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Tumortherapiefelder: Was ist das eigentlich?

Elektrische Wechselfelder für die Krebsbehandlung

Der Einsatz von Tumortherapiefeldern (TTF), auch Tumor Treating Fields (TTFields) genannt, wird bei verschiedenen soliden Tumoren untersucht. krebsinformationsdienst.de informiert Sie über den aktuellen Wissensstand.

Ein Fragezeichen links und eine Glühbirne rechts in einer Sprechblase symbolisieren das Thema Erklär-News.
© Krebsinformationsdienst, DKFZ

Bei Patienten mit Glioblastom übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen seit März 2020 unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für eine Therapie mit Tumortherapiefeldern. Bei verschiedenen anderen Tumorerkrankungen wird ihr Einsatz untersucht. Die Methode basiert auf elektrischen Wechselfeldern, die das Wachstum der Tumorzellen stören sollen.

Was ist die Grundlage?

Grafische Darstellung eines Kopfes mit auf die Kopfhaut geklebten Transducer Arrays, die über Kabel mit dem Feldgenerator verbunden sind. Daneben Darstellung einer Person mit Perücke und Kabeln, die vom Kopf zu einem Rucksack führen.
Glioblastomtherapie mit Tumortherapiefeldern (TTFields) © Krebsinformationsdienst, DKFZ, erstellt mit Biorender.com

Für die Therapie mit Tumortherapiefeldern (TTF), auch Tumor Treating Fields oder TTFields genannt, wird der Tumor einem elektrischen Wechselfeld ausgesetzt. Dazu erzeugt ein Feldgenerator lokal schnell wechselnde elektrische Felder niedriger Intensität (1– 3 V/cm) und intermediärer Frequenz (100 – 300 kHz). Sie werden über gelbeschichtete Keramikscheiben an den Körper abgegeben.

TTFields: Wie funktioniert’s?

Störung der Zellteilung: Die Methode basiert auf der Beobachtung, dass solche rasch wechselnden elektrischen Felder in Zellkulturen die Teilung von Tumorzellen stören können. Dabei ist die optimale Zahl der Richtungswechsel offensichtlich auch abhängig vom Zelltyp: Beispielsweise liegt das im Labor ermittelte Frequenzoptimum für Glioblastomzellen bei 200 kHz, für Mesotheliom- und Pankreaskarzinomzellen dagegen bei 150 kHz.

Wechselwirkung mit körpereigenen elektrischen Feldern: Man nimmt an, dass die elektrischen Wechselfelder die Orientierung von geladenen und damit polarisierbaren Proteinen und Molekülen in der Zelle beeinflussen und sie in ihrer biologischen Funktion beeinträchtigen: Während der Mitose stören sie so die Ausbildung des Spindelapparates und den regulären Ablauf der Zellteilung.

Weitere Effekte: Darüber hinaus diskutieren Fachleute inzwischen eine Reihe weiterer Effekte, die zur Wirkung der TTF beitragen könnten, unter anderem eine veränderte Zellpermeabilität, immunologische Prozesse, eine gestörte DNA-Reparatur und eine eingeschränkte Zellmigration.

Der genaue Wirkmechanismus ist letztlich aber noch nicht vollständig verstanden.

Bei wem wird die Methode angewendet?

Die meiste klinische Erfahrung mit Tumortherapiefeldern (TTF) gibt es bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Glioblastom, einem aggressiven Hirntumor.

Bei zahlreichen anderen Tumorerkrankungen wird der Einsatz von elektrischen Wechselfeldern in klinischen Studien untersucht, unter anderem beim Pleuramesotheliom, beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) sowie beim Pankreas- und Ovarialkarzinom.

Wie sieht die Praxis aus?

Nur bei zertifizierten Behandlern: Bisher gibt es nur einen Hersteller, der Geräte für die Behandlung mit TTF anbietet (Novocure GmbH), und unter den Handelsnamen Optune® (zur Behandlung des Glioblastoms) und Optune Lua® (zur Behandlung des Pleuramesothelioms) vermarktet.

Für die Verordnung, das Anlegen und die Kontrolle der TTF müssen speziell qualifizierte Ärztinnen oder Ärzte aufgesucht werden. Eine Übersicht über die rund 260 deutschen Zentren mit zertifizierten Behandlern findet sich auf den Internetseiten der Herstellerfirma.

Transducer Arrays, Feldgenerator, Stromquelle: Für die Therapie werden Haftpflaster mit den keramikisolierten Elektroden, sogenannte Transducer Arrays, auf die rasierte Haut geklebt. Die optimale Position wird vorher berechnet. Die Arrays sind über einen Konnektor und ein Anschlusskabel mit einem tragbaren Wechselfeldgenerator verbunden. Der Betrieb erfolgt über eine wiederaufladbare Batterie oder Strom aus der Steckdose. Feldgenerator und Batterie wiegen zusammen etwa 1,2 kg und können in einem Rucksack oder einer Umhängetasche untergebracht werden. Bei Batteriebetrieb ist die Batterie alle zwei bis drei Stunden zu wechseln.

Dauertherapie, mindestens 18 Stunden täglich: Die Therapie soll kontinuierlich erfolgen, mindestens aber 18 Stunden täglich. Patientinnen und Patienten können währenddessen zuhause sein und ihrem Alltag so weit wie möglich nachgehen: Sie können sich frei bewegen, tragen aber immer Arrays auf der Haut und den damit verbundenen Feldgenerator mit sich. Es wird empfohlen, die Arrays zwei- bis dreimal wöchentlich zu wechseln und die nachwachsenden Haare zu rasieren.

Belastend, aber nebenwirkungsarm: Außer lokalen Hautreizungen sind keine schwerwiegenden Nebenwirkungen der Therapie mit TTF bekannt. Trotzdem kann die Wechselfeldtherapie aufgrund ihrer Dauer und der Begleitumstände Patientinnen und Patienten erheblich belasten. Die Lebensqualität der Patienten unterschied sich in Studien jedoch nicht von der der Vergleichsgruppe.

Kostenerstattung: Bei Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen unter bestimmten Voraussetzungen die Therapiekosten: Unter anderem darf der Tumor unter der postoperativen Standard-Radio-Chemotherapie nicht gewachsen sein und es muss eine entsprechende Therapieempfehlung einer interdisziplinären Tumorkonferenz vorliegen. Die TTF-Therapie wird dann begleitend zur üblichen Erhaltungschemotherapie mit Temozolomid durchgeführt und kann bis zum zweiten Rezidiv angewendet werden.

Wie geht es weiter?

Klinische Studien bei vielen Entitäten: Derzeit laufen zahlreiche klinische Studien, die den Einsatz von TTF bei verschiedenen Tumorerkrankungen prüfen. Neben dem Einsatz beim Glioblastom und Mesotheliom werden TTF in Phase-III-Studien unter anderem beim nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC), bei Hirnmetastasen eines NSCLC, bei Eierstockkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs untersucht.

Fazit

Der Einsatz elektrischer Wechselfelder (TTF) ist ein neuer Therapieansatz in der Krebsmedizin. Der genaue Wirkmechanismus ist nicht vollständig verstanden.

In Leitlinien zur Glioblastomtherapie werden TTF als Therapieoption zusätzlich zur Erhaltungstherapie in der Primärtherapie aufgeführt. Bei zahlreichen weiteren Tumorerkrankungen wird ihr Einsatz geprüft. Nebenwirkungen sind überwiegend lokal und auf die Haut begrenzt. Die Dauertherapie rund um die Uhr kann Patienten jedoch erheblich belasten.



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