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Krebs-Immuntherapie und das Mikrobiom

Wie wirken sich Darmflora und Antibiotika auf den Erfolg aus?

Was hat die Darmflora damit zu tun, ob eine Krebstherapie wirksam ist? Neue Studien deuten an: Offenbar viel mehr als früher angenommen. krebsinformationsdienst.med informiert zum Stand der Forschung.

Zu sehen ist der Dickdarm in einem angedeuteten Körper. Ein Darmabschnitt ist vergrößert und das Innere ist zu sehen. Darin sieht man durch ein Vergrößerungsglas stäbchenförmige Bakterien. Neben dem Körper ist ein Haufen mit roten Zellen, die einen Tumor darstellen. Zwischen Tumor und Darmbakterien sind grüne Zellen. Sie stellen eine Krebs-Immuntherapie dar.
Das Darm-Mikrobiom hat Einfluss auf eine Immuntherapie bei Krebs © Krebsinformationsdienst, DKFZ, erstellt mit BioRender.com

Selbst bei immunogenen Krebsarten wie dem malignen Melanom oder Lungenkrebs wirkt eine Immuntherapie längst nicht bei allen Betroffenen. Wer davon profitieren wird, lässt sich derzeit nur ungenau vorhersagen. Derzeit rückt ein bisher wohl unterschätzter Faktor in den Fokus: Die Zusammensetzung der Darmflora (das "Darm-Mikrobiom") der Behandelten. Aber wie sieht die "richtige" Darmflora aus? Und kann man sie gezielt verbessern?

Antibiotika und Immuntherapie

Das (Darm-)Mikrobiom

Mit der Bezeichnung Darm-Mikrobiom oder Darmflora sind vor allem Anzahl und Zusammensetzung der Mikroorganismen, also vor allem Bakterien, aber auch Pilze und Viren, des Darms gemeint. Etwa 300 Bakterienarten finden sich im Darm jedes Erwachsenen, weitere 600 – 700 können dazukommen. Insgesamt sind das etwa 100 Billionen (!) Mikroorganismen im Dickdarm einer gesunden Person. Mehr leicht verständliche und auch für Laien geeignete Informationen finden Sie beispielsweise in einer Broschüre des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

Erste Hinweise auf eine Rolle des Mikrobioms beim Ansprechen von Krebs auf Immuntherapien stammen aus Untersuchungen zum Einfluss von Antibiotika auf die Wirksamkeit solcher Therapien. Dabei stellte sich heraus, dass insbesondere eine Behandlung mit Antibiotika kurz vor oder während der Einleitung einer Immuntherapie mit einem schlechteren Ansprechen einherging.

Dass Antibiotika die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms beeinflussen, ist bekannt. Die beobachtete Korrelation mit dem Therapieansprechen könnte aber indirekt sein: Patientinnen und Patienten, die Antibiotika benötigen, könnten generell in einem schlechteren Gesundheitszustand sein als solche, die ohne Antibiotika auskommen. Auch das damit häufig einhergehende geschwächte Immunsystem könnte die Wirkung der Immuntherapien ungünstig beeinflussen. Daher muss dieser (mögliche) Zusammenhang auch noch in anderer Form überprüft werden.

Darmbakterien und Ansprechen

In einigen Studien wurde das Darm-Mikrobiom von Krebserkrankten mit gutem und schlechtem Ansprechen auf Immuntherapien verglichen. Dort zeigten sich häufig Unterschiede in der Verteilung bestimmter Bakterienstämme.

Welche Bakterienstämme die Wirkung einer Immuntherapie zu fördern oder zu hemmen schienen, war in diesen Studien allerdings bisher nicht ganz einheitlich. Das kann auch mit regionalen – genetischen oder Lebensstil-bedingten – Unterschieden zusammenhängen, da die Studien in verschiedenen Teilen der Welt durchgeführt wurden. Hier ist also noch mehr Forschung nötig.



Wirksamkeit der Krebstherapie: Über das Mikrobiom steuerbar?

Das Mikrobiom als Biomarker zur Therapieauswahl nutzen zu können, wäre bereits sehr nützlich für Betroffene. Noch hilfreicher könnte es aber sein, das Mikrobiom so zu beeinflussen, dass das Therapieansprechen bei vielen Patientinnen und Patienten verbessert wird. Die Möglichkeiten reichen hier von einer Umstellung der Ernährung über den Einsatz von Probiotika bis hin zu einer gezielten Übertragung der Darmbakterien aus Stuhl von Personen, deren Erkrankung gut auf eine Immuntherapie angesprochen hat.

Studien zu Ernährung und Probiotika: In rückblickenden Untersuchungen wurde beispielsweise beobachtet, dass das Ansprechen auf eine Immuntherapie mit Ballaststoffen in der Ernährung oder mit der Aufnahme von Probiotika korrelierte. Auch hier waren die bisherigen Ergebnisse jedoch nicht einheitlich.

Studien zur Stuhltransplantation: In einer frühen klinischen Studie war der Ansatz der Stuhltransplantation bei Melanompatientinnen und -patienten gut verträglich1. In der Studie wurde beobachtet, dass das Ansprechen auf Immun-Checkpoint-Hemmer mit einer Ausbreitung der als günstig angesehenen transplantierten Bakterien im Darm einherging. Ein direkter Vergleich mit dem Therapieansprechen von Betroffenen ohne solches Transplantat steht aber noch aus. Weitere interventionelle Studien laufen oder sind in Planung.

Das Mikrobiom: Wie viel Einfluss hat es?

Die bisherige Forschung zum Einfluss des Mikrobioms auf die Wirksamkeit einer Immuntherapie wurde zu großen Teilen am malignen Melanom durchgeführt. Für den schwarzen Hautkrebs ist bekannt, dass er hoch immunogen ist und häufig gut auf eine Immuntherapie anspricht.

Man kann jedoch nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass auch Patientinnen und Patienten mit Krebserkrankungen, die als sehr wenig immunogen bekannt sind, dank eines optimierten Mikrobioms nun regelhaft von Immuntherapien profitieren.

Außerdem ist unklar, ob und gegebenenfalls wie das Mikrobiom wirklich bei allen Patientinnen und Patienten verbessert werden kann. In der oben genannten interventionellen Studie1 zur Stuhltransplantation war das bei einigen Personen nicht der Fall.

Woran wird derzeit geforscht?

Es wird derzeit weiter untersucht, welche Bestandteile des Mikrobioms sich günstig auf das Therapieansprechen auswirken. Neben einer Immuntherapie gilt das auch für weitere Therapieformen, beispielsweise für Chemotherapien – denn auch für ihre Wirkung spielt das Immunsystem eine Rolle. Mithilfe der Ergebnisse wird versucht, mikrobiombezogene Biomarker für das Ansprechen auf diese Therapien zu entwickeln.

In weiteren, in der Regel frühen klinischen Studien werden zudem gezielte Interventionen erprobt, insbesondere mit Probiotika oder einer Mikrobiom-Übertragung durch Stuhltransplantation.

Ein weiterer Forschungsaspekt, der zurzeit eher noch im Bereich der Grundlagenforschung angegangen wird, ist die Rolle des Tumor-Mikrobioms – denn auch im Tumor können Bakterien und Viren eine Rolle spielen.

Fazit: Was heißt das für meine Patienten?

Ernährung: Zu einer abwechslungs- und ballaststoffreichen, landläufig ohnehin als "gesund" eingestuften Ernährung können Sie auch im Hinblick auf eine Immuntherapie und das Mikrobiom sicher raten. Auch auf andere Therapieformen und auf die Prognose kann sie sich günstig auswirken.

Probiotika: Ob und in welchen Konstellationen Probiotika für eine Immuntherapie hilfreich sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Daher erscheint eine generelle Verordnung von Probiotika im Zusammenhang mit einer Immuntherapie zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll.

Antibiotika: Sie können selbstverständlich nicht immer vermieden werden. Ihr Einsatz kann aber auf Situationen beschränkt werden, wo er wirklich notwendig ist. Außerdem können – wo möglich – Antibiotika gewählt werden, die weniger stark in die Darmflora eingreifen, also eher keine Breitband-Antibiotika.

Studien: Möglicherweise laufen klinische Studien, an denen Ihre Patienten teilnehmen könnten. Hier kann sich bei Interesse eine gezielte Nachfrage an einem großen Zentrum lohnen.



krebsinformationsdienst.med: Service für Fachkreise



Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Fachkreise-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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