft, wenn Nerven betroffen sind oder regelrechte Wunden entstehen. Eine größer werdende Geschwulst verdrängt häufig auch das umliegende Gewebe, und sie dehnt die bindegewebigen Hüllen um Organe oder andere gesunde Strukturen auf. Ein Tumor kann Lymphgefäße, Blutbahnen oder auch Organe wie den Darm oder die Harnröhre verlegen und zu schmerzhaften Stauungen führen.
Eine genauere Abschätzung ermöglichen Röntgenbilder, Computertomographien, MRTs, Szintigraphien oder weitere bildgebende Verfahren, je nachdem, welcher Krankheitsverdacht besteht und welche Körperregion betroffen ist.

Knochenschmerzen:
Sie entstehen, wenn Knochentumoren oder Knochenmetastasen Druck auf die Schmerzrezeptoren der sehr empfindlichen Knochenhäute ausüben. Schmerzen können auch entstehen, wenn Knochengewebe durch das Tumorwachstum zerstört wird, insbesondere dann, wenn es zu kleineren oder größeren Knochenbrüchen kommt.

Diese Schmerzen bemerken viele Patienten zunächst nur bei körperlicher Belastung. Sie können sich jedoch zum belastenden Dauerschmerz entwickeln. Das Problem: Solche Knochenschmerzen sind nicht unbedingt sofort von "Rheuma" oder den Schmerzen nach Verletzungen zu unterscheiden. Auch der Abbau von Knochensubstanz bei einer Osteoporose kann ähnliche Beschwerden verursachen.

Weichteilschmerzen:
Wächst ein Tumor in die Muskulatur oder das Bindegewebe ein, spüren die meisten Patienten zunächst ein dumpfes Druck- oder Spannungsgefühl. Daraus entwickelt sich dann oft ein Dauerschmerz, der eher unabhängig von Bewegungen auftritt, sich bei Belastung aber verstärken kann.

Organschmerzen, Kapselschmerzen:
Verdrängt ein Tumor Organe oder dehnt die bindegewebige Organhülle, können die meisten Betroffenen die entstehenden Schmerzen nicht genauer lokalisieren oder exakt benennen, wo es weh tut. Beschrieben werden solche Schmerzen tiefliegend, und allgemein oft als stechend oder auch drückend.
Sogenannte Kapselschmerzen entstehen beispielsweise bei Lebertumoren und Lebermetastasen, weil der Tumor die feine Hülle um die Leber dehnt. Hirntumoren oder Hirnmetastasen führen zum Beispiel zu Kopfschmerzen, die sich oft erst nach ein paar Tagen oder sogar Wochen durch ihre Intensität und Dauer von "normalen" Kopfschmerzen unterscheiden lassen.

Viszerale Schmerzen in Bauch und Becken:
Die Organe im Bauchraum liegen sehr eng beieinander. Daher kann sich das Tumorwachstum unter Umständen auf ein Organ beschränken, die Schmerzen aber auf andere Organe oder Gewebe wie das Bauchfell und das Brustfell ausstrahlen: Als sogenannte viszerale Schmerzen bezeichnen Fachleute Beschwerden, die im weitesten Sinn den Magen-Darm-Trakt und die Organe im Becken betreffen. Patienten bezeichnen sie oft als dumpf und eher diffus, unter Umständen kommen Übelkeit und Erbrechen oder Schweißausbrüche hinzu.
Verlegt ein wachsender Tumor nach und nach die Darmpassage, kann das zumindest anfangs zu eher unauffälligen Verdauungsbeschwerden oder Krämpfen führen. Nicht selten kommt es erst dann zu schweren und lebensbedrohlichen Beschwerden, wenn der Darm weitgehend verschlossen ist.

Nervenschmerzen oder neuropathische Schmerzen:
Sie können auftreten, wenn ein Tumor Nervengewebe einengt oder in dieses hineinwächst. Intensität und Qualität der Nervenschmerzen unterscheiden sich stark von Patient zu Patient. Wie man als Betroffener den Schmerz wahrnimmt, hängt davon ab, ob der Tumor in kleine Nervenenden oder in ein größeres Nervengeflecht einwächst, oder ob er das Rückenmark schädigt.
Allgemein beschreiben Betroffene Nervenschmerzen oft als brennend, elektrisierend oder stechend. Möglich sind aber auch Taubheit des betroffenen Bereichs, oder im Gegenteil eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Berührung, Wärme oder Kälte. Ist ein größeres Nervengeflecht betroffen, strahlt der Schmerz unter Umständen über den eigentlichen Tumor hinaus aus.

Niemand muss Schmerzen einfach so aushalten!

Teilen Sie Ihrem Arzt mit, wo Sie Schmerzen haben. Beschreiben Sie, wie sich die Beschwerden anfühlen, und wann sie auftreten. Er kann etwas für Sie tun.

Was sollte man als Patient wissen, wenn man Schmerzen hat? Was sollte man seinen behandelnden Ärzten mitteilen, wenn Beschwerden neu auftreten, sich verändern und über die alltäglichen Belastungen im Behandlungsalltag hinausgehen? Die folgenden Fragen können eine Hilfestellung dabei bieten, sich auf das Arztgespräch vorzubereiten.

Das Wichtigste zu Schmerzen: Was der Arzt wissen muss

  • Wo habe ich Schmerzen? 
  • Seit wann habe ich Schmerzen?
  • Wie stark sind die Schmerzen?
  • Wie fühlen sie sich an? Wie kann ich die Schmerzen beschreiben?

Werden die Schmerzen schlimmer,

  • wenn ich eine bestimmte Körperhaltung einnehme, etwa liege oder stehe,
  • oder wenn ich meine Lage verändere,
  • mich bewege oder körperlich aktiv bin,
  • esse oder trinke,
  • Stuhlgang habe,
  • das Wetter umschlägt oder die Temperatur sich ändert?

Fragen, die den Ärzten bei der Abgrenzung helfen können

  • Hatte ich schon vor der Krebserkrankung chronische Schmerzen, etwa Kopf-, Rücken-, Gelenk- oder Bauchschmerzen? Haben sich diese Schmerzen in letzter Zeit verändert? 
  • Hängen die Schmerzen mit der Behandlung zusammen, treten sie beispielsweise direkt nach einer Therapie auf?
  • Oder handelt es sich um Schmerzen, deren Ursache ich nicht zuordnen kann?

Auf begleitende weitere Beschwerden achten

Zu starken Schmerzen kommen nicht selten noch weitere gesundheitliche Probleme hinzu, sogenannte Begleitbeschwerden.
Ganz typisch sind Schlafprobleme und Erschöpfung. Starke Schmerzen können Unwohlsein und Übelkeit auslösen, auch Kreislaufprobleme sind möglich.

Schmerzen wirken sich auf die Lebensfreude aus, sie machen Angst, und chronische Schmerzen können auch zu depressiver Verstimmung führen. Doch die psychische Situation beeinflusst ihrerseits auch die Schmerzwahrnehmung – ein Teufelskreis.

Als Betroffener sollte man daher nicht zögern, beim Arzt auch Belastungen und Probleme anzusprechen, die scheinbar nichts mit der Krebserkrankung oder den Schmerzen zu tun haben. Nur so lässt sich die Behandlung wirklich individuell auf die jeweilige Situation zuschneiden.

Schmerzskalen  © Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum
Um Schmerzen genauer zu beschreiben, kann man Skalen einsetzen. © Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum

Schmerzen sind etwas sehr Subjektives. Umso schwerer lassen sie sich messen. Fachleute haben deshalb verschiedene Verfahren zum sogenannten Schmerz-Assessment entwickelt. Damit ist die genauere Erfassung von Schmerzart und Schmerzstärke gemeint, zusätzlich zur Beschreibung, wo es genau weh tut.

Ein wichtiges Beispiel für solche Assessment-Instrumente sind Skalen, in denen man als Betroffener selbst angeben kann, wie stark der Schmerz ist. Auf einer Zahlenskala steht etwa 1 für "schmerzfrei" und 10 für "unerträgliche Schmerzen".

Sogenannte umschreibende Skalen unterscheiden keine, leichte, mäßige, starke, sehr starke und unerträgliche Schmerzen.

Auf Gesichterskalen sind schematische Gesichtsausdrücke in Abstufungen von fröhlich bis traurig zu sehen. Insbesondere Kindern oder älteren Menschen kann es mit diesen Skalen leichter fallen, die Intensität ihres Schmerzes zu beschreiben.

Nicht nur die Stärke, sondern auch die Art der Schmerzen beschreiben

Neben der Schmerzintensität ist auch die Beschreibung der Schmerzqualität wichtig:
So können die meisten Menschen beispielsweise unterscheiden, ob ihr Schmerz pulsierend, krampfartig, brennend oder heiß, stechend, bohrend, hämmernd oder nagend, drückend oder dumpf ist.

Wichtig ist auch, ob sich die Schmerzen immer gleich anfühlen, oder ob es zu plötzlichen starken Schmerzen kommt, während man sonst eher schmerzfrei ist. Wie schnell sich Schmerzen entwickeln, lässt sich beispielsweise als langsam, in Wellen, als anfallartig oder einschießend beschreiben. Bei Patienten, die bereits eine Schmerzbehandlung erhalten, sollte man auf sogenannte Durchbruchschmerzen achten: heftige Schmerzattacken, gegen die die bisherige Therapie nicht ausreicht.

Fachleute empfehlen Menschen mit länger anhaltenden oder chronischen Schmerzen eine kontinuierliche Dokumentation, wo und wann Schmerzen auftreten. Dazu können Schmerztagebücher sinnvoll sein: Man schreibt täglich auf, wann man Schmerzen hatte, wie stark diese waren, und in welchen Situationen sie auftraten oder sich verschlechterten. Solche Schmerztagebücher gibt es auch als App für Handys oder Computer. Ist man stationär im Krankenhaus, helfen Pflegefachleute dabei, die Schmerzen zu beschreiben, und dokumentieren sie in der Krankenakte.

Wie sieht die Erfassung der Schmerzstärke bei Menschen aus, die selbst wenig zur Abklärung beitragen können?
Ein Beispiel sind ältere Krebspatienten, die bereits vorher an einer Demenz erkrankt waren, ein anderes Menschen mit Behinderung. Auch bei Schwerkranken, die sich nicht mehr selbst äußern können, ist das sogenannte Schmerz-Assessment nicht einfach.

Mit einiger Aufmerksamkeit können Angehörige, Ärzte und Pflegefachleute aber trotzdem erkennen, ob ein Krebspatient unter Schmerzen leidet: 
Blick und Gesichtsausdruck sind wichtig. Unruhe, Stöhnen und Schwitzen können Hinweise auf Schmerzen sein. Achten sollte man auch auf die Reaktion auf Berührung oder auf Lagewechsel, oder das Verhalten während der Körperpflege. Zeigt der Patient auffallende Schonhaltungen, oder bewegt er sich anders als bisher? Beides deutet unter Umständen ebenfalls darauf hin, dass Schmerzen ein Problem sind.

Fachleute achten außerdem auf weitere Faktoren, die sich konkret messen lassen: Dazu gehören Veränderungen der Pulsfrequenz sowie auffällige Veränderungen des Blutdrucks, etwa beim Umbetten oder beim Abtasten.



Die genutzten Quellen sowie weitere Hintergründe zur Schmerztherapie bei Krebs finden sich im Text Mehr wissen über den Umgang mit Schmerzen und Belastung.

Erstellt: 01.06.2016

Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Internet-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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