Archiv

PSA-Screening bei Transfrauen?

Individuelle Entscheidung notwendig

Transfrauen haben eine Prostata. Daher können sie an Prostatakrebs erkranken. Welche Früherkennung ist sinnvoll? Was man bisher zum PSA-Screening bei Transfrauen weiß, fasst krebsinformationsdienst.med für Sie zusammen.

Die Transgender-Flagge hat fünf horizontale Streifen in drei Farben - hellblau, rosa und weiß.
Die Transgender-Flagge – Symbol der Transgender-Gemeinschaft © Kat Love, Pixabay

Schätzungsweise identifizieren sich 0,4 bis 1,3 Prozent der Menschen weltweit als Transgender-Personen. Transfrauen identifizieren sich mit dem weiblichen Geschlecht, aber bei Geburt wurde ihnen das männliche Geschlecht zugeschrieben. Für den Fall, dass eine geschlechtsangleichende Therapie durchgeführt wird, bleibt die Prostata normalerweise erhalten.

Prinzipiell können Transfrauen also an einem Prostatakarzinom erkranken. Nach bisherigem Kenntnisstand geschieht dies weniger häufig als bei Cis-Männern, jedoch in einem vergleichbaren Alter. Noch ist die Datenlage dazu begrenzt. Daher gibt es bislang keine evidenzbasierten Leitlinien zur Prostatakrebs-Früherkennung speziell bei Transfrauen. Inzwischen existieren allerdings aktuelle Empfehlungen von internationalen Expertenteams1,2,3.

Transfrauen haben auch eine Prostata

Grafik zur Anatomie der Beckenorgane bei der Transfrau, wenn sie geschlechtsangleichend operiert wurde, Längsschnitt: Die Neovagina liegt in der Mitte und grenzt nach vorne an Harnblase und Prostata sowie nach hinten an den Enddarm.
Nach geschlechtsangleichender Operation: Lage der Prostata bei Transfrauen © Krebsinformationsdienst, DKFZ

Entscheiden sich Transfrauen für eine geschlechtsangleichende Operation, behalten sie trotzdem die Prostata. Die Prostatadrüse wird nicht entfernt, weil das mit einem relevanten Risiko für Kontinenzprobleme und Nervenschädigung verbunden wäre.

Wichtig zu wissen: Daher können Transfrauen, auch nach einer geschlechtsangleichenden Operation, die gleichen Prostataerkrankungen bekommen wie Cis-Männer. Ebenso non-binäre Menschen, denen bei Geburt das männliche Geschlecht zugeschrieben wurde.

Mit einer geschlechtsangleichenden Operation wie beispielsweise Orchiektomie und/oder Einbringen einer Neovagina ändert sich die Anatomie. Wo im Körper die Prostata nach einer Neovagina-Operation liegt, zeigt die Grafik. Wird eine Untersuchung der Prostata notwendig, kann sie – je nach Voroperation – besser transvaginal oder transperineal zugänglich sein als transrektal.

Prostatakrebsrisiko bei Transfrauen

Kohortenstudien deuten darauf hin, dass die Inzidenz von Prostatakarzinomen bei Transgender-Frauen niedriger ist als bei Cis-Männern. Dies wird auf den schützenden Effekt der geschlechtsangleichenden Hormontherapie (GAHT) zurückgeführt, der sich viele Transfrauen unterziehen. Bei der GAHT nehmen Transfrauen meist feminisierende Hormone wie Östrogen ein sowie Testosteron-entziehende Medikamente, sofern die Hoden nicht entfernt wurden.

Die Wahrscheinlichkeit für Prostatakrebs scheint dabei von verschiedenen Faktoren abzuhängen:

  • In welchem Alter wurde die GAHT gestartet und wie lange dauert sie schon an?
  • Welche Form der GAHT wird verabreicht und in welcher Dosierung?
  • Außerdem spielen wahrscheinlich die gleichen Risikofaktoren wie bei Cis-Männern eine Rolle, etwa Alter, Familiengeschichte und ethnische Herkunft.

Wichtig zu wissen: Bisher reichen die veröffentlichten Daten nicht aus, um eine allgemeingültige Aussage zum Prostatakrebsrisiko bei Transfrauen zu machen. Zudem weiß man noch nicht genau, wie sich die GAHT auf die Entstehung von Prostatakarzinomen auswirkt.

Prostatakrebs-Früherkennung bei Transfrauen

Expertenteams schlagen vor, dass Transgender-Frauen die gleiche Prostatakrebs-Früherkennung angeboten werden soll, wie es entsprechende Leitlinien für Cis-Männer empfehlen. Für Deutschland gilt die S3-Leitlinie Prostatakarzinom sowie das gesetzliche Früherkennungsprogramm.

Wichtige Inhalte der deutschen Prostatakrebs-Leitlinie sind:

  • Ärzte und Ärztinnen informieren anlassbezogen über die Möglichkeit der Früherkennung,
  • sie klären über die verschiedenen Untersuchungsmethoden auf und
  • beraten über Vor- und Nachteile des PSA-Tests.

Auf diese Weise werden Betroffene unterstützt, eine informierte und individuelle Entscheidung zu treffen. Lesen Sie weiter unter Prostatakrebs: Früherkennung und PSA-Test.

Welche Besonderheiten kann es in der Früherkennung von Prostatakrebs bei Transfrauen geben?

  • DRU (Digital-rektale Untersuchung): Bei Transgender-Frauen verkleinert sich die Prostatadrüse in der Regel unter geschlechtsangleichender Hormontherapie. Je nach geschlechtsangleichender Operation kann die Prostata besser transvaginal tastbar sein (siehe Grafik weiter oben).
  • PSA-Test (PSA-Screening): Die geschlechtsangleichende Therapie funktioniert ähnlich wie die Hormonentzugstherapie beim Prostatakarzinom. Damit geht einher, dass der PSA-Wert im Blut absinken kann – oftmals unter die Nachweisgrenze. Bislang gibt es bei Transfrauen jedoch keinen einheitlich festgelegten PSA-"Normalwert".
  • mpMRT (multiparametrische Magnetresonanztomographie): Zum Stellenwert dieser Bildgebung in der Früherkennung von Prostatakrebs ist bei Transfrauen bislang noch wenig bekannt. Weitere Informationen können Sie entsprechenden Fachartikeln2,3 entnehmen.

PSA-Screening: Wann in der Transition?

Das gesetzliche Krebsfrüherkennungsprogramm für Prostatakrebs startet mit 45 Jahren und beinhaltet eine Tastuntersuchung (DRU). Den PSA-Spiegel im Blut zu messen (PSA-Screening), gehört bislang nicht zur gesetzlichen Früherkennung. Die deutsche Prostatakrebs-Leitlinie empfiehlt jedoch, den PSA-Wert zu bestimmen, wenn Männer nach Aufklärung diese Früherkennungsuntersuchung wünschen.

Aktuell macht die deutsche Leitlinie keine präzise Altersangabe für das PSA-Screening. Üblich ist jedoch ein Beginn zwischen 40 und 50 Jahren – abhängig von zusätzlichen Risikofaktoren wie erbliche Vorbelastung und afrikanische Herkunft. Laut Experten und Expertinnen gilt dies derzeit auch für Transfrauen, sie fordern aber weitere Forschung.

Entscheiden sich Transfrauen für ein PSA-Screening: Dann richtet sich das Vorgehen danach, in welchem Alter die Betroffenen sind und ob sie eine geschlechtsangleichende Hormontherapie (GAHT) erhalten.

  • Vor GAHT-Beginn sollte der PSA-Wert bestimmt werden, wenn Transfrauen zwischen 40 und 50 Jahre alt sind oder älter. Dann lassen sich die PSA-Werte wie bei Cis-Männern interpretieren. Ergibt sich ein Krebsverdacht, folgen weitere Untersuchungen, um ein vorbestehendes, bislang unentdecktes Prostatakarzinom möglichst auszuschließen.
  • Sind Transgender-Frauen jünger als 40 Jahre, wenn sie mit der GAHT beginnen, beziehungsweise die Hoden entfernt bekommen: Dann ist ein PSA-Screening erst ab einem Alter von 40 Jahren in Betracht zu ziehen.
  • Unter GAHT-Therapie gilt ein PSA nach derzeitigem Wissensstand bis zu einem Basiswert von 1 ng/ml als normal. Liegt der Messwert über diesem Cut-off, ist eine weitere Abklärung (Biomarker, Bildgebung, Biopsie) zu erwägen. Weitere Details finden Sie in den Quellen1,2,3.

Fazit für die Praxis

Was bedeutet "kastrationsresistent"?

Vielleicht interessiert Sie in diesem Zusammenhang unsere immer noch gültige Fachkreise-News Ist der Begriff "kastrationsresistentes" Prostatakarzinom noch zeitgemäß?

Transgender-Frauen haben eine Prostata. Daher können sie auch an Prostatakrebs erkranken. Aufgrund der begrenzten Evidenz zu diesem Gesundheitsthema werden Transfrauen in den urologischen Leitlinien bislang nicht berücksichtigt. Denn: Noch sind Nutzen und Risiken einer Prostatakrebs-Früherkennung und eines PSA-Screenings bei dieser Personengruppe nicht geklärt.

Internationale Expertenteams empfehlen bislang, Transfrauen zu diesem Thema so wie Cis-Männer zu beraten:

  • eine sorgfältige Anamnese durchführen
  • ein Gespräch zu Prostataproblemen anbieten
  • über die Früherkennung des Prostatakarzinoms aufklären
  • bei Beschwerden an Prostatakrebs denken

Wichtig: Eine Testosteron-entziehende Therapie im Rahmen einer geschlechtsangleichenden Behandlung bei Transfrauen ähnelt der Hormonentzugstherapie bei Prostatakrebspatienten. Daher können Transgender-Patientinnen bei Diagnosestellung bereits ein sogenanntes kastrationsresistentes Prostatakarzinom haben.



krebsinformationsdienst.med: Service für Fachkreise



Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Fachkreise-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

powered by webEdition CMS