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Metastasen-Bestrahlung: Muss die Systemtherapie pausieren?

Was Experten bei SBRT empfehlen

Die körperstereotaktische Bestrahlung (SBRT) von Metastasen gewinnt an Bedeutung. Wann eine systemische Therapie dabei zur Sicherheit unterbrochen werden muss und für wie lange, hat jetzt eine Expertengruppe beantwortet.

Links in der Grafik ist die lokale Therapie dargestellt: Eine Person erhält von außen eine gezielte Bestrahlung eines Tumorherds in der Bauchregion. In der rechten Bildhälfte ist ebenfalls eine Person zu sehen. Sie erhält eine systemische Therapie, die im ganzen Körper wirkt: Das können Tabletten oder Kapseln zum Schlucken sein oder alternativ Infusionen über die Vene.
Krebskranke erhalten eine hochpräzise Metastasen-Bestrahlung oftmals parallel zur systemischen Tumortherapie. © Krebsinformationsdienst, DKFZ, erstellt mit BioRender.com

Hierbei handelt es sich um praktische Handlungsempfehlungen speziell zur intensiven und präzisen Strahlentherapie bei Metastasen außerhalb des Gehirns: Fachleute sprechen auch von körperstereotaktischer Radiotherapie (englisch Stereotactic Body Radiotherapy, abgekürzt SBRT). Die SBRT spielt insbesondere bei Oligometastasen eine Rolle, also wenn nur wenige Metastasen vorliegen.

Im März 2023 haben 28 Experten und Expertinnen der Europäischen Gesellschaft für Strahlentherapie und Onkologie (European Society for Radiotherapy and Oncology, ESTRO) und der Europäischen Organisation für Krebsforschung und Krebsbehandlung (European Organisation for Research and Treatment of Cancer, EORTC) Empfehlungen zur zeitlichen Therapieabfolge veröffentlicht, wenn die SBRT mit zielgerichteten Substanzen oder mit Immuntherapie kombiniert wird – auf Basis der aktuellen Datenlage.

Ziel der Konsensusempfehlungen ist, die Kombinationstherapie für Patienten und Patientinnen möglichst sicher durchzuführen und schwerwiegende Nebenwirkungen zu vermeiden. Im Folgenden erläutern wir Hintergründe anhand einzelner Behandlungsbeispiele. Weitere Details können Sie dem systematischen Review1 entnehmen.

Wichtig zu wissen: Die Evidenz bei extrakraniellen Metastasen ist noch begrenzt. Im Gegensatz dazu gibt es für das Management von Hirnmetastasen bereits mehr wissenschaftliche Daten und daher gesonderte Leitlinien2,3,4. Sie sind nicht Thema dieser News.

Kombinierte SBRT: wann und warum?

Immuntherapie und zielgerichtete Therapie sind bei vielen metastasierten Krebserkrankungen wirksamer und verträglicher als die Chemo. Patienten und Patientinnen leben dadurch länger und mit einer besseren Lebensqualität. In der Regel erhalten sie die Medikamente dauerhaft. In dieser chronischen Phase können einzelne Metastasen im Körper wachsen oder sich neu entwickeln. Dann können Betroffene von einer stereotaktischen Bestrahlung der Metastasen profitieren.

Bei der körperstereotaktischen Bestrahlung (SBRT) handelt es sich um eine Form der Hochpräzisionsstrahlentherapie. Wann eine SBRT bei extrakraniellen Metastasen infrage kommt, steht in den entsprechenden Leitlinien – beispielsweise zum nicht-kleinzelligen Lungenkrebs5, malignen Melanom6 und Nierenzellkarzinom7.

Kombinierte SBRT: die Nebenwirkungen

Nebenwirkungen der zielgerichteten Therapie

Informationen dazu finden Sie auf unseren Internetseiten unter Zielgerichtete Krebstherapie: Das Tumorwachstum punktgenau hemmen.

Bei Kombinationsstrategien wie SBRT plus Immuntherapie oder SBRT plus zielgerichtete Therapie können Nebenwirkungen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auftreten, beziehungsweise schwerer ausfallen als bei der jeweiligen Monotherapie. Dabei handelt es sich in der Regel um unerwünschte Folgen, die bereits von den Einzeltherapien bekannt sind.

Treten Nebenwirkungen auf, können sie meist vorwiegend der SBRT oder umgekehrt vorwiegend der systemischen Therapie zugeordnet werden. Bei den verschiedenen Immun-Checkpoint-Hemmern und zielgerichteten Medikamenten sind außerdem die unterschiedlichen Sicherheitsprofile zu berücksichtigen.

Immun-Checkpoint-Hemmer können zu überschießenden Immunreaktionen im ganzen Körper führen (immunvermittelte Nebenwirkungen). Beispiele sind immunvermittelte Nebenwirkungen

  • im Darm (Colitis),
  • in der Leber (Hepatitis),
  • in der Lunge (Pneumonitis),
  • in hormonbildenden Drüsen (endokrine Insuffizienz),
  • an der Haut (Dermatitis) und an Gelenken (Arthralgien).

Die körperstereotaktische Strahlentherapie (SBRT) gilt in der Regel als gut verträglich. Örtliche Nebenwirkungen können das bestrahlte krebskranke Gewebe betreffen, aber auch das unmittelbar umgebende gesunde Gewebe. Auch das Allgemeinbefinden kann beeinträchtigt sein. Beispiele für unerwünschte Wirkungen der SBRT sind:

  • Allgemeinsymptome wie Fatigue
  • Mukositis, wenn gesundes Gewebe wie die Schleimhaut betroffen ist
  • pathologische Frakturen bei der SBRT von Knochenmetastasen

Empfehlungen: Wann ist ein Mindestabstand der SBRT zur Systemtherapie einzuhalten?

In Studien ist in Verbindung mit der körperstereotaktischen Strahlentherapie (SBRT) für verschiedene Kombinationen ein höheres Toxizitätsrisiko dokumentiert, beispielsweise unter Checkpoint-Hemmern, Tyrosinkinase- und EGFR-Inhibitoren. Daher rät die ESTRO-EORTC-Expertengruppe in den meisten Fällen dazu, SBRT und Systemtherapie nicht am selben Tag durchzuführen. Darüber hinaus gelten folgende Empfehlungen (Auswahl):

  • SBRT plus Ipilimumab: Zwischen SBRT und dem Anti-CTLA-4-Antikörper Ipilimumab ist mindestens 1 Woche Therapiepause einzuhalten. Das heißt, sowohl bei Ipilimumab-Monotherapie als auch bei der dualen Checkpoint-Blockade Ipilimumab mit Nivolumab sollte das behandelnde Ärzteteam wenigstens 7 Tage Abstand zur Immuntherapie vor und nach der SBRT einplanen. Zugleich bedeutet dies aber auch, dass normalerweise kein Immuntherapiezyklus ausgelassen werden muss.
  • SBRT plus Bevacizumab: Zwischen SBRT und dem monoklonalen Antikörper Bevacizumab ist ebenfalls 1 Woche Therapiepause einzuhalten. Zusätzlich stimmen die Experten und Expertinnen überein, mindestens 1 Infusion auszulassen.

Wichtig zu wissen: Um die Wirksamkeit der stereotaktischen Bestrahlung und eine langfristige lokale Tumorkontrolle nicht zu gefährden, erfolgt die SBRT in der üblichen Dosierung und Fraktionierung – auch in Kombination mit der Systemtherapie.

Fazit für die Praxis

Die Datenlage zur kombinierten körperstereotaktischen Strahlentherapie (SBRT) ist begrenzt. Daher hat eine multidisziplinäre Expertengruppe einen systematischen Review erarbeitet zur Frage: Wie lässt sich die Metastasen-gerichtete Strahlentherapie bestmöglich in die laufende systemische Therapie von chronischen Krebserkrankungen integrieren?

Erschienen sind nun Handlungsempfehlungen, die Ärzten und Ärztinnen in der klinischen Praxis eine erste Orientierung bieten – mit dem Ziel, die Kombinationstherapie zu optimieren und schwere Nebenwirkungen zu minimieren. Mangels Evidenz fordert die Wissenschaft weitere Forschung zum Thema. Derzeit läuft eine große internationale Registerstudie, um "Real-World"-Daten aus dem Versorgungsalltag zu evaluieren.

Weiterhin gilt, dass das behandelnde Ärzteteam die Therapie individuell auf ihre Patienten und Patientinnen abstimmt. Bei der kombinierten Behandlung bleibt zudem wichtig, sorgfältig über mögliche Nebenwirkungen aufzuklären und Betroffene engmaschig zu begleiten.



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Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Fachkreise-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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