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Mesonephric-like Adenokarzinom des Ovars – eine Rarität

Recherche des Monats

Die Diagnose eines seltenen Tumors stellt auch Fachleute vor große Herausforderungen. krebsinformationsdienst.med unterstützt Sie bei der Suche nach wissenschaftlichen Fakten zur Krebsart und Empfehlungen zur Therapie.

Ein Mensch in Anzug und Schlips tippt mit dem Finger auf das Symbol eines Klemmbretts mit Häkchen in einem virtuellen Netzwerk aus Recherche-Symbolen.
Auf der Suche nach verlässlichen Informationen: bei seltenen Tumoren eine schwierige Aufgabe © Panchenko Vladimir, Shutterstock

Am 28. Februar 2023 ist der internationale Tag der Seltenen Erkrankungen (Rare Disease Day). Wie extrem selten bestimmte Krebserkrankungen sein können und wie man Betroffenen trotzdem mit fachlichem Rat zur Seite stehen kann, zeigt die Beispielanfrage zu einer neuen Tumorentität: dem Mesonephric-like Adenokarzinom (MLA) des Ovars.



Das MLA des Ovars: Hintergrundinformationen

In der aktuellen S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren (Mai 2022) wird das Mesonephric-like Adenokarzinom (MLA) des Ovars nicht erwähnt. Das verwundert nicht: Denn diese Entität ist nicht nur äußerst selten, sondern sie wurde auch erst 2020 als neuer Tumortyp in die WHO-Klassifikation der weiblichen Genitaltumoren aufgenommen.

Die Erstbeschreibung und Namensgebung erfolgte 2016 anhand einer Serie von 5 ovariellen und 7 uterinen MLA. Das im Endometrium etwas häufiger auftretende MLA wird in der S3-Leitlinie Endometriumkarzinom (September 2022) jedoch ebenfalls nur als Rarität aufgeführt.

Pathogenese: Der Name "Mesonephric-like Adenokarzinom" (MLA; gelegentlich auch: M-LAC) leitet sich von den histologisch ähnlich erscheinenden mesonephrischen Adenokarzinomen (MA oder MAC) her, die in der Zervix auftreten und aus Überbleibseln der embryonalen Wolff-Gänge (Ductus mesonephrici) entstehen.

Ob das Ursprungsgewebe dieser beiden Tumortypen identisch ist, ist noch nicht geklärt. Diskutiert wird für die MLA vor allem eine Entstehung aus Tumoren der Müller-Gänge (Ductus paramesonephrici) mit sekundärer mesonephrischer Differenzierung. Auffällig ist ein oft gemeinsames Auftreten mit Endometrioseherden.

Diagnostik: Die Diagnose des MLA des Ovars wird anhand des histologischen Bildes gestellt, unterstützt durch immunhistochemische Färbungen. Außerhalb von Zentren mit entsprechender Expertise kann es hierbei jedoch initial zu Fehldiagnosen kommen. Die Stadieneinteilung erfolgt analog zur TNM-Klassifikation des Ovarial- und Tubenkarzinoms beziehungsweise zum FIGO-Staging.

Epidemiologie und Prognose: In der Fachliteratur gibt es weltweit nur einige Dutzend Fallberichte zum MLA des Ovars. Eine etwas größere Studie aus dem Jahr 2021 analysierte 25 Krankheitsverläufe von Patientinnen aus 6 verschiedenen Zentren. Dementsprechend rar sind die Daten zur Prognose der Erkrankung. Beschrieben werden teilweise sehr aggressive Verläufe mit Metastasierung vor allem in Lunge, Leber und Omentum sowie mit ausgedehnten Lokalrezidiven - auch bei primär frühen Tumorstadien.

Die Mehrzahl der Tumoren tritt bei postmenopausalen Frauen auf. Die Altersspanne in Fallberichten liegt jedoch zwischen 29 und 84 Jahren.

Therapie des MLA des Ovars

Klare Empfehlungen zur Therapie existieren aufgrund der Seltenheit dieses Tumors und der erst vor wenigen Jahren erfolgten Klassifizierung noch nicht. Die Therapieentscheidung muss individuell getroffen werden, idealerweise im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz an einem zertifizierten gynäkologischen Krebszentrum.

Operative Therapie: Derzeit orientiert sich die Therapie des MLA des Ovars weitgehend an der Therapie anderer Ovarialkarzinome. In der Mehrzahl der Fälle schließt sich nach radikaler operativer Sanierung (meist bilaterale Adnexektomie, Hysterektomie, pelvine und paraaortale Lymphonodektomie und Omentektomie) eine adjuvante Chemotherapie an.

Adjuvante Therapie: Die Chemotherapie ist in der Regel wie beim Ovarialkarzinom platinbasiert: entweder als Carboplatin-Monotherapie oder häufiger als Kombinationstherapie aus Carboplatin und einem Taxan (meist Paclitaxel). In Einzelfällen wurde sie durch Bevacizumab ergänzt.

Auch in manchen fortgeschrittenen Erkrankungssituationen zeigte sich nach Metastasenresektion und Kombinations-Chemotherapie eine komplette klinische Remission. Jedoch sind die Daten zum Follow-up noch zu spärlich, um genaue Aussagen zur Wirksamkeit der Therapien treffen zu können. Oft ist der weitere Verlauf nicht veröffentlicht. Bei Verzicht auf eine adjuvante Therapie kann es bei einzelnen Patientinnen – trotz auf das Ovar begrenztem MLA und histologisch vollständiger operativer Sanierung – zu einer ausgedehnten Metastasierung kommen.

Andere Formen der adjuvanten Therapie wie kombinierte Radiochemotherapie oder alleinige Bestrahlung zeigen ein uneinheitliches Ansprechen.

Präzisionsonkologie: Weitere Therapieoptionen, insbesondere zielgerichtete Therapien, könnten in Abhängigkeit von der molekularen Analyse des Tumorgewebes infrage kommen. Am häufigsten fanden sich beim Mesonephric-like Adenokarzinom KRAS-Mutationen, seltener NRAS- und PIK3CA-Mutationen.

Gerade in fortgeschrittenen Situationen mit schlechtem Ansprechen auf die laufende Therapie ist ein personalisiertes Vorgehen zu erwägen. Hier kann es sinnvoll sein, Betroffene in entsprechende Programme wie das NCT/DKFZ/DKTK-MASTER-Programm einzuschließen.



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