Erblicher Krebs

Erblicher Krebs

Erhöhtes Krebsrisiko in der Familie

Letzte Aktualisierung: 04.01.2022
  • In manchen Familien tritt Krebs gehäuft auf. Das kann ein Hinweis auf eine erbliche Veranlagung sein.
  • Bei Verdacht auf familiären Krebs kann eine genetische Beratung sinnvoll sein. Eventuell kommt für Betroffene ein Gentest infrage.
  • Dieser Text erläutert, wie erblicher Krebs entsteht, welche Anzeichen darauf hindeuten und wie ein Gentest abläuft.
Familie aus drei Generationen sitzt am Strand
In manchen Familien erkranken über Generationen hinweg immer wieder Angehörige an Krebs. (Symbolbild) © Monkey Business Images

Bei vererbbarem Krebs erkranken häufig mehrere Mitglieder einer Familie an Krebs. Sie können an der gleichen Tumorart erkranken, aber auch an unterschiedlichen Krebsarten. Vererbt wird allerdings nicht die Krebserkrankung selbst, sondern eine Krebs-Veranlagung.

Betroffene tragen krebsfördernde Veränderungen im Erbgut aller Zellen ihres Körpers. Sie haben diese Veränderungen von ihren Eltern geerbt.

Die Wahrscheinlichkeit, eine Erbgut-Veränderung an seine Kinder weiterzugeben, beträgt 50 Prozent. Das bedeutet: Statistisch gesehen erbt die Hälfte der Nachkommen das erhöhte Krebsrisiko.

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Wichtig zu wissen: Nicht jeder, der krebsfördernde Veränderungen trägt, erkrankt zwangsläufig an Krebs. Damit ein Tumor entsteht, müssen weitere Schäden am Erbgut hinzukommen. Je nach ererbter Veränderung ist die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken für Betroffene unterschiedlich hoch. Auch der Zeitpunkt der Erkrankung ist nicht vorhersehbar. Denn wann im Verlauf des Lebens zusätzliche Schäden am Erbgut entstehen, ist unterschiedlich.

Je nach Erbgut-Veränderung haben Betroffene ein erhöhtes Krebsrisiko für nur eine bestimmte Krebsart – oder gleich für mehrere Tumorarten. Fachleute sprechen dann von einem Syndrom, umgangssprachlich auch Krebs-Syndrom genannt. Es gibt allerdings kein Syndrom, durch das das Risiko für alle Krebsarten steigt.

Krebs entsteht durch Erbgutschäden

Ein Teil der typischen Veränderungen im Erbgut bei Menschen mit erblichen Krebs ist bereits erforscht. Meist betreffen sie einen bestimmten Abschnitt im Erbmaterial, ein Gen.

Lexikon

Gen: einzelner Abschnitt auf der Erbinformation, der als Bauplan für ein bestimmtes Eiweiß dient

Ist die Erbinformation eines Gens verändert, dann kann auch das daraus entstehende Eiweiß verändert sein:

  • Es wird zum Beispiel aktiver oder weniger aktiv, führt also seine Aufgabe häufiger oder seltener aus.
  • Es kann seine Funktion ändern oder gar nicht mehr ausführen.
  • Oder es liegt in größerer oder kleinerer Menge vor.

Das führt beispielsweise dazu, dass eine Zelle schneller wächst oder sich häufiger teilt. Mehrere solcher Schäden im Erbgut können zu einer bösartigen Veränderung der Zelle führen und damit zu Krebs.

Wie häufig ist erblicher Krebs?

Piktogramm mit 100 Männern und Frauen, von denen 5 bis 10 eingefärbt sind.
Etwa 5 bis 10 von 100 Krebserkrankungen sind erblich bedingt. © Krebsinformationsdienst, DKFZ, erstellt mit BioRender.com

Fachleute schätzen: Etwa 5 bis 10 von 100 Krebserkrankungen entstehen aufgrund einer einzelnen erblichen Veranlagung. Manche Experten gehen sogar von einem höheren Anteil aus.

Die meisten Krebserkrankungen entstehen dagegen spontan. Das bedeutet: Veränderungen im Erbgut, die gesunde Zellen zu Tumorzellen umwandeln, entwickeln sich erst im Laufe des Lebens. Sie finden sich nur in den Tumorzellen und können nicht an Nachkommen weitergegeben werden.

Familiäre Häufung ohne Veranlagung?

Es gibt auch Familien, bei denen die Ärzte keine bekannte Erbgut-Veränderung finden, obwohl es mehrere Krebsbetroffene gibt.

  • Das kann daran liegen, dass Veränderungen vorliegen, die noch nicht bekannt und erforscht sind.
  • Es gibt außerdem Erbgut-Veränderungen, die das Krebsrisiko nur geringfügig erhöhen. Kommen in einer Familie mehrere solche Schäden zusammen, kann das Krebsrisiko einzelner Familienmitglieder dennoch spürbar erhöht sein.
  • Der Grund kann aber auch ein ganz anderer sein: Denn nicht nur das Erbmaterial spielt eine Rolle für das individuelle Krebsrisiko. Auch Lebensstilfaktoren und Umweltrisiken tragen dazu bei. In manchen Familien sind mehrere Mitglieder den gleichen Risikofaktoren ausgesetzt: zum Beispiel, weil sie sich ähnlich ungesund ernähren, sich wenig bewegen und/oder rauchen. Verwandte können auch den gleichen krebsfördernden Umweltrisiken oder Infektionen ausgesetzt sein.
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Wenn es in einer Familie mehrere Krebserkrankte gibt, bedeutet das also nicht zwangsläufig, dass erblicher Krebs vorliegt.

Schematische Abbildung eines Familienstammbaums: Einige Angehörige sind an Darmkrebs oder Gebärmutterkörperkrebs erkrankt.
Möglicher Stammbaum einer Familie mit Krebsveranlagung: Über mehrere Generationen hinweg gibt es immer wieder Betroffene. © Krebsinformationsdienst, DKFZ, erstellt mit BioRender.com

Wenn es mehrere Verwandte in einer Familie gibt, die an Krebs erkrankt sind oder waren, dann liegt eine familiäre Häufung vor.

Folgende Hinweise deuten darauf hin, dass in einer solchen Familie eine Krebsveranlagung vorliegt:

  • Die gleiche Tumorart tritt bei mehreren engen Verwandten der gleichen Linie (mütterliche oder väterliche Seite) auf. Es kann aber vorkommen, dass eine Generation "übersprungen" wird, in der niemand an Krebs erkrankt, in der nächsten Generation aber wieder Krebs auftritt.
  • Die Betroffenen sind zum Diagnosezeitpunkt deutlich jünger als ein durchschnittlicher Erkrankter bei dieser Tumorart.
  • Eine Patientin oder ein Patient erkrankt mehrmals an Krebs, gleichzeitig oder nacheinander.
Junge Frau im Gespräch mit ihrem Arzt
Den Verdacht auf erblichen Krebs können Betroffene bei ihren Ärzten ansprechen. (Symbolbild) Foto: Tobias Schwerdt © Krebsinformationsdienst, DKFZ

Besteht in einer Familie der Verdacht auf erblichen Krebs, dann können Betroffene sich an ihre Ärztinnen und Ärzte wenden: Hausärzte sind ebenso Ansprechpartner wie Fachärzte, etwa Gynäkologen, Urologen oder Hautärzte. Bereits an Krebs erkrankte Menschen können auch mit ihren Onkologen über den Verdacht sprechen.

Diese Mediziner können einschätzen, ob eine weitergehende Beratung und eventuell ein Gentest sinnvoll sind. Sie überweisen dann an spezialisierte Anlaufstellen:

  • Dazu gehören humangenetische Beratungsstellen, in denen Fachärzte für Humangenetik zusammen mit weiteren Spezialisten arbeiten.
  • Eigene Anlaufstellen gibt es für Menschen mit Verdacht auf familiären Darmkrebs, Brust- und Eierstockkrebs oder Bauchspeicheldrüsenkrebs. An diese Zentren können Betroffene sich auch direkt wenden.

Betroffene erhalten dort zunächst eine eingehende Beratung. Dabei klären Fachärzte die individuelle Familiensituation und erstellen einen Stammbaum, in dem alle bekannten Krebserkrankungen der Familie aufgeführt sind. Erhärtet sich der Verdacht auf erblichen Krebs? Dann kommt ein Gentest infrage, eine Untersuchung des Erbguts auf Veränderungen.

Die Ärzte erklären auch, was erblicher Krebs ist und wie hoch die Wahrscheinlichkeit für Betroffene ist, tatsächlich an Krebs zu erkranken. Sie erläutern, wie ein Gentest funktioniert und was das Ergebnis für Folgen haben kann – auch für Angehörige. Beispielsweise geht es um Früherkennungs- und Vorbeugungsmöglichkeiten, falls eine erbliche Veranlagung vorliegt. Aber auch psychische und soziale Auswirkungen können Thema sein.

Ein Gentest ist freiwillig

Sie können frei entscheiden, ob Sie eine genetische Beratung möchten. Auch der Test selbst ist freiwillig. Selbst nach der Durchführung können Sie sich noch entscheiden, dass Sie das Ergebnis nicht wissen möchten.

Betroffene erhalten ausreichend Bedenkzeit, um zu entscheiden, ob sie einen Test durchführen lassen wollen oder nicht.

Für einen Gentest spricht beispielsweise:

  • Sie haben dann Gewissheit über Ihr persönliches Krebsrisiko.
  • Sie können sich mit den Folgen auseinandersetzen, wenn eine Krebs-Veranlagung vorliegt.
  • Es gibt eventuell Vorbeugungsmöglichkeiten, wenn eine Veranlagung vorliegt.
  • Sie werden entlastet, wenn die Ärzte eine Veranlagung ausschließen können.

Gegen einen Gentest spricht beispielsweise:

  • Die Angst, selbst an Krebs zu erkranken, wenn eine entsprechende Veranlagung vorliegt.
  • Belastende Entscheidungen, die zu treffen sind – zum Beispiel, ob man vorbeugende Operationen durchführen lassen möchte oder nicht.
  • Die Folgen, die ein solches Wissen für Angehörige hat.

Jeder und jede Betroffene muss für sich selbst entscheiden, welche Gründe wichtiger sind und ob sie aus ihrer Sicht besser damit umgehen können, wenn sie Gewissheit haben – oder eben nicht. Entscheiden sie sich gegen einen Gentest, können sie sich trotzdem zu ihrem Krebsrisiko und zu sinnvollen Vorbeugungs- und Früherkennungsmaßnahmen beraten lassen.

Unterstützung finden

Mann spricht mit Psychoonkologin
Psychologische Unterstützung kann Betroffenen mit Verdacht auf erblichen Krebs helfen. (Symbolbild) Foto: Tobias Schwerdt © Krebsinformationsdienst, DKFZ

Der Verdacht auf erblichen Krebs kann bei einigen Menschen Ängste auslösen: Zum Beispiel Sorgen um eine eigene (weitere) Krebserkrankung oder darum, dass Kinder oder andere Angehörige ebenfalls gefährdet sind. Fragen wie "Soll ich mich selbst beraten oder testen lassen?" oder "Soll ich Verwandte über ein eventuell bestehendes Risiko informieren?" oder das Warten auf Testergebnisse können belastend sein.

In den weiter oben genannten Anlaufstellen arbeiten auch psychologisch geschulte Fachkräfte, die in einer solchen Situation helfen können.

Informationen und Unterstützung erhalten Betroffene und ihre Angehörigen auch von Selbsthilfegruppen:

  • Das BRCA-Netzwerk e. V. bietet vor allem Hilfe bei familiärem Brust- und Eierstockkrebs, aber auch bei anderen familiären Krebserkrankungen.
  • Die Familienhilfe Darmkrebs e. V. unterstützt Menschen mit einer erblichen Veranlagung für Darmkrebs.
  • Die Familienhilfe Polyposis e. V. ist eine Selbsthilfegruppe für Familien, die von einer bestimmten Form von erblichem Darmkrebs (Familiäre Adenomatöse Polyposis, FAP) betroffen sind.
  • Der LFSA Deutschland e. V. informiert Menschen mit Li-Fraumeni-Syndrom, vernetzt Betroffene, unterstützt bei der Beratung durch Experten und fördert Forschung für neue Therapieoptionen und verbesserte Früherkennung.

Bei einem Gentest untersuchen Ärztinnen und Ärzte das Erbgut der Person auf Veränderungen, die ihr Krebsrisiko erhöhen. Wird der Test in einer Familie zum ersten Mal durchgeführt, ist er aufwendiger. Denn es ist noch nicht bekannt, wo im Erbmaterial die verantwortliche Veränderung liegt.

Haben die Ärzte die krebsfördernde Veränderung bei einem Familienangehörigen gefunden, dann müssen sie bei Verwandten nur testen, ob die gleiche Veränderung vorliegt. Soll ein mögliches Krebsrisiko bei gesunden Personen vorhergesagt werden, dann sprechen Fachleute von einem prädiktiven Gentest.

Wenn möglich, untersuchen die Ärzte zunächst ein bereits an Krebs erkranktes Familienmitglied. Denn bei ihm oder ihr ist es wahrscheinlich, dass eine gefundene Erbgut-Veränderung auch wirklich verantwortlich für das erhöhte Krebsrisiko ist. Es gibt auch Veränderungen, die harmlos sind, und solche, bei denen noch nicht bekannt ist, ob sie das Krebsrisiko steigern.

Inzwischen können Ärzte aber bei manchen Menschen auch einen Test durchführen, wenn es keine aktuell erkrankten Familienangehörige gibt. Das funktioniert aber nur, wenn die möglichen Erbgut-Veränderungen und ihr Risiko, Krebs auszulösen, schon gut untersucht sind.

Bildausschnitt: Ärztin nimmt einem Patienten Blut in der Ellenbeuge ab.
Für den Gentest ist eine Blutentnahme notwendig. © HYS_NP, Shutterstock

Für den Gentest selbst bekommen Betroffene Blut abgenommen. Die Blutprobe wird in ein spezialisiertes Labor geschickt und dort untersucht. Bis das Ergebnis feststeht, können mehrere Wochen vergehen. Ist das Ergebnis für eine Therapie-Entscheidung wichtig, dann geht es ausnahmsweise auch schneller.

Kosten und Datenschutz

Die Kosten für die genetische Beratung und den Gentest übernimmt die gesetzliche Krankenkasse bei begründetem medizinischen Verdacht. Privatversicherte sollten in ihrem Versicherungsvertrag prüfen, welche Leistungen bezahlt werden oder sich im Zweifelsfall an ihre Krankenkasse wenden.

Das Ergebnis eines Gentests ist vertraulich. Das bedeutet: Nur der oder die Betroffene selbst und der durchführende Arzt erfahren das Ergebnis. Weder der Arbeitgeber oder die Ausbildungsstätte, noch Verwandte erhalten Informationen über eine genetische Veranlagung für Krebs – es sei denn, Betroffene wünschen das ausdrücklich.

Gentests aus dem Internet?

Im Internet gibt es Anbieter, die Gentests auf erbliche Krankheitsveranlagungen wie Krebs durchführen. Fachleute sprechen von "Direct to Consumer-Tests" oder kurz DTC-Tests, weil sie von jedem Verbraucher genutzt werden können, ohne einen Arzt hinzuzuziehen.

Viele der Anbieter haben ihren Firmensitz nicht in Deutschland. Daher orientieren sie sich nicht an deutschen Gesetzen und Vorgaben. Es wird zum Beispiel nicht überprüft, wie die Tests durchgeführt werden und wie aussagekräftig die Ergebnisse sind. Zudem fehlt die in Deutschland vorgeschriebene ärztliche Beratung.

Das Ergebnis eines Gentests teilt der Arzt oder die Ärztin mit, die den Test durchgeführt haben. Es kann für Betroffene ganz unterschiedlich ausfallen:

  • Die Ärzte finden eine Krebsrisiko-steigernde Erbgut-Veränderung.
  • Eine erbliche Veranlagung kann ausgeschlossen werden.
  • Das Ergebnis ist nicht eindeutig.

Je nachdem, wie das Testergebnis ausfällt, erhalten Betroffene wenn nötig weitere Beratung:

  • zu ihrem persönlichen Krebsrisiko und dem ihrer Angehörigen,
  • zu den gesundheitlichen, psychischen und sozialen Folgen,
  • zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten.

Wenn der Gentest eine krebsfördernde Veranlagung zeigt

Das Wissen um eine erbliche Veranlagung für Krebs kann belastend sein:

  • Krebspatienten erfahren, dass ihr Risiko, später erneut zu erkranken, erhöht ist. Das kann dieselbe Tumorart sein oder je nach Erbgut-Veränderung auch eine andere. Betroffene erfahren auch, dass Verwandte – beispielsweise ihre Kinder – eventuell ebenfalls ein erhöhtes Krebsrisiko tragen.
  • Verwandte von Krebspatienten, bei denen eine Krebsveranlagung festgestellt wird, erfahren, dass sie ein erhöhtes Krebsrisiko haben. Das kann psychisch belasten und ihre Lebensplanung beeinflussen.

Hilfe bekommen Betroffene bereits in der genetischen Beratungsstelle: Dort gibt es erfahrene Berater und Psychologen, die Betroffene unterstützen. Unterstützung bieten auch Selbsthilfegruppen, die sich speziell an Menschen mit erblicher Krebsbelastung und ihre Angehörigen richten. Bei größeren psychischen Belastungen kann auch eine Behandlung bei ambulant tätigen Psychoonkologen infrage kommen.

Die Gewissheit um eine Krebsveranlagung kann aber auch Vorteile haben: wenn es für die betreffende Krebserkrankung erweiterte Früherkennungs- oder andere Vorsorgemöglichkeiten gibt. Dazu gehören in jüngeren Jahren beginnende Früherkennungsuntersuchungen, aber auch vorbeugende Medikamente und Operationen. Diese Möglichkeiten gibt es beispielsweise für Betroffene mit erblichem Brust- und Eierstockkrebs oder Darmkrebs.

Und auch wenn Betroffene eine Krebsveranlagung tragen: Indem sie gesund leben und bekannte Krebsrisikofaktoren meiden, können sie ihr persönliches Risiko senken.

Junge Frau und junger Mann unterhalten sich auf einem Sofa.
Das Gespräch über eine erbliche Krebs-Veranlagung ist für viele Menschen nicht einfach. (Symbolbild) Foto: Tobias Schwerdt © Krebsinformationsdienst, DKFZ

Soll ich Verwandte informieren, wenn ich von einem erblichen Krebsrisiko weiß? Diese Frage kann nur jeder und jede Betroffene für sich selbst beantworten. Dabei spielt beispielsweise eine Rolle, wie hoch das Risiko für die betreffende Person ist, welches Verhältnis man zu ihr hat und welche Vorsorgemöglichkeiten es gibt.

Die Frage, ob und wann man eigene Kinder informiert, muss ebenfalls gründlich überlegt werden.

Wichtig zu wissen: Wer einen Gentest machen möchte, muss in der Regel volljährig sein. Dies soll sicherstellen, dass Interessierte selbstverantwortlich entscheiden können, ob sie einen solchen Test durchführen lassen wollen. Es gibt allerdings Ausnahmen: Wenn die vererbbare Krebserkrankung häufig schon in der Kindheit oder Jugend auftritt, kommt ein Gentest bereits vor dem 19. Lebensjahr infrage.

  • Wen soll ich über das erbliche Krebsrisiko informieren und wann? Wie kann ich mich auf ein solches Gespräch vorbereiten? Auch über solche Fragen können Betroffene sich mit ihren Ärzten, Psychologen oder in Selbsthilfegruppen austauschen.

Wenn der Gentest eine erbliche Veranlagung ausschließt

Mitglieder einer Familie, in der eine krebsfördernde Veränderung im Erbgut bekannt ist, können durch einen solchen Test entlastet werden: Die Nachricht, dass bei einem Familienmitglied keine erbliche Veranlagung vorliegt, kann für diese eine große Erleichterung sein. Sie wissen nun, dass sie kein erhöhtes Krebsrisiko tragen. Sie können deshalb auch keine solche Veranlagung an ihre Kinder weitergeben.

Sie benötigen kein angepasstes Krebsfrüherkennungs-Programm und müssen nicht über vorbeugende Maßnahmen wie Operationen nachdenken.

Wichtig zu wissen: Auch Menschen, die keine Krebsveranlagung geerbt haben, können an Krebs erkranken. Denn es gibt weitere Risikofaktoren für Krebs wie beispielsweise einen ungesunden Lebensstil oder bestimmte Umweltfaktoren. Aber auch zufällige Veränderungen im Erbgut spielen eine Rolle.

Wenn das Ergebnis nicht eindeutig ist

Bei manchen Menschen ist das Ergebnis des Gentests nicht eindeutig. Das bedeutet: Die Ärzte können anhand der Testergebnisse nicht sagen, ob und wie stark Ihr Krebsrisiko erhöht ist.

Mögliche Gründe für einen unklaren Gentest:

  • Es wurde eine Veränderung im Erbmaterial gefunden, über die Mediziner und Forscher noch zu wenig wissen – beispielsweise, ob sie das Krebsrisiko tatsächlich erhöht, und wenn ja, wie sehr.
  • Bei manchen Familien mit vielen Krebserkrankten finden die Ärzte keine der bekannten Veränderungen. Das kann bedeuten, dass die Häufung zufällig ist – oder es liegt eine bisher unbekannte Veränderung im Erbmaterial vor.

Für Betroffene kann dies eine belastende Situation sein, da sie keine eindeutige Aussage über ihr Krebsrisiko erhalten. Um damit umgehen zu können, können sie sich Unterstützung suchen: Beispielsweise bei Psychologen oder in Selbsthilfegruppen. Je nach Krebsart und wahrscheinlichem Krebsrisiko stehen Betroffenen außerdem erweiterte Früherkennungs- und Vorbeugungsmöglichkeiten offen.

Die Forschung zu krebsfördernden Veränderungen im Erbgut entwickelt sich immer weiter. Für Betroffene kann es daher sinnvoll sein, nach einiger Zeit bei ihren Ärzten oder in den spezialisierten Zentren nachzufragen, ob inzwischen mehr zu ihrer Erkrankung bekannt ist.

Eine erbliche Veranlagung kann prinzipiell bei allen Krebsarten eine Rolle spielen. Bei einigen Krebsarten ist der Anteil Betroffener mit einer bekannten Veränderung im Erbmaterial größer als bei anderen. Veranlagungen, die das Risiko für mehrere Krebsarten erhöhen, nennen Fachleute auch Krebs-Syndrome.

Erblicher Brust- und Eierstockkrebs

Frauen mit einer erblichen Veranlagung haben häufig sowohl ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs als auch für Eierstock- und Eileiterkrebs. Auch Männer mit einer entsprechenden Veranlagung erkranken mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs. Sie haben teilweise auch ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs.

Etwa 5 bis 10 von 100 Brustkrebs-Erkrankungen und bis zu 25 von 100 Eierstockkrebs-Erkrankungen sind durch einzelne Erbgut-Veränderungen bedingt. Es gibt mehrere Erbgut-Abschnitte (Gene), in denen eine krebsfördernde Veränderung vorliegen kann. Die am häufigsten veränderten heißen BRCA1 und BRCA2. Ihre Genprodukte helfen normalerweise beim Reparieren von Erbgutschäden.

Die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, kann je nach Genveränderung und Krebsart unterschiedlich sein:

  • Brustkrebs: Durchschnittlich 70 von 100 Frauen mit einer Veränderung im BRCA1- oder BRCA2-Gen erkranken an Brustkrebs. Zum Vergleich: In der Allgemeinbevölkerung erkranken etwa 13 von 100 Frauen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs.
  • Eierstock- und Eileiterkrebs: Bei diesen Krebsarten unterscheidet sich das Risiko je nach Erbgut-Veränderung: Etwa 44 von 100 Frauen mit BRCA1-Veränderung erkranken im Laufe ihres Lebens. Bei BRCA2 sind dagegen 17 von 100 Frauen betroffen. Zum Vergleich: Bei Frauen ohne erbliche Veranlagung erkrankt etwa 1 von 100 im Laufe ihres Lebens.


Erblicher Darmkrebs

Bei etwa 5 von 100 Darmkrebspatienten können die Ärzte ererbte Veränderungen eindeutig bestimmen. Eine einzelne Veränderung bewirkt, dass Betroffene neben einem erhöhten Darmkrebsrisiko für weitere Krebsarten anfälliger sind. Dazu gehören je nach Veränderung Magenkrebs, Leberkrebs, Gebärmutterkörperkrebs oder Eierstockkrebs.

Es gibt mehrere Syndrome, die das Darmkrebsrisiko steigern:

  • Hereditäres nicht polypöses kolorektales Krebssyndrom (HNPCC, auch Lynch-Syndrom genannt): Dies ist die häufigste Form von erblichem Darmkrebs. Das Syndrom entsteht durch Schäden in verschiedenen Eiweißen, die normalerweise geschädigtes Erbgut reparieren. Dadurch häufen sich Fehler in den Zellen an. Je nachdem, welches Eiweiß verändert ist, haben Betroffene ein unterschiedlich hohes Erkrankungsrisiko: Zwischen 15 und 50 von 100 Menschen mit Lynch-Syndrom bekommen im Laufe ihres Lebens Darmkrebs.
  • Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP): Dieses Syndrom ist seltener. Auslöser sind Veränderungen im Gen APC, das normalerweise die Zellvermehrung steuert. Menschen mit FAB entwickeln bereits in jungen Jahren sehr viele Polypen im Darm, die sich fast immer zu Darmkrebs entwickeln.
  • Weitere Syndrome kommen noch seltener vor. Dazu gehören die sogenannte MUTYH-assoziierte Polyposis, das Peutz-Jeghers-Syndrom oder die Familiäre Juvenile Polyposis.


Li-Fraumeni-Syndrom

Das Li-Fraumeni-Syndrom (LFS) ist ein seltenes Krebs-Syndrom. Menschen mit LFS haben ein hohes Risiko, im Laufe ihres Lebens an Krebs zu erkranken. Fast alle Frauen und 3 von 4 Männern mit LFS müssen damit rechnen. Einige Betroffene erkranken bereits im Kindesalter, manche auch mehrfach in ihrem Leben.

Zu den typischen Tumoren zählen Weichteil- und Knochentumoren, Blutkrebs, Hirntumoren und Tumoren der Nebenniere. Brustkrebs tritt vor allem bei jungen Frauen auf.

Ursache sind meist Veränderungen im Gen TP53, einem zentralen "Wächter des Genoms". Fällt er aus oder erfüllt seine Aufgaben fehlerhaft, dann steigt das Krebsrisiko stark. Die meisten Betroffenen haben die Genveränderung von einem Elternteil geerbt. Etwa 1-2 von 10 Menschen mit LFS sind allerdings die ersten in ihrer Familie, bei denen das Syndrom auftritt.

Erblicher Magenkrebs

Etwa 1 bis 3 von 100 Magenkrebs-Erkrankungen sind erblich bedingt. Ein Teil davon entsteht durch Veränderungen im Gen CDH1, dessen Produkt für den Zusammenhalt von Zellen wichtig ist.

Menschen mit einer solchen Genveränderung haben ein hohes Risiko für Magenkrebs: Etwa 6 bis 7 von 10 erkranken im Laufe ihres Lebens. Fachleute nennen die Erkrankung auch hereditäres diffuses Magenkarzinom, weil kleine Krebsherde über den ganzen Magen verteilt sind. Frauen haben außerdem ein erhöhtes Brustkrebsrisiko.

Es gibt weitere Syndrome, die das Magenkrebsrisiko steigern. Dazu gehören beispielsweise das Lynch-Syndrom, die familiäre adenomatöse Polyposis und das Peutz-Jeghers-Syndrom.



Andere Krebsarten

Es gibt weitere Krebsarten, die in manchen Familien gehäuft auftreten, bei denen eine Veränderung im Erbgut aber (bisher) nicht bekannt oder nicht gut untersucht ist. Ein Beispiel ist Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Bei anderen Krebsarten spielen äußere Risikofaktoren eine größere Rolle bei der Entstehung, beispielsweise bei Lungenkrebs das Rauchen. Bei manchen Krebsarten wiederum scheinen weder erbliche noch äußere Faktoren eine große Rolle für das Erkrankungsrisiko zu spielen. Dazu gehören beispielsweise Lymphome.

Es sind noch längst nicht alle erblichen Faktoren bekannt, die für das Krebsrisiko eine Rolle spielen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen deshalb weiter, um noch mehr über die Rolle des Erbguts bei der Krebsentstehung zu erfahren.



Quellen und weiterführende Informationen (Auswahl)

Leitlinien

In den organspezifischen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie verschiedener Krebsarten gehen die Autoren auch auf die Besonderheiten einer erblichen Veranlagung ein. Nach Leitlinien suchen können Sie bei der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), beim Leitlinienprogramm Onkologie oder bei der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO).

Spezialisierte Anlaufstellen

Die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik e. V. (GfH) veröffentlicht ein Adressverzeichnis genetischer Beratungsstellen.

Beim Deutschen Konsortium Familiärer Darmkrebs finden Betroffene Zentren für familiären Darmkrebs.

Das Deutsche Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs bietet Adressen von Zentren für familiären Brust- und Eierstockkrebs.

Die Nationale Fallsammlung familiäres Pankreaskarzinom dient als Anlaufstelle für Betroffene mit Verdacht auf familiären Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Die Li-Fraumeni Syndrome Association Deutschland (LFSA Deutschland e. V.) ist eine Anlaufstelle für Betroffene mit Li-Fraumeni-Syndrom.

Betroffene mit erblichem Krebs und Fachkreise, die Patientinnen und Patienten mit einem Krebsprädispositionssyndrom betreuen, finden weitere Informationen und Ansprechpartner beim Krebsprädispositions-Register – dem Projekt FIT - Forschung, Information, Therapie der MH Hannover und des Universitätsklinikums Heidelberg.

Gesetze, Richtlinien und Stellungnahmen, aufgerufen am 15.02.2021

Im Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz - GenDG) ist festgelegt, wie eine genetische Beratung und Untersuchung durchgeführt wird.

Die Gendiagnostik-Kommission hat Richtlinien zur Umsetzung des Gendiagnostikgesetzes erstellt.

Der Deutsche Ethikrat hat eine Stellungnahme zur genetischen Diagnostik (PDF) verfasst.

Fachartikel (Auswahl)

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Erstellt: 08.04.2021

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