Psychoonkologie

Psychoonkologie als Fachgebiet

Wissenschaftlich fundierte Unterstützung, Begleitung und Psychotherapie bei Krebs

Letzte Aktualisierung: 09.07.2021
  • Die Psychoonkologie ist eine eigene wissenschaftliche Fachrichtung: Sie erforscht die seelischen Auswirkungen von Krebs auf Betroffene und ihr Umfeld und entwickelt Möglichkeiten der Unterstützung.
  • Fachleute verwenden dafür auch den Begriff der psychosozialen Onkologie.
  • In diesem Text geben wir einen Überblick über das Fachgebiet der Psychoonkologie in Deutschland.
Frau mit Krebs schaut nachdenklich mit auf der Hand abgestützten Kinn
Nach einer Krebsdiagnose gehen Menschen mit Krebs viele Fragen durch den Kopf [Symbolbild]. Bild: Tobias Schwerdt © Krebsinformationsdienst, DKFZ

Patientinnen und Patienten, die mit einer Krebs-Diagnose konfrontiert sind, gehen viele Fragen durch den Kopf: Wie geht das Leben jetzt weiter? Wie komme ich am besten durch die Zeit der Therapie? Und was macht die Erkrankung mit meiner Partnerschaft? Professionelle psychosoziale Unterstützung kann dabei helfen, Antworten zu finden.

Die Psychoonkologie widmet sich allen Menschen, die von einer Krebserkrankung betroffen sind. In der Praxis zielt sie vor allem darauf ab, die Belastungen von Tumorpatientinnen und Tumorpatienten zu lindern, die durch Krankheit und Therapie entstehen.

Psychoonkologische Unterstützungsangebote sollen bei der Auseinandersetzung mit der Erkrankung und ihren Folgen unterstützen. Betroffene und Psychoonkologinnen oder Psychoonkologen suchen gemeinsam nach Wegen, mit der veränderten Lebenssituation umzugehen.

Psychoonkologische Forschung: Belastung ermitteln, Abhilfe schaffen

Wichtig zu wissen

Sind Anbieterinnen oder Anbieter seriös? Dann bewerben sie Ihr Angebot nicht als Alternative zur "schulmedizinischen" Behandlung. Sie versprechen nicht, die Erkrankung durch psychologische Maßnahmen zu heilen oder die Krebs-Prognose unmittelbar zu verbessern. Vielmehr stellen sie das psychische Befinden und die Lebensqualität der Betroffenen in den Mittelpunkt.

Psychoonkologische Forschung im heutigen Sinne wird seit Mitte der 1970er-Jahre betrieben.

Zu den Forschungsthemen gehörte lange die Frage, inwiefern psychische Faktoren zur Entstehung eines Tumors beitragen. Dabei konnten einige frühere Theorien zum Zusammenhang zwischen Psyche und Krebsentstehung wissenschaftlich nicht belegt werden. So gilt beispielsweise die Idee einer so genannten "Krebspersönlichkeit" inzwischen als überholt.

Die Frage, inwieweit psychische oder soziale Faktoren Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf einer Krebserkrankung haben können, ist also nicht abschließend zu beantworten und wird Gegenstand weiterer Forschungsarbeiten bleiben.

Besonderes Augenmerk richten die Wissenschaftler heute darauf, was Krebspatientinnen und Krebspatienten belastet und was ihnen hilft, mit der Erkrankung umzugehen.

Fachleute haben in den vergangenen Jahren Fragebögen entwickelt, die helfen, diejenigen Betroffenen zu erkennen, die Unterstützung benötigen. Andere Experten untersuchen unterschiedliche Hilfsangebote auf Wirksamkeit und Nutzen. Denn auch in der psychosozialen Onkologie gelten die Grundsätze der evidenzbasierten Medizin: Zur Betreuung von Krebspatienten sollte möglichst angewendet werden, was ihnen nachgewiesenermaßen guttut und ihnen nicht schadet.



Die Unterstützung durch psychoonkologische Fachkräfte konzentriert sich auf folgende Gruppen:

  • Patientinnen und Patienten: Sie erhalten Beratung, Betreuung und gegebenenfalls Behandlung in Akutkliniken, Rehabilitationseinrichtungen, psychosozialen Beratungsstellen und in psychotherapeutischen Praxen. Im Vordergrund steht dabei die Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung. Die Hilfe kann – je nach Bedarf – vom einmaligen Gespräch bis hin zu einer regelmäßigen Unterstützung reichen.
  • Angehörige können viele Angebote der Unterstützung ebenfalls in Anspruch nehmen – auch sie müssen Belastungen verkraften und bewältigen.
  • Ärztinnen und Ärzte, beruflich Pflegende: Psychoonkologische Fortbildungen oder Gesprächs-Trainings können helfen zu verstehen, was Krebsbetroffene bewegt und welche Aspekte in der Kommunikation wichtig sind. Regelmäßige "Supervision", die Auseinandersetzung mit Belastungen im Berufsalltag unter professioneller Anleitung, kann dazu beitragen, diese besser zu bewältigen.

Psychosoziale Angebote sind ein Qualitätsmerkmal der onkologischen Versorgung

Verschiedene Studien zeigen, dass psychosoziale Unterstützung die Lebensqualität von Betroffenen verbessern kann. Fachleute sind sich heute einig: Zu einer guten Betreuung von Krebspatientinnen und Krebspatienten gehört nicht nur eine wirksame medizinische Therapie, sondern auch psychosoziale Unterstützung.

Dafür, dass diese Erkenntnisse immer mehr Beachtung finden, gibt es Beispiele:

  • Nationaler Krebsplan: Er hat unter anderem zum Ziel, dass alle Krebspatientinnen und Krebspatienten bei Bedarf eine angemessene psychoonkologische Versorgung erhalten sollen. Dies soll unter anderem eine gesetzlich festgelegte Finanzierung der psychosozialen Krebsberatungsstellen ermöglichen: Sie werden seit 2020 maßgeblich von den Krankenkassen gefördert.
  • Leitlinien: In neueren onkologischen Behandlungsleitlinien zu Krebs wird die Bedeutung psychosozialer Unterstützung in der Krebsmedizin betont.
    Seit Anfang 2014 existiert auch eine eigenständige Leitlinie Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten. Sie definiert Rahmen und Qualitätsansprüche.
  • Spezialisierte onkologische Zentren: Zertifizierte Organzentren, Onkologische Zentren und Onkologische Spitzenzentren müssen jeweils nachweisen, dass sie Patienten Zugang zu psychoonkologischer Betreuung bieten.


Fachleute aus verschiedenen Gesundheitsberufen, die mit Krebsbetroffenen arbeiten oder zu psychoonkologischen Themen forschen, haben sich in Fachverbänden zusammengeschlossen. In Deutschland bestehen mehrere Fachverbände:

Eine weitere Arbeitsgemeinschaft befasst sich vor allem mit den Belangen ambulanter Krebsberatungsstellen: Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante psychosoziale Krebsberatung e.V. (BAK)

 

"Psychoonkologin" oder "Psychoonkologe" ist in Deutschland keine geschützte Berufsbezeichnung.

In der Regel haben sich Fachleute, die als Psychoonkologinnen / Psychoonkologen bezeichnet werden, mit einer entsprechenden Weiterbildung auf die Begleitung von Krebserkrankten spezialisiert. Vom Grundberuf her sind diese Fachleute häufig Psychologen, Mediziner, Pädagogen oder Sozialarbeiter, die viel Erfahrung in der Arbeit mit Krebsbetroffenen haben. Je nach Qualifikation sind sie eher beratend oder psychotherapeutisch tätig.

Mehrere Institutionen bieten Weiterbildungen im Bereich der psychosozialen Onkologie an.

Um die verschiedenen Ausbildungswege vergleichbar zu machen, hat die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) in Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften dapo und PSO Standards entwickelt. Einrichtungen, die entsprechende Lehrgänge und Qualifizierungen anbieten und eine Anerkennung durch die DKG anstreben, müssen bestimmte Kriterien erfüllen. Ziel dabei ist, dass alle Absolventinnen und Absolventen über grundlegende Kenntnisse zu den häufigsten Krebserkrankungen und -therapien sowie den besonderen Belastungen und Bewältigungsstrategien von Krebsbetroffenen verfügen. Außerdem werden unterschiedliche Methoden der psychoonkologischen Unterstützung, Kenntnisse in sozialrechtlichen Fragen sowie Informationen zu palliativen Versorgungsmöglichkeiten vermittelt.

Einer der am längsten bestehenden Weiterbildungsgänge ist die von dapo und PSO entwickelte Weiterbildung Psychosoziale Onkologie (WPO). Sie umfasst theoretische und praktische Elemente, die in mehreren Themenblöcken vermittelt werden: Je nach beruflicher Qualifikation der Teilnehmenden gibt es unterschiedliche Weiterbildungsgänge für ärztliche und psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie für weitere Berufsgruppen in der Onkologie. Mindestvoraussetzung für die Teilnahme ist ein Hochschulabschluss im medizinischen oder psychosozialen Bereich. Die erfolgreiche Teilnahme wird durch ein Zertifikat bestätigt.

Inzwischen gibt es darüber hinaus eine ganze Reihe anderer Weiterbildungsgänge, die ebenfalls von der DKG anerkannt sind. Je nach Anbieter richten sie sich an unterschiedliche Zielgruppen und haben unterschiedliche Teilnahmevoraussetzungen.

Psychoonkologische Beratung in Krankenhäusern und Reha-Kliniken

Psychoonkologinnen und Psychoonkologen unterstützen in vielen Krankenhäusern bei Bedarf Krebserkrankte:

  • Für die Anerkennung spezialisierter Krebszentren gehört ein Angebot psychoonkologischer Beratung sogar zu den Voraussetzungen.
  • Auch im Rahmen von Rehabilitationsangeboten erhalten Betroffene psychosoziale Hilfen. Wie Reha-Maßnahmen Betroffenen helfen können, ihren Alltag zu meistern, erläutert der Krebsinformationsdienst in den Texten zu verschiedenen Tumorarten in der Rubrik "Nachsorge".

Weitere Angebote richten sich an Patienten, die nach einer Behandlung wieder zu Hause sind oder von vornherein ambulant behandelt werden, sowie ihre Angehörigen.

Psychoonkologische Beratung in Krebsberatungsstellen

In vielen größeren Städten und regionalen Zentren gibt es Krebsberatungsstellen:

  • Ihr meist kostenloses Angebot macht sie zur ersten Anlaufstelle für psychoonkologische Beratung und Begleitung.
  • Die Beratungsstellen bieten häufig selbst erste psychologische Hilfen an, und sie verweisen an geeignete Ansprechpartner vor Ort, wenn der Bedarf nach einem Psychotherapie-Angebot besteht.
  • Zudem beraten Krebsberatungsstellen in sozialrechtlichen Fragen, beispielsweise zur finanziellen Absicherung oder zur beruflichen Situation. Viele machen auch zusätzliche Angebote wie Entspannungstrainings, kreative Kurse oder Gesprächsgruppen.

Psychoonkologische Psychotherapie in Praxen: längerfristige Betreuung bei starker Belastung

Wenn die Krankheit starke und anhaltende Belastungen mit sich bringt, können psychotherapeutisch arbeitende Psychoonkologen wichtige Ansprechpartner sein. Um Betroffenen die Suche zu erleichtern, hat der Krebsinformationsdienst ein Adressverzeichnis zusammengestellt. Dieses nennt psychotherapeutische Praxen und Therapeuten in Klinikambulanzen, die auf die Behandlung von Krebsbetroffenen spezialisiert sind.





Fachliteratur und weiterführende Informationen (Auswahl)

Leitlinie "Psychoonkologie"

S3-Leitlinie Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten (2014, aufgerufen am 09.07.2021). Hinweis: Es gibt eine aktuellere Version dieser Leitlinie, die in diesem Text noch nicht berücksichtigt wurde.

Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO)

Die DGHO hat sich an der Initiative "Klug entscheiden" der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin beteiligt, und in diesem Zusammenhang auch Empfehlungen zur psychoonkologischen Betreuung von Krebspatienten veröffentlicht: Krause SW, Oldenburg M, Seifart U, Hallek M, Neubauer A (2016): Klug entscheiden in der Hämatologie und Medizinischen Onkologie. Deutsches Ärzteblatt 113(38), A 1650-1653

Informationen zur Anerkennung psychoonkologischer Fort- und Weiterbildungsangebote:

Detaillierte Angaben zur Fortbildung Psychoonkologie finden sich auf den Seiten der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG).

Fachverbände und Arbeitsgemeinschaften (aufgerufen am 09.07.2021):

Überblicksliteratur und Fachbücher zum Thema (Auswahl):

Diegelmann C, Isermann M, Zimmermann T. Therapie-Tools Psychoonkologie. 1. Auflage, Beltz, 2020.

Holland, JC, Breitbart, WS, Jacobsen, PB, Lederberg, MS, Loscalzo, MJ, McCorkle, R, eds. Psycho-oncology. 2. Auflage, Oxford University Press, 2010.

Breitbart W, Butow P, Jacobsen P, Lam W, Lazenby M, Loscalzo M, eds. Psycho-Oncology. 4. Auflage, Oxford University Press, 2021.

Kusch M, Labouvie H, Hein-Nau B (2013): Klinische Psychoonkologie. 1. Auflage, Springer
Mehnert A, Koch U, eds. Handbuch Psychoonkologie. 1. Auflage, Hogrefe Verlag, 2016.

Schulz-Kindermann F. Psychoonkologie: Grundlagen und psychotherapeutische Praxis. 2. Auflage, Beltz, 2021.

Weis J, Brähler E (2013): Psychoonkologie in Forschung und Praxis. 1. Auflage, Schattauer

Weyland P. Das psychoonkologische Gespräch. 2. Auflage, Schattauer, 2017.

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Erstellt: 09.07.2021

Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Internet-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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