Beihilfe zum Suizid

Eine rechtliche Einordnung

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Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2020 entschieden, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch die Freiheit einschließt, sich das Leben zu nehmen. Was bedeutet das in Deutschland heute konkret?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde (Artikel 1 und 2 Grundgesetz) verpflichten den Staat verfassungsrechtlich nicht nur dazu, das Leben und die Gesundheit der Menschen zu schützen, sondern auch jedem Menschen das Recht auf selbstbestimmtes Sterben zu gewährleisten. Das bedeutet, dass alle die Freiheit haben, sich das Leben zu nehmen und auch sich dabei von Dritten unterstützen zu lassen.

Hammer und Stethoskop liegen nebeneinander mit einer Computertastatur auf einem Bürotisch.
Auch Krebserkrankte interessieren sich für die aktuelle Gesetzeslage zum assistierten Suizid.
Bild: © yavdat, iStockphoto.com

Regelungen für assistierten Suizid?

Suizidbeihilfe: Definition

Beihilfe zur Selbsttötung liegt vor, wenn Sterbewillige ein tödliches Mittel selbst einnehmen, das tödliche Mittel jedoch von Dritten – in der Regel einem Arzt oder einer Ärztin – beschafft wird. Synonym verwendet wird auch assistierter Suizid.

Die Angebote verschiedener Organisationen, bei einem Suizid zu unterstützen, sind danach mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Das frühere Verbot der "geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" in § 217 Strafgesetzbuch (StGB)1 ist nichtig. Der Gesetzgeber darf also sogenannte Sterbehilfevereine nicht grundsätzlich verbieten. Jedoch kann gesetzlich geregelt werden, wie der Prozess der Suizidbeihilfe aussieht und wie gegebenenfalls suizidwillige Personen vor der Umsetzung eines nicht freiverantwortlich gefassten oder übereilten Sterbewunsches geschützt werden können. Dazu zählen zum Beispiel

  • Vorgaben, wie viele Gespräche vor einem assistierten Suizid stattfinden müssen,
  • welche medizinischen Unterlagen vorliegen müssen und
  • ob während des Sterbeprozesses eine Ärztin oder ein Arzt anwesend sein muss.

Bisher ist es im Bundestag nicht gelungen, eine Mehrheit für eine gesetzliche Regelung zu finden. Verschiedene parteiübergreifende Gesetzesinitiativen scheiterten. Ein neuer Anlauf ist aktuell nicht absehbar. Sterbehilfeorganisationen können damit bis auf Weiteres selbst festlegen, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form sie Menschen beim Sterben begleiten. Das Vorgehen kann sich also von Organisation zu Organisation unterscheiden.

Wichtig zu wissen: Wer mehr darüber wissen möchte, muss bei den einzelnen Organisationen ausführliche Informationen einholen und sich selbst ein Bild machen.

Tödliche Betäubungsmittel vom BfArM?

Nicht alle Menschen mit Sterbewunsch wollen sich an eine Sterbehilfeorganisation oder einen Arzt wenden. Wiederholt haben Betroffene versucht, direkt beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein tödliches Betäubungsmittel zu erhalten. Das BfArM hat ihre Anträge abgelehnt und die Klagen gegen die Ablehnungen blieben ohne Erfolg. Die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts2:

  • Die Freiheit, sich selbst das Leben zu nehmen, führt nicht dazu, dass der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern Zugang zu tödlichen Betäubungsmitteln bieten muss.
  • Die strengen Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes sollen vielmehr Miss- und Fehlgebrauch verhindern und dienen dem Schutz der Bevölkerung.
  • Da es Sterbehilfeorganisationen nicht (mehr) verboten ist, Suizidbeihilfe zu leisten, können sich Menschen mit Sterbewunsch an diese wenden. Somit bestehe kein Grund, Betäubungsmittel direkt Sterbewilligen zur Verfügung zu stellen.

Ärztliches Berufsrecht?

Grundsätzlich ist es auch Ärztinnen und Ärzten inzwischen berufsrechtlich nicht mehr verboten, Beihilfe zum Suizid zu leisten. Die ärztliche Musterberufsordnung3 lässt infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts die Hilfe zur Selbsttötung zu. Wichtig: Ärztinnen und Ärzte sind nicht verpflichtet, bei einer Selbsttötung zu helfen. Suizidbeihilfe gehört nicht zu den ärztlichen Aufgaben.

Palliativmedizinische Versorgung bleibt wichtig

Bei schweren Erkrankungen steht der Gedanke an Sterbehilfe oft in Zusammenhang mit der Angst vor zunehmenden Schmerzen und anderen Einschränkungen. Deshalb ist es wichtig, dass Betroffene Informationen über die Möglichkeiten palliativmedizinischer Versorgung erhalten.

Der Gesetzgeber hat eine Reihe an palliativmedizinischen Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung geschaffen. So erhält zum Beispiel die Hospizarbeit Unterstützung von den gesetzlichen Krankenkassen.

Menschen haben nicht nur ein verfassungsmäßiges Recht darauf, selbstbestimmt über ihren Tod zu entscheiden. Sie haben auch Anspruch auf medizinische Versorgung und spirituelle Begleitung, die sie in der letzten Lebensphase vor unnötigen Schmerzen und Leid bewahren soll. Wichtig: Die medizinische Behandlung während der letzten Lebensphase kann in einer Patientenverfügung festgelegt werden.

Hilfe in Krisensituationen

Hilfsangebote bei akuten Suizidgedanken: Haben Sie suizidale Gedanken? Hilfe und ein offenes Ohr bietet die Telefonseelsorge anonym und rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 – 1110111 und 0800 – 1110222. Auch eine Online-Seelsorge per Mail oder Chat ist möglich.

Hilfsangebote bei einer Krebserkrankung: Sind Sie aufgrund einer Krebserkrankung belastet und denken deshalb auch über Themen wie Sterbehilfe nach? Sprechen Sie Ihre Belastungen und Sorgen bei Ihren behandelnden Ärztinnen und Ärzten an. Beratung und Begleitung bieten außerdem kostenfrei und unkompliziert psychosoziale Krebsberatungsstellen.

Zum Weiterlesen: Verwendete Quellen und vertiefende Informationen

Urteile

1 Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vom 26. Februar 2020 – 2 BvR 2347/15: Das 96-seitige Urteil ist in einer auch für juristische Laien gut verständlichen Form in der Pressemitteilung zusammengefasst.

2 Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung vom 7. November 2023: Auch dieses Urteil kann in einer komprimierten Pressemitteilung gelesen werden. Die vollständige Urteilsbegründung ist noch nicht veröffentlicht.

Gesetze

§§ 211, 212 StGB sind die grundlegenden Regelungen zur Tötung im Strafgesetzbuch.

§ 216 StGB regelt die Tötung auf Verlangen.

§ 217 StGB regelt bis zu seiner Nichtigerklärung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung.

§ 27 StGB regelt die Strafbarkeit der Beihilfe, also der Hilfeleistung zu einer anderen Tat. Da es sich bei einer Selbsttötung nicht um eine Straftat handelt, kann mit diesem Straftatbestand die Unterstützung bei einem Suizid nicht bestraft werden.

Weitere Quellen (Auswahl)

Bausewein C. Die aktuelle Gesetzeslage zum assistierten Suizid. Onkologie 2024; 30: 38–42. doi: 10.1007/s00761-023-01472-0.

Schildmann J, Junghanß C, Oldenburg M et al. Ärztlich assistierte Selbsttötung. Onkologie 2024; 30: 31–37 (2024). doi: 10.1007/s00761-023-01441-7.

Im Juli 2023 konnte keine der eingebrachten Gesetzesinitiativen bei der Abstimmung im Bundestag eine Mehrheit finden. Hintergrundinformationen zur Debatte finden Sie auf der Internetseite des Deutschen Bundestages.

Der Deutsche Ethikrat hat sich mehrfach mit Sterbebegleitung/Suizidprävention befasst.

3 In der Musterberufsordnung sind die berufsrechtlichen Grundlagen des ärztlichen Berufes geregelt.

Die Hinweise der Bundesärztekammer zum ärztlichen Umgang mit Suizidalität und Todeswünschen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu § 217 StGB ordnen die Thematik berufsrechtlich ein (Stand 25.06.2021).

Die Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung bieten Ärztinnen und Ärzte Orientierung bei der Begleitung sterbender Menschen (Stand 21.01.2011).

Das Bundesministerium für Gesundheit bietet kostenlose Informationen und Vorlagen für eine Patientenverfügung.

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