Steigt das Krebsrisiko bei Linkshändern?
Wenig belastbare Aussagen
Kleine Fallzahlen, wenig Transparenz über mögliche andere Faktoren mit Einfluss auf die Ergebnisse der Studie? Solche Daten sind wenig aussagekräftig.
Das Gerücht hält sich hartnäckig und erreicht immer wieder die Medien: Die angeborene Händigkeit bestimme das individuelle Krebsrisiko - ja, sie könne sich sogar auf die Überlebenswahrscheinlichkeit auswirken.
Die Recherche zeigt jedoch: Es gibt zum Krebsrisiko in Abhängigkeit von der Links- oder Rechtshändigkeit nur wenige Veröffentlichungen. Diese sind zumeist älteren Datums, und sie konzentrieren sich hauptsächlich auf das Risiko von Brustkrebs bei Linkshänderinnen. So zeigten bevölkerungsbezogene Erhebungen tatsächlich einen Zusammenhang mit der Linkshändigkeit beim Brustkrebsrisiko von Frauen vor den Wechseljahren: Die Erkrankungswahrscheinlichkeit ist bei diesen Linkshänderinnen geringfügig höher. Dieser Korrelation liegen allerdings geringe Fallzahlen zugrunde. Zudem sind die Konfidenzintervalle groß. Die Daten sind daher wenig aussagekräftig.
Reagieren Linkshänder anders auf Therapien als Rechtshänder?
In einigen wenigen Publikationen wurde untersucht, wie die Links- oder Rechtshändigkeit das Ansprechen auf eine Therapie beeinflusst. Auch hier stammen die Daten aus Untersuchungen mit Brustkrebspatientinnen. Im Jahr 2015 wurde sogar eine sehr kleine Studie bei Männern mit Brustkrebs veröffentlicht: Bei 28 rumänischen Männern mit Brustkrebs (11 Linkshänder, 17 Rechtshänder) waren unter einer antihormonellen Therapie mit dem Wirkstoff Tamoxifen die Auswirkungen auf die Sexualität untersucht worden. Es zeigte sich, dass bei Linkshändern im Vergleich zu Rechtshändern Orgasmusfähigkeit und Libido stärker nachließen und häufiger erektile Dysfunktion auftrat. Angesichts der kleinen Gruppe und den vergleichsweise subjektiven Endpunkten der Befragung stellt sich jedoch die Frage, wie belastbar solche Ergebnisse tatsächlich sind.
Bei der Interpretation solcher Daten aus Studien ist zu bedenken, dass Effekte von Therapien individuell sehr unterschiedlich sein können. Hinter Zahlenangaben in Studien kann sich eine große Bandbreite verbergen. Es ist daher nicht möglich, aus den statistischen Angaben auf diesen Seiten oder aus wissenschaftlichen Studien, auf den Verlauf einer einzelnen Erkrankung zu schließen.
Biologische Mechanismen: Händigkeit und Geschlechtshormone?
Als mögliche Ursache einer Linkshändigkeit wird eine erhöhte vorgeburtliche Konzentration des weiblichen Sexualhormons Östrogen diskutiert. Eine weitere Hypothese zum Zusammenhang zwischen Händigkeit und Sexualhormonen: Die Sexualität scheint bei rechtshändigen Männern eher Androgen-gesteuert zu sein, während bei linkshändigen Männern möglicherweise auch Östrogen eine Rolle spielt.
Generell bieten die neurobiologische Entwicklung, ihre Abhängigkeit von Geschlecht und Hormonspiegel sowie deren Einflüsse auf ein späteres Krankheitsrisiko ein breites Forschungsfeld. Untersuchungen zu Prozessen im Mutterleib, während der Pubertät und beim Erwachsenen werden bei Links- und Rechtshändern genauso verglichen wie bei Männern und Frauen.
Bislang liegen jedoch keine Daten mit klinischer Relevanz für die Onkologie vor: Weder eignet sich die Händigkeit zur Abschätzung des Krebsrisikos, noch ist sie bei rechts-oder linkshändigen Krebspatienten als Prognosemarker geeignet.
Zum Weiterlesen: Verwendete Quellen und vertiefende Informationen (Auswahl)
Fachveröffentlichungen
Fritschi L, Divitini M, Talbot-Smith A, Knuiman M. (2007). Left-handedness and risk of breast cancer. Br J Cancer. 2007 Sep 3;97(5):686-7. doi: 10.1038/sj.bjc.6603920
Gutwinski S, Löscher A, Mahler L, Kalbitzer J, Heinz A, Bermpohl F. (2011). Besonderheit der Linkshändigkeit. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(50): 849-53; doi: 10.3238/arztebl.2011.0849
Khosravifarsani M, Monfared AS, Elahimanesh F, Borzoueisileh S, Hajian-Tilaki K, Seyfizadeh N, Amiri M. (2012). Is there association between handedness and radiosensitivity in breast cancer women? Med Oncol. 2012 Dec;29(4):2552-5. doi: 10.1007/s12032-011-0153-0
Motofei IG, Rowland DL, Popa F, Bratucu E, Straja D, Manea M, Georgescu SR, Paunica S, Bratucu M, Balalau C, Constantin VD. (2015). A Pilot Study on Tamoxifen Sexual Side Effects and Hand Preference in Male Breast Cancer. Arch Sex Behav. 2015 Aug;44(6):1589-94. doi: 10.1007/s10508-015-0530-4
Ramadhani MK, Elias SG, van Noord PA, Grobbee DE, Peeters PH, Uiterwaal CS. (2005). Innate left handedness and risk of breast cancer: case-cohort study. BMJ. 2005 Oct 15; 331(7521):882-3. doi: 10.1136/bmj.38572.440359.AE