Arztgespräche "zum Nachhören": Sind Tonaufnahmen sinnvoll?

Studie erhebt Meinungsbild unter Onkologen in Deutschland

Erstellt am:

Krebsbetroffene müssen oft unter großem emotionalem Stress eine Fülle komplexer medizinischer Informationen verarbeiten. Wichtige Inhalte aus dem Arzt-Patienten-Gespräch bleiben dabei oft auf der Strecke.

Das Wichtigste in Kürze

  • Mitschnitte von Arztgesprächen könnten es Krebserkrankten ermöglichen, diese im Nachhinein nochmals anzuhören. Dies kann dabei helfen, wichtige Inhalte besser zu erinnern und zu verstehen.
  • In Deutschland ist dieses Vorgehen bislang eher unüblich. Erlaubt sind Tonaufnahmen darüber hinaus nur, wenn beide Seiten damit einverstanden sind.
  • Wie eine Studie zeigt, stehen Onkologinnen und Onkologen dem Aufzeichnen von Gesprächen ambivalent gegenüber. Die Befragten sehen mögliche Vorteile, aber auch Risiken – unter anderem im Hinblick auf die weitere Verwendung der Aufnahmen.
Zwei Hände mit Smartphone, darüber ein grafisch dargestelltes Mikrofon und Schallwellen.
Tonaufnahmen von Arztgesprächen sind in Deutschland bislang eher unüblich.
Bild: © 1st footage, Shutterstock

Ob Diagnosemitteilung, Befundgespräch oder Therapieplanung – auf Krebsbetroffene strömt vieles ein. Dabei stehen Patientinnen und Patienten gerade in der ersten Zeit nach einer Krebsdiagnose regelrecht unter Schock. Auch später können sie durch die Erkrankung emotional stark belastet sein. Parallel müssen Betroffene zahlreiche Informationen zu ihrer Erkrankung erfassen, um Behandlungsentscheidungen treffen oder mittragen zu können.

Erhebliche Erinnerungslücken

Selbst ohne die Ausnahmesituation einer Krebsdiagnose – Studien weisen darauf hin, dass es Patientinnen und Patienten häufig schwerfällt, alles richtig zu erinnern, was im Arztgespräch thematisiert wurde. Zum genauen Ausmaß der Erinnerungslücken oder -verzerrungen variieren die Ergebnisse. Manche Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass bis zu 80 Prozent der vermittelten Informationen nicht korrekt wiedergegeben werden können. Dabei dürfte emotionaler Stress, wie er rund um eine lebensbedrohliche Diagnose zu erwarten ist, die Herausforderung noch vergrößern.

Abhilfe durch Gesprächsmitschnitte?

Ein international diskutierter Lösungsansatz sind sogenannte "Consultation Recordings" – also Audioaufnahmen von Arztgesprächen, die Patientinnen und Patienten anschließend zur Verfügung gestellt werden. Diese Aufnahmen ermöglichen es, wichtige Informationen erneut anzuhören oder mit Angehörigen zu teilen. In Deutschland sind sie jedoch nur erlaubt, wenn beide Gesprächspartner damit einverstanden sind.

Wie Onkologinnen und Onkologen darüber denken

Erstmals hat jetzt eine Forschungsgruppe des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in einer Online-Befragung erhoben, wie Onkologinnen und Onkologen in Deutschland zu Gesprächsaufzeichnungen stehen. 
Die Studie, an der 94 Ärztinnen und Ärzte teilnahmen, ergab ein heterogenes Meinungsbild.

Wenig Erfahrung: Nur 11 der 94 befragten Onkologinnen und Onkologen gaben an, selbst Erfahrung mit Audioaufnahmen zu haben, 5 davon gaben an, die Aufnahmen selbst initiiert zu haben.

Grundeinstellung zwiegespalten: Rund 50 Prozent der Teilnehmenden stehen Gesprächsmitschnitten eher positiv gegenüber, während sich die andere Hälfte skeptisch oder ablehnend äußerte. Dabei hatten weder das eigene Alter noch die Berufserfahrung Einfluss auf das Urteil.

Erwartete Vorteile: Die befragten Ärztinnen und Ärzte sehen durchaus Chancen, die das Vorgehen mit sich bringen könnte. Vergleichsweise hohe Zustimmungsraten fanden die Wissenschaftler unter anderem für die Aussagen, dass Audioaufnahmen Patientinnen und Patienten dabei helfen könnten,

  • Informationen besser zu erinnern,
  • sich besser auf Folgetermine vorzubereiten,
  • Gesprächsinhalte mit Angehörigen zu teilen.

Zentrale Bedenken: Dem gegenüber stehen verschiedene Sorgen der Behandler, insbesondere im Hinblick auf rechtliche Fragen. So fürchten die Befragten beispielsweise

  • eine Weitergabe von Aufnahmen ohne Absprache oder Zustimmung,
  • die Verwendung von Mitschnitten als "Beweismittel" gegen behandelnde Ärztinnen und Ärzte
  • und eine weniger offene Gesprächsatmosphäre.

Künftige Nutzung: 13 der 94 Befragten gaben an, künftig Gesprächsaufnahmen anbieten zu wollen, 29 zeigten sich unentschieden und 52 sprachen sich dagegen aus. Interessant ist: Diejenigen, die bereits Erfahrung mit Aufnahmen gesammelt hatten, waren den Tonaufzeichnungen gegenüber eher positiv eingestellt.

Und die Patientensicht?

In einer vorausgegangenen Studie hatte das Forscherteam 287 Krebsbetroffene in Deutschland befragt, wie sie die Idee bewerten, Arztgespräche mit Hilfe von Audiomitschnitten nachhören zu können.

Dabei zeigte sich, dass sich mehr als zwei Drittel der Befragten eine solche Möglichkeit wünschen. Gleichzeitig gab es aber auch unter Patientinnen und Patienten gewisse Bedenken. Unter anderem sahen auch sie das Risiko, dass die Offenheit des ärztlichen Gegenübers unter der Aufzeichnung leiden könnte. 

Einige wenige Befragte gaben an, bereits heimlich Tonaufnahmen von Arztgesprächen angefertigt zu haben.

KI-gestützte Gesprächsdokumentation

Eine Alternative zu Audioaufnahmen könnten auch Transkripte oder schriftliche Zusammenfassungen von Gesprächsinhalten sein, die Patientinnen und Patienten zur Verfügung gestellt werden. Hier könnten künftig KI-gestützte Tools neue Möglichkeiten eröffnen.

Was sonst noch bei der Informationsverarbeitung helfen kann

Kommunikation im medizinischen Alltag

Gute Kommunikation ist essenziell, damit Patientinnen und Patienten die Inhalte wichtiger Gespräche verstehen, behalten und verarbeiten können. Für Ärztinnen und Ärzte hat die Ärztekammer Nordrhein einen Praxisleitfaden zur Kommunikation im medizinischen Alltag erstellt. Der Leitfaden steht auf den Internetseiten der Ärtekammer als Online-Version mit integrierten Videobeispielen, als E-Paper oder zum Download zur Verfügung.

Wenn Ärztinnen und Ärzte Krebsbetroffene dabei unterstützen möchten, schwierige Gespräche zu verarbeiten, kann es hilfreich sein,

  • Patientinnen und Patienten explizit zu ermuntern, in Begleitung einer Vertrauensperson zu kommen,
  • eine Möglichkeit für Nachfragen auch zu einem späteren Zeitpunkt anzubieten,
  • Infomaterialien rund um Erkrankung und Therapie zur Verfügung zu stellen,
  • ergänzend auf fachlich fundierte Informationsangebote wie beispielsweise den Krebsinformationsdienst hinzuweisen,
  • begleitende psychoonkologische Beratungsangebote zu vermitteln.

Zum Weiterlesen: Verwendete Quellen und vertiefende Informationen

Zum Weiterlesen: Verwendete Quellen und vertiefende Informationen

Fachartikel
Topf C, Hahlweg P, Scholl I. A cross-sectional online survey on oncologists’ attitudes toward and experiences with providing patients with audio recordings of their medical encounters. Sci Rep 2025; 15, 17100. https://doi.org/10.1038/s41598-025-01962-8.

Topf C, Scholl I, Hahlweg P. Attitudes and experiences of cancer patients toward the provision of audio recordings of their own medical encounter: a cross-sectional online survey. Front. Psychol. 2024;15:1378854. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2024.1378854.
 

Rechtliche Situation
Die rechtlichen Grundlagen sind abgebildet in § 201 Strafgesetzbuch (StGB): Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes.


Weitere Informationen
Ärztekammer Nordrhein: Kommunikation im medizinischen Alltag – Ein Leitfaden für die Praxis. Neue, überarbeitete Auflage 2025. Die Broschüre steht kostenfrei auf den Internetseiten der Ärztekammer Nordrhein als E-Paper oder Download zur Verfügung.

Deutsche Krebshilfe/Deutsche Krebsgesellschaft: Patienten und Ärzte als Partner. Die blauen Ratgeber. Stand 07/2020. Die Broschüre kann auf den Internetseiten der Deutschen Krebshilfe kostenfrei heruntergeladen oder in Printform bestellt werden. 

Fragen Sie uns. Wir sind für Sie da.

Ärztinnen und Ärzte beantworten Ihre Fragen zu Krebs am Telefon oder per E-Mail – kostenfrei.
Unsere Informationen sind verständlich, aktuell, wissenschaftlich fundiert und qualitätsgesichert.

Ärztlicher Telefondienst

Telefonisch erreichen Sie uns unter 0800 420 30 40 täglich von 8 bis 20 Uhr. Ihr Anruf ist innerhalb Deutschlands kostenlos.

Wir rufen Sie gerne zurück

Sie haben uns nicht erreicht? Oder wollen in einem festen Zeitraum mit uns telefonieren? Dann
können Sie mit unseren Ärztinnen und Ärzten einen Rückruf vereinbaren.

  • Pflichtfelder Bitte hinterlegen Sie eine Telefonnummer unter der Sie persönlich gut zu erreichen sind, wählen Sie unter "Uhrzeit" den Zeitraum, in dem Sie zurückgerufen werden möchten und stimmen Sie unseren Datenschutzbestimmungen zu.

Ärztlicher E-Mail-Service

Schriftliche Anfragen senden Sie bitte entweder