Seelische Belastungen

Seelische Belastungen bei Krebs

Angst, Wut, Verzweiflung: Was können Betroffene tun?

Letzte Aktualisierung: 04.04.2023
  • Eine Krebserkrankung hat nicht nur körperliche, sondern auch psychische Auswirkungen.
  • Viele Betroffene erleben Gefühle wie Angst, Wut, Traurigkeit, Niedergeschlagenheit oder Mutlosigkeit. Bei manchen gehen solche Gefühle nach einer Zeit wieder zurück, bei anderen bleiben sie länger bestehen.
  • In diesem Text erläutern wir, was Krebspatientinnen und Krebspatienten belastet und wann professionelle Hilfe sinnvoll sein kann.

Hinweis: Die folgende Zusammenstellung ersetzt nicht die Beratung durch Fachleute, wie etwa psychoonkologisch Beratende oder Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vor Ort.

Alte Frau schaut nachdenklich aus dem Fenster.
Die Diagnose Krebs ist für viele Menschen ein tiefer Einschnitt im Leben. [Symbolbild], Foto: Tobias Schwerdt, © Krebsinformationsdienst, DKFZ

Die Diagnose "Krebs" ist für viele Menschen ein Schock. Betroffene erleben sie als tiefen Einschnitt in ihrem Leben: Alles, was bisher selbstverständlich war, scheint plötzlich infrage gestellt. Zukunftspläne sind nicht mehr sicher oder ändern sich.

Die Erkrankung und ihre Behandlung kann den Alltag verändern, bei manchen Betroffenen vorübergehend, bei anderen dauerhaft. Neben den körperlichen Folgen kann sich die Krebserkrankung auf Familie, Freundeskreis, Beruf und Finanzen auswirken.

Mit all dem müssen Patientinnen und Patienten sich auseinandersetzen. Da ist es verständlich, dass Ängste und Sorgen aufkommen oder manchmal auch ein Gefühl der Überforderung. Betroffene brauchen Zeit, um sich neu zu orientieren und mit den veränderten Bedingungen umgehen zu lernen.

Vielfältige Herausforderungen

Viele unterschiedliche Belastungen und Herausforderungen können auf Betroffene zukommen. Dazu zählen:

  • Die Unsicherheit darüber, wie die Erkrankung verläuft und wie sie ausgeht – bis hin zu einem möglicherweise vorzeitigen Lebensende.
  • Betroffene müssen plötzlich medizinische Fakten verstehen, verschiedenen Ärzten vertrauen und weitreichende Behandlungsentscheidungen treffen.
  • Den Alltag rund um ihre Erkrankung müssen Betroffene neu organisieren, Termine abstimmen, eventuell Hilfe für Alltagsaufgaben finden.
  • Die Krankheit selbst oder die Behandlung kann Beschwerden verursachen – zum Beispiel Übelkeit, dauerhafte Erschöpfung oder Schmerzen. Diese beeinflussen auch das seelische Befinden. Vorrübergehende oder bleibende körperliche Veränderungen wie Haarausfall, Probleme mit der Sexualität oder Operationsnarben wirken sich ebenfalls auf die Psyche aus.
  • Je nach Lebenssituation können finanzielle Sorgen oder Belastungen im Alltag hinzukommen, beispielsweise Schwierigkeiten bei der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen.
  • Wenn Betroffene vorübergehend oder dauerhaft nicht mehr arbeiten können, wirkt sich das ebenfalls auf ihr seelisches Befinden aus.
  • Familie und Freunde reagieren unterschiedlich auf die Erkrankung. Die Reaktionen des Umfelds und der Umgang damit können Betroffene beschäftigen.


Wie ausgeprägt die Belastungen einer Patientin oder eines Patienten sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einfluss haben sowohl die Art der Krebserkrankung und der Behandlung als auch die aktuelle Lebenssituation.

Zudem kann die Reaktion auf solche Herausforderungen von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein. Dabei spielt auch das bisherige Leben eine Rolle – zum Beispiel Erfahrungen, die Betroffene in der Vergangenheit mit der Bewältigung von Krisen gemacht haben.

Junger Mann sitzt traurig schauend auf dem Sofa.
Auch Gefühle von Traurigkeit und Niedergeschlagenheit können während einer Krebserkrankung auftreten. [Symbolbild], Foto: Tobias Schwerdt, © Krebsinformationsdienst, DKFZ

Die verschiedenen Phasen der Erkrankung und der Therapie bringen unterschiedliche Belastungen und Herausforderungen mit sich. Neue Probleme können hinzukommen, andere rücken in den Hintergrund. Viele Betroffene durchleben deshalb im Laufe der Erkrankung unterschiedliche Gefühlssituationen.

Die anfängliche Diagnose kann Wut oder Verzweiflung auslösen. Manche Betroffenen fragen sich "Warum ich?". Schuld- und Ohnmachtsgefühle können auftreten.

Im Verlauf der Erkrankung erleben viele Patientinnen und Patienten Ängste und Phasen der Niedergeschlagenheit und Mutlosigkeit. Auch Gereiztheit oder ein umfassendes Gefühl der Erschöpfung können auftreten. Solche Gefühle können sich abwechseln mit Zeiten der Hoffnung, Zuversicht und Gelassenheit.

  • Alle diese Gefühle sind normal und dürfen ihren Platz haben.

Welche Situationen sind besonders belastend?

Untersuchungen haben gezeigt: Manche Krankheitsphasen oder -situationen fordern Patientinnen und Patienten besonders heraus.

  • Belastend sind für viele Menschen gerade die ersten Tage und Wochen nach der Diagnose. Betroffene müssen die Nachricht über ihre Erkrankung verarbeiten und sich neu orientieren.
  • Einige Betroffene empfinden darüber hinaus die Zeit nach Abschluss der Behandlung als schwierig. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass der Wiedereinstieg in den Alltag schwerer fällt als erwartet. Aber auch die Sorge vor einem Rückfall kann bleiben.
  • Die seelische Belastung ist außerdem besonders hoch, wenn ein Tumor trotz Behandlung zurückkommt oder Metastasen auftreten und Betroffene die Prognose "nicht heilbar" erhalten.
  • Auch bei Betroffenen, deren Erkrankung fortgeschritten ist und die mit starken Einschränkungen oder Schmerzen leben, kann die seelische Belastung besonders groß sein.

Viele Patientinnen und Patienten fühlen sich während und nach der Erkrankung belastet. Studien zeigen: Bis zu 6 von 10 Krebserkrankten leiden unter einer allgemein hohen psychischen Belastung. Zu den häufigsten Belastungen zählen Ängste und eine niedergeschlagene Stimmung.

Diese Beschwerden sind bei der Diagnose einer schweren Erkrankung nachvollziehbar und normal. Häufig gehen sie von selbst wieder zurück. Bei manchen Betroffenen können sie aber auch anhalten und ihr Leben stark beeinträchtigen.

Ängste und Sorgen

Ängste gehören zu den Belastungen, von denen Betroffene häufig berichten: Untersuchungen zeigen, dass fast die Hälfte der Patientinnen und Patienten von starken Ängsten betroffen ist.

Eine große Rolle spielen Ängste in Bezug auf die Erkrankung selbst: zum Beispiel vor Schmerzen und Einschränkungen, vor einschneidenden Behandlungen mit belastenden Nebenwirkungen und vor dem ungewissen Ausgang der Krebserkrankung. Auch bestimmte Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen können Angst machen.

Krebserkrankte äußern außerdem Sorge, dass sich ihre Erkrankung auf Familie, Freundeskreis und Berufsleben auswirkt.

Nach der Behandlung haben viele Patientinnen und Patienten Angst davor, dass ihre Krankheit zurückkommt. Viele Betroffene empfinden deshalb Nachsorgeuntersuchungen als besonders belastend. Ist die Krebserkrankung nicht heilbar, dann spielt die Angst vor einer Verschlechterung eine große Rolle.

Wichtig zu wissen: Ängste bei Krebsbetroffenen sind meist nicht mit Angsterkrankungen gleichzusetzen, die bei körperlich Gesunden auftreten. Denn: Bei Krebspatienten ist ein Teil der Ängste ja durchaus berechtigt. Nehmen die Ängste zu viel Raum ein, können sie sehr belastend sein.

Niedergeschlagene Stimmung

Fachleute bezeichnen diese Gefühlslage auch als Depressivität. Mehr als die Hälfte der Krebspatientinnen und -patienten sind zeitweise davon betroffen. Dabei können Gefühle von Traurigkeit bis hin zu Verzweiflung auftreten, insbesondere nach "schlechten Nachrichten".

Betroffenen gehen negative Gedanken durch den Kopf, manchmal entsteht ein Gefühl von Kraftlosigkeit und Erschöpfung. Sie fühlen sich niedergeschlagen und traurig, manchmal sogar verzweifelt. Manche Menschen fragen sich, wie sie den Berg bewältigen sollen, der vor ihnen liegt.

Halten diese Gefühle über längere Zeit an, können sie Betroffene stark belasten und in ihrem Alltag einschränken.

Jeder Mensch reagiert anders auf die Herausforderungen, die eine Krebserkrankung mit sich bringt. Und auch wie sie damit persönlich umgehen, ist unterschiedlich. Deshalb ist es für jeden Einzelnen und jede Einzelne wichtig, herauszufinden: Was hilft mir in dieser Situation am meisten und was tut mir gut? Den einen "richtigen" Weg gibt es nicht.

Wann Unterstützung durch Fachleute sinnvoll ist

Krebspatient im Gespräch mit einer Psychoonkologin.
Sich Unterstützung zu suchen, kann bei der Bewältigung der Krebserkrankung helfen. [Symbolbild], Foto: Tobias Schwerdt © Krebsinformationsdienst, DKFZ

Angebot für alle: Eine Krebsdiagnose ist für jede und jeden Betroffenen zunächst eine Ausnahmesituation. Die unterstützende Begleitung durch psychologisch geschulte Fachleute steht deshalb allen Krebserkrankten offen und gehört heutzutage ganz selbstverständlich zur Krebsbehandlung dazu.

Fachleute mit Erfahrung in der Begleitung von Krebsbetroffenen können dabei helfen, sich auf die veränderte Lebenssituation einzustellen und mit Beeinträchtigungen und Sorgen umzugehen. Auch konkrete Informationen und Tipps rund um die Erkrankung gehören zu einer Beratung.

Manchmal können schon ein oder zwei Gespräche helfen, sich zu orientieren und Anregungen für den Umgang mit der Diagnose zu bekommen. Für andere Betroffenen ist es möglicherweise sinnvoll, sich längerfristig begleiten zu lassen.

Sich Hilfe zu suchen ist besonders wichtig, wenn:

  • die Angst viel Raum im Leben einnimmt.
  • Ängste dazu führen, dass Betroffene Termine nicht wahrnehmen oder gar eine Therapie abbrechen.
  • die gedrückte Stimmung lange anhält und kaum zu beeinflussen ist.
  • das Interesse an Dingen verlorengeht, die sonst Freude gemacht haben.
  • es sehr schwer fällt, den Alltag zu bewältigen.
  • das Selbstwertgefühl beeinträchtigt ist.
  • Schlafstörungen, Müdigkeit und Appetitverlust länger anhalten.

Bei manchen Betroffenen kann die Belastung so stark oder langanhaltend sein, dass sich daraus eine psychische "Begleiterkrankung" entwickelt. Dazu zählen:

  • Anpassungsstörung (anhaltende Belastung, die als Reaktion auf ein besonders belastendes Lebensereignis auftritt)
  • Depression
  • Angststörung

Unterstützung finden: Hilfe zum Umgang mit der Erkrankung erhalten Betroffene bei psychoonkologischen Ansprechpersonen in Akut- und Rehakliniken. Außerhalb der Kliniken bieten psychosoziale Krebsberatungsstellen kostenfrei und unkompliziert Unterstützung an. Wenn Menschen stark und anhaltend belastet sind, können spezialisierte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten helfen.

Mehr zur kurz- und längerfristigen Unterstützung durch Fachleute und zu entsprechenden Anlaufstellen erfahren Sie im Text Psychologische Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung.

Weitere Unterstützungsangebote

Es gibt weitere Angebote, die dazu beitragen können, das Leben mit und nach Krebs möglichst gut zu bewältigen:

  • Selbsthilfegruppen bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und mehr über den alltäglichen Umgang mit der Erkrankung zu erfahren.
  • Einige Menschen berichten, dass ihnen Entspannungstechniken geholfen haben, belastende Situationen besser zu überstehen. Anderen gelingt es, negative und bedrückende Gefühle in Kursen oder Therapien zu verarbeiten, in denen sie ihre Kreativität ausleben können. Mehr zu solchen Angeboten erfahren Sie im Text Psychologische Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung.


Quellen und weiterführende Informationen (Auswahl)

Patientenleitlinie
Allgemeinverständliche Informationen zu seelischen Belastungen bei Krebs und zu Unterstützungsangeboten finden Patientinnen und Patienten, Angehörige und alle Interessierten in der Patientenleitlinie Psychosoziale Unterstützung für Krebspatienten und Angehörige (2023). Sie ist beim Leitlinienprogramm Onkologie abrufbar.

Leitlinien
Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatient*innen, Langversion 2.0, 2023, AWMF-Registernummer: 032-051OL, Aufgerufen am 12.06.2023

US-Leitlinie: National Comprehensive Cancer Network (2023). Distress Management. Version 2.2023. Für registrierte Nutzer kostenlos einsehbar.

Fachbücher

Themenheft Psychoonkologie der Zeitschrift Psychotherapie im Dialog Ausgabe 01 Vol. 24. Thieme; 2023.

Breitbart WS, Butow PN, Jacobsen PB, Lam WWT, Lazenby M, Loscalzo MJ, McCorkle R, eds. Psycho-Oncology. Oxford Unitversity Press; 2021.

Goerling U, Mehnert A, eds. Psycho-Oncology. Recent results in cancer research. Springer; 2017.

Mehnert A, Koch U., Hrsg. Handbuch Psychoonkologie. Hogrefe; 2016.

Weis J, Brähler E, Hrsg. Psychoonkologie in Forschung und Praxis. Schattauer; 2012.

Fachartikel

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Mehnert A, Brähler E, Faller H, Härter M, Keller M, Schulz H, Wegscheider K, Weis J, Boehncke A, Hund B. Four-week prevalence of mental disorders in patients with cancer across major tumor entities. J Clin Oncol. 2014;32(31):3540-6. doi: 10.1200/JCO.2014.56.0086.

Mehnert A, Hartung TJ, Friedrich M, Vehling S, Brähler E, Härter M, Keller M, Schulz H, Wegscheider K, Weis J, Koch U, Faller H. One in two cancer patients is significantly distressed: prevalence and indicators of distress. Psycho-Oncology. 2018; 27:75–82. doi: 10.1002/pon.4464

Mehnert A, Lehmann-Laue A. Psychoonkologie. Psychother Psych Med. 2019; 69:141-156. doi: 10.1055/a-0824-3622.

Grigelat, A., Mumm, F. Krebsmedizin im Wandel – Wo steht die Psychoonkologie?. Innere Medizin. 2023; 64:34–39. doi: 10.1007/s00108-022-01454-1.

Herschbach, P, Britzelmeir I, Dinkel, A, Giesler JM, Herkommer, K, Nest, A, Pichler, T, Reichelt, R, Tanzer-Küntzer, S, Weis, J & Marten-Mittag, B. Distress in cancer patients: Who are the main groups at risk? Psycho-Oncology. 2020; 29:703-710. doi: 10.1002/pon.5321

Weis, J. Psychische Langzeitfolgen von Krebserkrankungen. Bundesgesundheitsbl. 2022; 65, 431–438. doi:10.1007/s00103-022-03506-1.

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Erstellt: 04.04.2023

Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Internet-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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