Lebensqualität

Lebensqualität und Krebs: Verfassung, Befinden, Beziehung

Wie die Erkrankung das Leben beeinflusst und wie man damit umgehen kann

Letzte Aktualisierung: 21.09.2014

Lebensqualität ist ein vielschichtiger Begriff. In der Medizin umfasst er viele Aspekte des menschlichen Befindens. Dazu gehören vor allem die körperliche und seelische Verfassung sowie soziale Beziehungen. Konkret geht es zum Beispiel um Fragen wie: Können Patientinnen und Patienten ihren Alltag selbstständig bewältigen? Haben sie Schmerzen oder Schlafprobleme? Beeinflusst die Erkrankung ihr Familienleben?

In diesem Text erläutert der Krebsinformationsdienst Hintergründe zur Lebensqualität und ihrer Messung. Er zeigt, was Lebensqualität positiv oder negativ beeinflussen kann. Die Informationen richten sich vor allem an Betroffene und ihre Angehörigen sowie an generell am Thema interessierte Leser.

Fachleute verstehen unter Lebensqualität, wie zufrieden ein Mensch mit seinem Leben ist. Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weisen darauf hin, dass Lebensqualität eine sehr persönliche Sache ist. Ähnliche Umstände können von verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich bewertet werden. Zum Beispiel erleben manche Krebspatientintinnen und auch viele Männer Haarausfall während einer Chemotherapie als sehr belastend. Andere nehmen diese Nebenwirkung nicht so wichtig.

Allerdings gibt es Aspekte, die für die Mehrzahl aller Menschen wichtig zu sein scheinen. Dazu zählen

  • körperliches Wohlbefinden,
  • seelische Stabilität,
  • Selbstständigkeit im Alltag und
  • ein sicheres Umfeld.

Untersuchungen zeigen, dass Glauben (Spiritualität) und das Gefühl von Sinn im Leben ebenfalls einen großen Einfluss auf die Lebensqualität haben.

Es gibt keinen Standardtest, mit dem die Lebensqualität gemessen wird. Stattdessen arbeiten Ärzte, Psychologen und andere Fachleute je nach Fragestellung mit verschiedenen Verfahren. Die jeweils vorgesehenen Datenerhebungen können kurz oder lang, eher allgemein oder sehr genau sein. Oft gehört dazu die Befragung von Betroffenen. Teilweise füllen Patienten selbst Fragebögen aus. Mitunter werden Angehörige oder das medizinische Fachpersonal zur Beurteilung hinzugezogen.
Eine Übersicht zu in der Onkologie häufig eingesetzten Tests findet sich am Ende dieses Textes.

Außer im klinischen Alltag spielt die Messung der Lebensqualität auch eine wichtige Rolle in der Krebsforschung: Wissenschaftler erheben bei Studienteilnehmern auch, wie es den Probanden allgemein geht, um die Auswirkungen neuer Behandlungsverfahren besser beurteilen zu können.
Neben Kriterien wie Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit der Behandlung gibt die Beurteilung der Lebensqualität zusätzliche Auskünfte über die Qualität einer Therapie, auch aus Patientensicht. Sie hilft, Fragen zu beantworten, die für Betroffene eine große Rolle spielen, etwa: Wie sinnvoll ist eine Therapie, die das Leben um wenige Monate verlängert, dabei aber mit vielen Nebenwirkungen einhergeht?

Lebensqualität nicht immer schlecht

Trotz Einschränkungen sind viele Krebspatienten mit ihrem Leben zufrieden.

Ist die Lebensqualität von Krebspatienten zwangsläufig schlecht? Zwar kann das zu manchen Zeitpunkten so sein, etwa bei der Diagnosestellung, während belastender Therapien oder nach einem Rückfall. Es gilt aber nicht generell.
Untersuchungen haben gezeigt, dass nicht wenige betroffene Frauen und Männer nach eigenen Aussagen eine hohe Lebensqualität haben. Fachleute nennen dieses Phänomen auch "Zufriedenheitsparadoxon".

Wie gut oder schlecht die Lebensqualität ist, hängt vor allem davon ab, wie es Betroffenen gelingt, mit der Krankheit zurechtzukommen. Das bedeutet auch, mit immer neuen Herausforderungen zu leben: Im Verlauf einer Krebserkrankung wechseln sich gute und schlechte Phasen oft ab. Der medizinische Verlauf der Erkrankung gibt den Rahmen vor. Eine gute Lebensqualität geben Patienten meist dann an, wenn es ihnen möglich ist, mit ihrer augenblicklichen Situation zufrieden zu sein.

Das erfordert unter Umständen auch, dass sie Einschränkungen und Verluste hinnehmen, andererseits aber einen Blick für das behalten, was trotz der Krankheit möglich ist. Betroffene berichten, dass eine Krebserkrankung es leichter machen kann, zwischen wichtigen und unwichtigen Dingen im Leben zu unterscheiden.

Gelingt die Krankheitsbewältigung auf längere Sicht nur schlecht, schafft man es nicht, sich an die veränderte Situation anzupassen und ein neues Gleichgewicht zu finden?
Dann können Ängste, Depressionen und weitere Symptome die Lebensqualität beeinträchtigen. Vor allem in den USA sprechen manche Fachleute sogar von einer sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung, wenn sie die Probleme ihrer Patienten beschreiben. In Deutschland ist dieser Begriff für die vielfältigen Folgen, die Krebs auch an der Seele hinterlassen kann, weniger gebräuchlich.

Eine Krebsbehandlung kann Patienten stark belasten. Diese Belastungen können kurzzeitig und vorübergehend sein, wie zum Beispiel Übelkeit bei einer Chemotherapie. Sie können aber auch andauern, zum Beispiel bei einem künstlichen Darmausgang. Sie können sich auf das seelische oder körperliche Wohlbefinden auswirken oder auch auf die sozialen Beziehungen, zum Beispiel wenn wegen längerer Krankschreibung der Kontakt zu Kollegen verloren geht.

Therapiefolgen stärker im Blick: Bessere Behandlung, weniger Nebenwirkungen

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In der Krebsbehandlung legt man immer mehr Wert auf Behandlungsansätze, die neben Aspekten wie dem Gesamtüberleben auch eine hohe Lebensqualität ermöglichen. Dafür gibt es Beispiele: So operieren Chirurgen heute in vielen Fällen weniger radikal als noch vor einigen Jahren. Die Nebenwirkungen einer Chemotherapie werden mit Medikamenten gelindert, die Behandlung selbst ist immer häufiger ambulant möglich. Viele Patienten fürchten sich besonders vor Schmerzen. Doch auch die Behandlung von Schmerzen hat große Fortschritte gemacht.

Ist die Lebensqualität während der Behandlung trotz all dieser Maßnahmen stark eingeschränkt und lässt sie sich durch medizinische und pflegerische Maßnahmen nicht verbessern, können Betroffene und ihre Angehörigen weitergehende Hilfe in Anspruch nehmen: Psychoonkologische Betreuung kann zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen und bei der Bewältigung der Belastung helfen.

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Wie zufrieden Patienten mit ihrer Situation sind, hängt zunächst davon ab, wie gut sie medizinisch versorgt werden. Dazu zählt zum Beispiel eine gute Behandlung von Schmerzen  und eine wirksame Therapie aller sonstigen belastenden Symptome. Wichtigste Ansprechpartner sind daher die behandelnden Ärzte. Fachleute raten, gegenüber Medizinern und Pflegepersonal das aktuelle Befinden möglichst genau zu schildern und Beschwerden anzusprechen. Dies gilt nicht nur während der eigentlichen Behandlung, sondern auch in der Nachsorge.

Krebsberatungsstellen und Psychoonkologen: Hilfe für bessere Lebensqualität

Was können Betroffene über die medizinische Behandlung hinaus tun, um ihre Lebensqualität zu erhöhen? Es gibt verschiedene Anlaufstellen, die Unterstützung im Umgang mit der Erkrankungssituation bieten. Dazu zählen psychosoziale Krebsberatungsstellen. Sie sind ein wichtiger Ansprechpartner bei Sorgen und Problemen rund um die Erkrankung. Eine Übersicht findet sich hier.

Auch Psychoonkologen können Unterstützung bieten. Sie helfen zum Beispiel beim Umgang mit Angst, Trauer oder Hilflosigkeit. In vielen Kliniken gibt es psychoonkologische Ansprechpartner. Eine Liste von ambulant tätigen Therapeuten mit anerkannter psychoonkologischer Weiterbildung hat der Krebsinformationsdienst in einer Adressdatenbank zusammengestellt: Dort erhalten Betroffene, Angehörige und Interessierte weitere Informationen.

Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Menschen

Der Austausch mit anderen Betroffenen, anonym im Internet oder bei Treffen, kann Patientinnen und Patienten helfen, eine neue Sicht auf ihre Erkrankung zu erhalten. Einen Überblick über bundesweite Selbsthilfe-Organisationen und Patientenverbände, vor Ort wie online, findet sich hier.

In der Onkologie werden zur Beurteilung der Lebensqualität häufig der Karnofsky-Index, das Sickness Impact Profile oder die Messung nach EORTC-QLC eingesetzt.

  • Der Karnofsky Index misst den körperlichen Zustand und das Allgemeinbefinden von Patienten. Der Karnofsky-Index arbeitet mit einer Skala von null bis 100. 100 Prozent bedeuten dabei, dass ein Patient keine Beschwerden oder Krankheitszeichen aufweist. Üblicherweise wird die Einschätzung von Ärzten oder Pflegepersonal vorgenommen. Teilweise spricht man auch vom Karnofsky-Status (KPS).
  • Das Sickness Impact Profile (SIP) bewertet den Zustand eines Patienten anhand von Alltagsaktivitäten. Welche kann ein Betroffener ausüben, welche nicht? Insgesamt werden zwölf Kategorien abgefragt. Die Zahl der einzelnen Fragen ist deutlich höher. Das SIP kann von Patienten selbstständig oder mit Unterstützung eines Interviewers ausgefüllt werden. Fachleute geben an, dass dafür etwa 20 bis 30 Minuten einzuplanen sind.
  • Das Verfahren EORTC-QLC ist speziell für die Befragung von Krebspatienten gedacht. Hiermit wird erhoben, wie Patienten verschiedene Bereiche ihres Lebens einschätzen. Welche Einschränkungen und Krankheitssymptome sind besonders belastend? Wie ist die generelle Zufriedenheit mit dem eigenen Leben? Dabei besteht der EORTC-QLC aus zwei Teilen: einem allgemeinen Teil, und einem, der auf die jeweilige Krebserkrankung ausgerichtet ist. Der Fragebogen wird von Betroffenen selbst ausgefüllt. Dafür sind durchschnittlich zehn Minuten Zeit einzuplanen.


Fachliteratur und weitere Informationen (Auswahl)

Leitlinie "Psychoonkologie"

Anfang 2014 haben die Deutsche Krebsgesellschaft e.V. und viele weitere beteiligte Fachorganisationen eine S3-Leitlinie zum Thema herausgegeben, auch Patientenvertreter waren einbezogen: "Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten".

  • Sie ist in einer kurzen und einer ausführlichen Fassung abrufbar bei der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften unter www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-051OL.html.
  • Unter der gleichen Adresse kann auch ein Text für Patienten und Patientinnen abgerufen werden.

Hintergrundinformationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO): The WHOQOL Group (1995). The World Health Organization Quality of Life Assessment (WHOQOL): Position Paper from the World Health Organization. Social Science & Medicine 41: 1403-1409. doi:10.1016/0277-9536(95)00112-K

WHO-Studie zu Spiritualität und Lebensqualität: WHOQOL SRPB Group (2006). A cross-cultural study of spirituality, religion, and personal beliefs as components of quality of life. Social Science & Medicine 62: 1486-1497. doi:10.1016/j.socscimed.2005.08.001

Deutschsprachiges Fachbuch: Heußner P, Besseler M, Dietzelfelbinger H, Fegg M, Lang K, Mehl U, Pouget-Schors D, Riedner C, Sellschopp A (Hrsg.) (2009). Manual Psychoonkologie.

Fachaufsatz zum Thema: Faller H (2009). Erfolg psychologischer Intervention - ein Review. In: Koch U, Weis J (Hrsg.) (2009). Psychoonkologie. Eine Disziplin in der Entwicklung

Englischsprachiges Fachbuch: Holland JC, Breitbart WS, Jacobsen PB, Lederberg MS, Loscalzo MJ, McCorkle R (2010). Psycho-Oncology. Second Edition.

Tests zur Erhebung von Lebensqualität: Interessierte können einige Testverfahren im Internet einsehen. Der EORTC-QLC ider European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) ist unter folgendem Link zugänglich: https://qol.eortc.org/questionnaire/eortc-qlq-c30/.
Eine Übersicht über verschiedene Testverfahren, darunter Karnofsky-Index und EORTC-QLC, hat das Kompetenznetz Leukämien zusammengestellt, www.kompetenznetz-leukaemie.de/content/aerzte/scores/geriatrisches_assessment.
Eine zugrunde liegenden Originalveröffentlichungen zum Sickness Impact Profile ist im Internet kostenlos zugänglich, Carter WB, Bobbitt RA, Bergner M, Gilson BS (1976). Validation of an interval scaling: the sickness impact profile. Health Services Research 11: 516-528. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1071949/.

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Erstellt: 12.01.2012

Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Internet-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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