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Gadoliniumhaltige Kontrastmittel: Schädlich für das Gehirn?

Europäisches Risikobewertungsverfahren eingeleitet

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Gadoliniumhaltige Kontrastmittel verbessern die Aussagekraft der Magnetresonanztomographie (MRT). In der Onkologie werden sie häufiger eingesetzt, wenn bei einem Patienten mit einer MRT nach einem Tumor oder Metastasen gesucht werden soll. Nun haben Studien gezeigt: Sehr wahrscheinlich lagern sich Spuren von Gadolinium im Gehirn von Patienten ab, die MRT-Untersuchungen mit diesen Kontrastmitteln erhalten.
Doch sind diese Ablagerungen gesundheitsschädlich? Sind alle Kontrastmittel gleichermaßen betroffen? Und welche Konsequenzen ergeben sich für die klinische Praxis? Ein Risikobewertungsverfahren auf europäischer Ebene soll nun Klarheit schaffen. Der krebsinformationsdienst.med hat für Sie die Hintergründe zusammengefasst.

Gadolinium-Ablagerungen im Gehirn: Was steckt dahinter?

Die Magnetresonanztomographie (MRT), oft auch umgangssprachlich als Kernspin bezeichnet, ist ein sehr häufig genutztes bildgebendes Verfahren. Insbesondere dann, wenn bei Patienten nach Tumoren gesucht werden soll, wird bei der MRT-Untersuchung ein Kontrastmittel eingesetzt. Die zugelassenen Kontrastmittel enthalten häufig das Element Gadolinium, das im Komplex mit unterschiedlichen chemischen Verbindungen vorliegt. Zu nennen sind hier beispielsweise  Gadobutrol, Gadodiamid oder Gadopentetsäure - letzeres auch bekannt unter der Bezeichnung Gadolinium-DTPA. Kontrastmittel reichern sich in stark durchbluteten Geweben an, zum Beispiel in vielen Tumoren, die dadurch besser sichtbar werden.

  • Weitere Details finden Sie unter dem Stichwort "Kernspintomographie" im Bereich "Untersuchung" auf unseren Internetseiten.

MRT-Bilder © Tryfonov/Fotolia
MRT: Ein häufig genutztes bildgebendes Verfahren in der Onkologie © Tryfonov/Fotolia

Laut aktueller Hinweise des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weisen Studienergebnisse darauf hin, dass sich Gadolinium aus Kontrastmitteln in einigen Geweben ablagern könnte, beispielsweise in Leber und Niere, Muskeln, Haut oder Knochen. Wissenschaftler haben folgende Beobachtung gemacht: Bei Patienten, die mehrfach kontrastmittelverstärkte MRT-Untersuchungen erhalten haben, wurden bei einer späteren MRT-Untersuchung ohne Kontrastmittelgabe erhöhte Signalintensitäten in diesen Geweben nachgewiesen. Das deutet darauf hin, dass dort noch Kontrastmittel beziehungsweise Gadolinium vorhanden ist.

In den neuesten Studien wurden solche erhöhten Signale auch in Gehirnarealen von Patienten gefunden, die gadoliniumhaltige Kontrastmittel erhalten hatten.
Möglicherweise ist dies aber nicht bei allen gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln gleichermaßen der Fall: Hinweise fanden sich bei Patienten nach der Gabe von sogenannten linearen Kontrastmitteln. Die "makrozyklischen" Kontrastmitteln scheinen das Gadolinium dagegen fester zu binden.

 

Wie werden derzeit die Risiken eingeschätzt?

Europäisches Risikobewertungsverfahren zu Gadolinium-Kontrastmitteln

Das Bewertungsverfahren wurde durch die Europäische Kommission angestoßen. Es wird vom Ausschuss für Risikobewertung (PRAC) durchgeführt, dessen Empfehlung dem Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) als fachliche Grundlage seiner Begutachtung dienen wird. Im Anschluss wird die Europäische Kommission eine rechtlich bindende Entscheidung für alle EU-Mitgliedstaaten treffen. Details zu dem Verfahren können bei der EMA unter www.ema.europa.eu in englischer Sprache abgerufen werden.

Sowohl die U.S.-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA als auch die Europäische Kommission haben jetzt Risikobewertungsverfahren eingeleitet. Untersucht werden soll, mit welchen gesundheitlichen Auswirkungen Patienten rechnen müssen, wenn sich in ihrem Gehirn und in anderen Geweben infolge einer Kontrastmittelgabe Gadolinium ablagert.

Freies Gadolinium ist hoch toxisch. Das hängt damit zusammen, dass Gadolinium-Ionen ähnlich groß sind wie Kalzium-Ionen. Deshalb kann Gadolinium unter anderem der Funktion von Kalzium an Muskeln (auch dem Herzmuskel) und bei der Blutgerinnung entgegenwirken. In einem chemischen Komplex gebundenes Gadolinium, wie es in MRT-Kontrastmitteln eingesetzt wird, ist nach bisherigem Wissensstand jedoch gut verträglich.

Nach Einschätzung der Studienautoren wäre es jedoch möglich, dass Gadolinium in kleinen Mengen aus dem Kontrastmittel freigesetzt wird, sich in freier Form im Gehirn ablagert und dort Strukturen schädigt. Eine Rolle könnte spielen, wie "fest" das Gadolinium im jeweiligen Kontrastmittel gebunden ist.

Bisher gibt es nach Aussagen des Bundesministeriums für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zwar keine Hinweise darauf, dass im Gehirn abgelagertes Gadolinium tatsächlich zu Symptomen oder Nebenwirkungen führt. Trotzdem soll die Sicherheit von Gadolinium-Kontrastmitteln jetzt systematisch untersucht werden, um mögliche Risiken zu finden oder auszuschließen.

Gadoliniumhaltige Kontrastmittel: Was raten Experten derzeit?

Im Rahmen des Risikobewertungsverfahrens soll der Ausschuss für Risikobewertung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA auch Empfehlungen für den Umgang mit Gadolinium-basierten Kontrastmitteln erarbeiten.
Verschiedene Expertengremien und Fachleute haben bislang eigene Empfehlungen und Sichtweisen veröffentlicht. Auf diese können Ärzte bei der Beratung von Patienten zurückgreifen, bis abschließende Bewertungen der Arzneimittelbehörden vorliegen.
Eine Auswahl finden Sie hier:

  • Der Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), Prof. Dr. Dierk Vorwerk, äußert sich zu den jüngsten Erkenntnissen hinsichtlich der Gadolinium-Ablagerung in bestimmten Hirnarealen unter www.drg.de/de-DE/2687/gadoliniumhaltige-kontrastmittel-in-der-magnetresonanztomographie. Für ihn steht die Nutzen-Risiko-Abwägung im Vordergrund. Das bedeutet: Im Einzelfall muss das Risiko abgewogen werden, ohne MR-Kontrastmittel einen wichtigen, unter Umständen auch lebensbedrohlichen Befund zu übersehen, gegenüber den durch ihren Einsatz möglichen Nebenwirkungen.
  • Der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner (BDN) e.V. rät in einer Pressemitteilung dazu, vorerst nach Möglichkeit auf mehrere serielle MRT-Untersuchungen eines Patienten zu verzichten. Eine Herz-MRT könne zudem durch andere Untersuchungen wie die Myokard-Szintigraphie oder Ultraschall-Untersuchungen ersetzt werden: www.bdn-online.de/index.php?id=118&tx_ttnews%5Btt_news%5D=354&cHash=0083605497496d1e727b280665ae5792
  • Der Berufsverband Deutscher Radiologen (BDR) hat auf seiner Homepage eine Patienteninformation zu Gadolinium-Kontrastmitteln für die Magnetresonanztomographie zur Verfügung gestellt, die an Ratsuchende weitergegeben werden kann: http://radiologenverband.de/#inhalte/2016-02-28/3/patienteninformation-zu-gadolinium-kontrastmitteln-fuer-die-magnetresonanztomographie.
  • Die U.S.-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA rät, den Einsatz von Gadolinium-Kontrastmitteln auf Untersuchungen zu beschränken, bei denen die zusätzlichen Informationen durch den Einsatz von Kontrastmitteln dringend notwendig sind. Insbesondere sollte der Nutzen wiederholter Kontrastmittel-MRTs überdacht werden: www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm455386.htm.
  • Als "Opinion" veröffentlichten Wissenschaftler der U.S.-amerikanischen Institutes of Health eine Artikel, in dem sie den aktuellen Wissensstand folgendermaßen aufgreifen. Sie empfehlen ebenfalls, gadoliniumhaltige Kontrastmittel (GBCAs) ganz allgemein nur einzusetzen, wenn es aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Wenn sie eingesetzt werden müssen, soll der Einsatz eines makrozyklischen statt eines linearen Kontrastmittels erwogen werden, sofern keine Kontraindikation, etwa eine Unverträglichkeit, besteht. Der Text ist als Veröffentlichung in der Fachzeitschrift "Journal of the American College of Radiology" erschienen.  




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