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HPV-Impfung: Kein Risikofaktor für Multiple Sklerose

Eine Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) steigert nicht das Risiko, Multiple Sklerose (MS) oder eine ähnliche Nervenerkrankung zu bekommen. Das berichtet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) in einer Pressemitteilung. Sie bezieht sich auf zwei Studien, die in den letzten zwei Monaten erschienen sind. Damit ist ein immer noch weit verbreiteter Vorbehalt gegen die HPV-Impfung weitgehend entkräftet.

Bereits kurz nach der Zulassung des ersten HPV-Impfstoffes Gardasil® im Jahr 2006 hatte es einzelne Berichte über Patientinnen gegeben, die kurz nach ihrer Impfung an MS erkrankt waren. Die Multiple Sklerose ist eine chronische Autoimmunkrankheit. Bei Betroffenen greifen Zellen des Immunsystems die Hüllen von Nervenzellen an.
Vor allem Impfgegner, aber auch viele besorgte Eltern und nicht wenige Fachleute griffen diese Beobachtung auf.  Doch zu diesem Zeitpunkt war völlig unklar: Gab es einen solchen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der Impfung tatsächlich? Oder handelte es sich um Zufälle? Dies wäre ebenso möglich gewesen, da nach der Erstzulassung von Arzneimitteln grundsätzlich alle Erkrankungen oder sonstige Vorfälle gemeldet werden müssen, die rund um die Anwendung auftreten. Zahlreiche Medienberichte und Diskussionen in Internetforen verunsicherten Jugendliche und Eltern, aber auch manche Ärzte zusätzlich.

Um zu klären, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Impfung und einer MS-Erkrankung gibt, werteten Epidemiologen in mehreren Ländern Daten von MS-Patienten und HPV-Geimpften aus und verglichen sie. Das Ergebnis: Es fand sich kein Zusammenhang zwischen einer HPV-Impfung und dem Risiko, innerhalb von zwei oder drei Jahren danach MS oder eine vergleichbare Krankheit zu bekommen. Auch zu anderen Impfungen konnten die Forscher keinen Zusammenhang herstellen.

Hintergründe zu den Auswertungen

Impfung bei junger Frau © Fotolia/RioPactua Images
© Fotolia/RioPactua Images

Eine der Studien kommt aus Skandinavien: Die Epidemiologen werteten Krankheitsdaten von fast 4 Millionen Däninnen und Schwedinnen von 2006 bis 2013 aus. Die Frauen waren zwischen 10 und 44 Jahre alt. Von ihnen hatten sich fast 800.000 Frauen gegen HPV impfen lassen. Im untersuchten Zeitraum erkrankten 4.322 Mädchen oder Frauen an MS. 339 von ihnen hatten sich impfen lassen. An einer vergleichbaren Nervenkrankheit erkrankten 3.300 Frauen. Von ihnen hatten sich 370 impfen lassen.
In einer zweiten Auswertung verglichen die Wissenschaftler die Häufigkeit von MS und vergleichbaren Erkrankungen vor und nach der Impfung. In den ersten zwei Jahren nach der Impfung gegen HPV 6, 11, 16 und 18 erkrankten 163 Frauen neu. In keiner der Auswertungen fanden die Wissenschaftler ein erhöhtes Risiko, nach der Impfung zu erkranken.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Studie aus den USA. Wissenschaftler aus Südkalifornien werteten die Krankenakten eines Versicherungsunternehmens von 2008 bis 2011 aus: Sie suchten nach Patientinnen und Patienten, die sich wegen neurologischer Auffälligkeiten von einem MS-Spezialisten hatten untersuchen lassen. Die Daten verglichen sie mit Daten zu Impfungen vor allem gegen HPV und Hepatitis B. Sie fanden 780 Patienten mit MS oder einer vergleichbaren Erkrankung. Ihnen stellten sie 3.885 Kontrollen gegenüber, die bezüglich Alter, Geschlecht und Wohnort möglichst ähnlich waren. Insgesamt fanden sie keinen signifikanten Zusammenhang zwischen einer Impfung und einer MS-Erkrankung.
Nur in den ersten 30 Tagen nach der Impfung war das Risiko für eine neurologische Erkrankung erhöht, und dies nur bei den unter 50-Jährigen. Die Wissenschaftler gehen allerdings trotzdem nicht von einem ursächlichen Zusammenhang aus. Wahrscheinlich sei es, dass eine Impfung bei Menschen mit einer bereits vorhandenen, unterschwelligen Erkrankung sichtbare Symptome beschleunigen könnte.



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