Cannabis und Cannabinoide bei Krebs

Stellenwert, Nebenwirkungen und Voraussetzungen

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Eine medizinische Anwendung von Cannabis bei Krebs ist in Deutschland erlaubt. Lesen Sie, wann Cannabis bei Krebs infrage kommt und wie sich die Teil-Legalisierung von Cannabis auf die Verordnungspraxis auswirkt.

In den Medien und im Internet gibt es oft positive Erfahrungsberichte von Krebspatientinnen und -patienten, die Cannabispräparate zur Linderung verschiedener Beschwerden ausprobiert haben. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass solche Berichte auf persönlichen Erfahrungen basieren und daher subjektiv sind. Sie stellen keine verlässlichen Belege für eine Wirksamkeit dar, die auf wissenschaftlichen Studien beruhen.

Auch, wenn seit März 2017 bei einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf medizinisches Cannabis besteht: Im Zusammenhang mit Krebs untersuchen und diskutieren Fachleute weiterhin die Verwendung von Cannabisarzneimitteln in der unterstützenden Behandlung als mögliche Alternative oder Ergänzung zur Standardtherapie.

Im nachfolgenden Text haben wir zusammengefasst

  • wann Cannabis bei Krebs eingesetzt werden kann und wo die Datenlage noch zu unsicher ist, um daraus eine Anwendungsempfehlung ableiten zu können,
  • welche Nebenwirkungen zu erwarten sind und
  • unter welchen Voraussetzungen Krebserkrankte Cannabis erhalten können.

Was ist was?

Cannabis ist der lateinische Name für Hanf: Wenn von Cannabis die Rede ist, sind in der Regel die Hanfpflanzen gemeint, die im Gegensatz zum Nutzhanf höhere Mengen an psychoaktiven Cannabinoiden enthalten.

Cannabinoide sind Inhaltsstoffe in der Cannabis-Pflanze, die für die verschiedenen Wirkungen von Cannabis verantwortlich sind – einschließlich der medizinischen Wirkungen und Nebenwirkungen. Am bekanntesten sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC gilt als psychoaktiv – es wirkt also berauschend – im Gegensatz zu CBD, das nicht berauschend wirkt.

Cannabisarzneimittel sind insbesondere

  • Cannabis in Form von getrockneten Blüten (Medizinalhanf) oder Extrakten in einer vorgeschriebenen Qualität.
  • Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol (natürliches THC) oder Nabilon (künstlich hergestellte THC-ähnliche Substanz).
Kapseln, Tropffläschchen mit einem abgebildeten Cannabisblatt und Stethoskop
Cannabis-basierte Arzneimittel gibt es vor allem als Lösung zum Einnehmen und in Kapselform.
Bild: © Ivan-balvan, istockphoto.com

Cannabis gegen Krebsschmerzen

Ganz allgemein haben klinische Studien zur Wirksamkeit von Cannabis bei chronischen Schmerzen bislang widersprüchliche Ergebnisse geliefert.

Eine kürzlich veröffentlichte Übersichtsarbeit der Cochrane-Gesellschaft hat nun ergeben: Cannabis-basierte Medikamente alleine können Krebsschmerzen, die nicht auf morphinähnliche Medikamente (Opioide) ansprechen, nicht lindern. Die Beweiskraft und Vertrauenswürdigkeit der bisherigen Studienergebnisse zum Thema bewerteten die Fachleute als insgesamt niedrig.

Es gibt jedoch Hinweise aus klinischen Studien, dass Cannabinoide bei Krebsschmerz wirksam sein könnten, wenn sie kombiniert mit anderen Schmerzmitteln und in Ergänzung zur Standardtherapie angewendet werden.

Wichtig zu wissen: Die Behandlung von Krebsschmerzen richtet sich nach dem Stufenschema der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Behandlungsleitlinie für Palliativmedizin empfiehlt in diesem Rahmen bislang keine Cannabinoide.

Zum Weiterlesen

Schmerzen bei Krebs

Eine verständliche Zusammenfassung der Übersichtsarbeit der Cochrane-Gesellschaft bietet der Artikel Cannabis-basierte Medikamente gegen Krebsschmerzen.

Cannabis gegen Übelkeit und Erbrechen

In Studien hat sich gezeigt, dass Cannabinoide Chemotherapie-verursachtes Erbrechen und Übelkeit wirksam lindern können. Untersucht wurde das insbesondere bei Patientinnen und Patienten, bei denen die üblichen Medikamente zur Vorbeugung von Chemotherapie-verursachter Übelkeit oder Erbrechen nicht ausreichend gut wirksam waren.

Wichtig zu wissen: Fachleute empfehlen daher Cannabinoide vor allem dann, wenn gängige Standardtherapien gegen Übelkeit und Erbrechen nicht ausreichend gut wirken – entweder als "Reservemittel" oder als Ergänzung zur Standardtherapie.

Cannabis gegen ausgeprägten Verlust von Appetit und Geschmacksstörungen

Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise, dass Cannabinoide bei Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung und starker Appetitlosigkeit (Anorexie) oder Geschmacksstörungen helfen.

Aufgrund der unzureichenden Datenlage gibt es bei diesen Symptomen keine Behandlungsempfehlung mit Cannabinoiden.

Folgen und Nebenwirkungen von Cannabis

Eine medizinische Anwendung von Cannabis und Cannabinoiden kann Nebenwirkungen verursachen. Die Art und Stärke der Nebenwirkungen sind abhängig von der Dosierung, der Verabreichungsform und den individuellen körperlichen Voraussetzungen bei den Patienten. Etwa 3 von 10 Personen brechen eine dauerhafte Behandlung mit Cannabis wegen Nebenwirkungen ab.

Das Tetrahydrocannabinol (THC) im Cannabis hat vor allem psychoaktive Effekte: es wirkt berauschend, kann zu Stimmungsschwankungen und Konzentrationsstörungen führen, aber auch Gefühle von Angst und Paranoia auslösen. Bekannte Nebenwirkungen sind beispielsweise auch Blutdruckabfälle, Schwindel, Herzrasen, Mundtrockenheit und trockene Augen.

Der Inhaltsstoff Cannabidiol (CBD) gilt im Allgemeinen als gut verträglich: CBD ist im Gegensatz zu THC nicht psychoaktiv. Mögliche Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Gewichtsveränderungen und veränderter Appetit.

Mögliche Langzeitfolge: Wer THC-haltiges Cannabis über einen langen Zeitraum einnimmt, wird unempfindlich gegenüber seinen Wirkungen. Setzen Patienten Cannabis dann plötzlich ab, kann es zu Entzugserscheinungen kommen.

Cannabis medizinisch anwenden: Von der Genehmigung bis zum Rezept

Menschen mit einer schwerwiegenden Erkrankung wie beispielsweise Krebs haben nur dann Anspruch auf medizinisches Cannabis, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Es gibt keine andere medizinisch anerkannte Behandlung für den angedachten Einsatz oder die eigentliche Standardbehandlung ist aufgrund der zu erwartenden Nebenwirkungen und / oder des Gesundheitszustandes der oder des Betroffenen nicht geeignet.
  • Es gibt durch das Cannabis-Präparat eine realistische Chance, dass der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst oder schwerwiegende Symptome gelindert werden können.

Unter diesen Voraussetzungen übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen normalerweise die Kosten für eine Cannabis-Therapie.

Cannabis auf Rezept: 

  • Sowohl Hausärzte als auch Fachärzte dürfen getrocknete Cannabisblüten und -extrakte sowie Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon verschreiben. 
  • Bisher brauchten Erkrankte ein Betäubungsmittelrezept, wenn sie Cannabis zu medizinischen Zwecken nutzen wollten. Das hat sich zum 1. April 2024 geändert: Mit der Teil-Legalisierung von Cannabis unterliegt die Verordnung von Cannabisarzneimitteln nicht länger dem Betäubungsmittelgesetz. Das bedeutet, Ärzte können medizinisches Cannabis nun über ein "normales" elektronisches Rezept verordnen. Dieses ist 28 Tage lang gültig und muss weniger Vorgaben erfüllen als ein Betäubungsmittelrezept.
  • Ausnahme Nabilon: Ärzte müssen Nabilon auch zukünftig auf einem sogenannten Betäubungsmittelrezept in Papierform verordnen. Dieses Rezept ist im Gegensatz zum "normalen" Kassenrezept nur 7 Tage gültig.

Genehmigung erforderlich: Bevor Versicherte Cannabisarzneimittel das erste Mal erhalten, müssen sie eine Genehmigung bei der Krankenkasse beantragen. Diesen Antrag muss die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unterstützen und ausführlich begründen. Die Krankenkassen dürfen einen solchen Antrag nur in Ausnahmefällen ablehnen.

Ausnahme von der Genehmigung: Befinden sich Krebserkrankte in einer sogenannten spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) ist für die Verordnung von Cannabis keine Genehmigung erforderlich.

Fristen: Krankenkassen haben in der Regel 3 Wochen Zeit, um Anträge zu bearbeiten, bei Bedarf können es 5 Wochen sein, wenn eine Gutachtermeinung benötigt wird. Eine verkürzte Frist von 3 Tagen gilt

  • in der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) oder
  • wenn eine im Krankenhaus begonnene Cannabis-Therapie ambulant fortgeführt werden soll.

Fertigarzneimittel haben Vorrang: Bevor Ärzte getrocknete Cannabisblüten oder -extrakte verordnen, müssen sie prüfen, ob zur Behandlung geeignete Cannabis-haltige Fertigarzneimittel verfügbar sind.

Zum Weiterlesen

Leitlinien

Verschiedene Leitlinien des Leitlinienprogramms Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF) beleuchten den Stellenwert von Cannabis bei Krebs (abgerufen am: 12.02.2024), darunter:

Verständliche Zusammenfassungen der Leitlinien für Patientinnen und Patienten finden sich im Leitlinienprogramm Onkologie unter Patienten- und Gesundheitsleitlinien.

Institutionen und Fachgesellschaften

Informationen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Fachartikel (Auswahl)

Braun IM, Bohlke K, Abrams DI, Anderson H, Balneaves LG, Bar-Sela G, Bowles DW, Chai PR, Damani A, Gupta A, Hallmeyer S, Subbiah IM, Twelves C, Wallace MS, Roeland EJ. Cannabis and Cannabinoids in Adults With Cancer: ASCO Guideline. J Clin Oncol. 2024 Mar 13:JCO2302596. doi: 10.1200/JCO.23.02596.

Braun IM, Bohlke K, Roeland EJ. Cannabis and Cannabinoids in Adults With Cancer: ASCO Guideline Q&A. JCO Oncol Pract. 2024 Mar 13:OP2300775. doi: 10.1200/OP.23.00775.

Häuser W, Welsch P, Radbruch L, Fisher E, Bell RF, Moore RA. Cannabis-based medicines and medical cannabis for adults with cancer pain. Cochrane Database Syst Rev. 2023 Jun 5;6(6):CD014915. doi: 10.1002/14651858.CD014915.pub2.

Smith LA, Azariah F, Lavender VT, Stoner NS, Bettiol S. Cannabinoids for nausea and vomiting in adults with cancer receiving chemotherapy. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Nov 12;2015(11):CD009464. doi: 10.1002/14651858.CD009464.pub2.

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