Physiotherapie während einer Chemotherapie

Gefährden Schweiß und Hautkontakt die Behandelnden?

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Zytostatika finden sich während der Chemotherapie auch in den Ausscheidungen wie Urin oder Stuhl. Aber werden die Krebsmedikamente auch über die Haut ausgeschieden? Und was bedeutet das für den beruflichen Umgang damit?

Viele Zytostatika gelten als potenziell keimschädigend und krebserzeugend. Auch der langjährige Umgang mit niedrigen Dosen kann möglicherweise schaden. In zahlreichen Studien wurde daher beispielsweise untersucht, inwieweit beruflich Pflegende durch den direkten Umgang mit Zytostatika und auch durch Kontakt mit deren Abbauprodukten in den Ausscheidungen der Patientinnen und Patienten wie Urin und Stuhlgang gefährdet sind. Letzteres gilt besonders für Hochdosischemotherapien. Für entsprechende berufliche Situationen gibt es Empfehlungen zu Vorsichtsmaßnahmen zum persönlichen Schutz.1,2

Andere Mitarbeitende in therapeutischen Berufen haben keinen direkten Umgang mit den Krebsmedikamenten oder mit Ausscheidungen, aber auch sie behandeln Krebskranke während einer Chemotherapie. Muss auch eine Übertragung von Zytostatika und deren Abbauprodukten über die Haut beachtet werden? Was bedeutet das für Therapeuten und Therapeutinnen, die beruflich bedingt längeren Hautkontakt zu Personen haben, die gerade mit Zytostatika behandelt werden?   

Krebsmedikamente – Aufnahme über Hautkontakt möglich?
Krebsmedikamente – Aufnahme über Hautkontakt möglich?
Bild: © Heike Frohnhoff, Pixability

Anfrage einer Physiotherapeutin

“Ich frage mich, ob ich zu meinem eigenen Schutz Krebspatienten während der Chemotherapie mit Handschuhen behandeln soll. Und müssten es besondere Handschuhe sein oder würden einfache Latexhandschuhe reichen? Bei einer Lymphdrainage habe ich zum Beispiel 30 Minuten intensiven Hautkontakt.”*

Zytostatika-Abgabe über die Haut: Was ist bekannt?

Zytostatika gelten als potenziell keimschädigend und krebserzeugend (CMR = cancerogen, mutagen, reproduktionstoxisch). Auch der langjährige Umgang mit niedrigen Dosen kann möglicherweise schaden.

Ausscheidung über Stuhl und Urin: Während und nach einer Behandlung mit Chemotherapie finden sich Zytostatikareste hauptsächlich in Stuhl und Urin der Patientinnen und Patienten, geringfügig auch in anderen Körperflüssigkeiten. Spuren von Cisplatin und Gemcitabin wurden zum Beispiel noch 7 Tage nach der letzten Chemotherapiegabe im Urin nachgewiesen.

Abgabe über die Haut: Sehr geringe Mengen der Zytostatika werden auch über den Schweiß auf die Haut abgegeben, Schätzungen zufolge 1 bis 2 Prozent der Gesamtdosis.

Werden Therapeuten durch Hautkontakt belastet?

Aus den Angaben aus über 70 Studien im Auftrag der Berufsgenossenschaft wurde unter anderem berechnet, wie hoch ein Zytostatikum wie Cyclophosphamid während der Therapie auf der Haut von Patienten konzentriert ist. Die Werte lagen bei nur 1 bis 200 pg/cm2. Ein pg (Pikogramm) ist ein Billionstel Gramm.3

Wie hoch die Konzentration auf der Haut tatsächlich ist, wird in der Praxis von verschiedenen Faktoren beeinflusst, beispielsweise:

  • Wann wurde die letzte Chemotherapie gegeben?
  • Wie wird das jeweilige Zytostatikum verstoffwechselt?
  • Wie stark schwitzt der jeweilige Patient beziehungsweise die Patientin?
  • Wie lange bleibt der Schweiß auf der Haut?

Eine Physiotherapie mit Hautkontakt während einer Chemotherapie gefährdet Therapeutinnen und Therapeuten in aller Regel nicht, wenn sie einige Vorsichtsmaßnahmen berücksichtigen: Siehe dazu die Empfehlungen für die Praxis im folgenden Abschnitt.

Empfehlungen für die Praxis

Der Krebsinformationsdienst hat die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) für Gesundheit- und Wohlfahrtspflege kontaktiert. Sie empfiehlt auf der Basis der oben dargestellten Auswertung Folgendes:

  • Um sicher zu gehen, dass auch Spuren der Chemotherapie auf der Haut minimiert werden, sollten Patienten oder Patientinnen, die zum Beispiel eine Lymphdrainage erhalten, den zu behandelnden Hautbereich mit Wasser und Seife abwaschen. 
  • Die Therapierenden sollten sich ihre Hände nach der Behandlung gründlich mit Seife waschen.
  • Bei mehr Sicherheitsbedürfnis können die Therapeuten und Therapeutinnen medizinische Einmalhandschuhe verwenden. Spezielle Chemikalienschutzhandschuhe sind nicht notwendig. Die Behandlungszeit sollte sich auf das Notwendige beschränken. 

Mit diesem Vorgehen besteht aus Sicht der BG keine relevante Gefährdung für die Physiotherapeuten und Physiotherapeutinnen. 

Eine Ausnahme gilt für schwangere und stillende Behandlerinnen: Sie sollten jedes Risiko eines Kontakts mit Zytostatika vermeiden und in entsprechenden Arbeitsbereichen nicht eingesetzt werden. Das gilt auch für Massagen und Lymphdrainagen.2

Hintergrundinformationen Arbeitsschutz

Nach dem Arbeitsschutzgesetz muss jeder Betrieb mit Angestellten prinzipiell eine Gefährdungsbeurteilung für Arbeitsplätze abgeben und Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten festlegen.4

Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte oder Betriebsärztinnen beraten die Verantwortlichen in einem Betrieb bei der Gefährdungsbeurteilung.1

Die Unfallkassen nehmen Aufgaben zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes von Beschäftigten wahr.4 Dazu gehört neben vielen anderen auch die Information und Aufklärung über Gefahren am Arbeitsplatz.

Hinweise zur geeigneten Schutzkleidung gibt die Gefahrstoffliste.5,6

Zum Weiterlesen: Verwendete Quellen und vertiefende Informationen

3 BGW 2019: Heinemann A, Kimbel R, Roßbach B. Dermo-dermale Übertragung von Arzneimittelwirkstoffen von Patienten auf Pflegende (PDF)

Rechtlicher Rahmen/Behördeninformationen

1 BGW 2015: Gefährdungsbeurteilung in therapeutischen Praxen (PDF)

2 BGW 2/2019: Zytostatika im Gesundheitsdienst. Informationen zur sicheren Handhabung (PDF)

4 Arbeitsschutzgesetz

5 BGI/GUV-I 8596 2010: Information – Gefahrstoffe im Krankenhaus. Pflege- und Funktionsbereiche (PDF)

6 Gefahrstoffliste TRG 525: Gefahrstoffe in Einrichtungen der medizinischen Versorgung

Weitere Quellen (Auswahl)

Fachkreise-News 3/2018: Umgang mit Ausscheidungen bei ambulanter Chemotherapie. Tipps zum Umgang mit Ausscheidungen im häuslichen Umfeld

*Hinweis: Solche Fragen erreichen den Krebsinformationsdienst regelmäßig. Die verwendete Frage ist keine Original-Anfrage, sondern ein redaktionell bearbeitetes Beispiel.

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