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Corona und Tumormarker

Recherche des Monats

Tumormarker werden meist zur Verlaufskontrolle von Krebs eingesetzt. Steigen die Werte an, muss man die Ursachen klären. Kann auch Corona dahinterstecken? krebsinformationsdienst.med fasst den Wissensstand zusammen.

Eine Hand mit einem blauen Gummihandschuh hält ein Reagenzglas mit einer klaren Flüssigkeit [Symbolbild für Tumormarker], daneben und im Hintergrund 4 blaugefärbte Coronaviren
Coronaviren und Reagenzglas © Pixabay, Fernando Zhiminaicela

Immer wieder wenden sich Patientinnen und Patienten an den Krebsinformationsdienst, die wegen ihrer Tumormarker verunsichert sind. Unter anderem möchten sie wissen, wann eine Messung angezeigt ist, wie hoch die Messwerte sein dürfen und was ein Anstieg der Tumormarker bedeuten kann. Corona wirft jetzt ganz neue Fragen auf.



Rechercheergebnis: Möglicher Zusammenhang

Ob Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu Erhöhungen von Tumormarkern führen können – dazu ist die Datenlage bislang begrenzt. Es gibt wenige Studien1,2,3, die einen solchen Zusammenhang untersucht haben. Sie sind rückblickend, klein und heterogen: Mehrheitlich wurden Patienten mit einer krankenhauspflichtigen COVID-19-Pneumonie untersucht, Krebspatienten waren die Ausnahme.

Die Studiendaten weisen darauf hin, dass Corona-Infektionen einen Teil der Tumormarker beeinflussen können. Nach unseren Recherchen in medizinischen Literaturdatenbanken haben Forscher dies bisher nur bei symptomatischen Patienten beobachtet – also bei an COVID-19-Erkrankten. Gemessen wurden verschiedene Tumormarker wie etwa CEA, CA 125, CA 15-3, CA 19-9, NSE, SCC und PSA:

  • Manche Tumormarker wie CEA, CA 125 und CA 15-3 korrelierten mit der Schwere der COVID-19-Krankheit. Andere wie CA 19-9, NSE und SCC waren nur bei den kritischen erkrankten Corona-Patienten erhöht. Beim PSA-Wert wurde kein statistisch signifikanter Anstieg unter einer Infektion mit SARS-CoV-2 beobachtet.
  • Ein Fallbericht1 einer Krebspatientin mit einem fortgeschrittenen Ovarialkarzinom beschrieb den CA 125-Verlauf während einer Corona-Infektion. Der Ausgangswert war mit rund 1.900 U/ml bereits deutlich erhöht (Norm bis 35 U/ml). Im Zuge der Virusinfektion stieg er um mehr als das Doppelte an auf 4.500 U/ml. Ein Fortschreiten der Krebserkrankung hatten die Ärzte mittels Bildgebung ausgeschlossen.
  • Wenn Tumormarker in der Folge einer Corona-Infektion ansteigen, scheint das Phänomen vorübergehend (transient) zu sein. Serielle Messungen sind bislang nur begrenzt verfügbar. Sie deuten darauf hin, dass sich die Tumormarker innerhalb von 2 bis 6 Wochen nach Symptombeginn normalisieren oder zumindest in diesem Zeitraum wieder abfallen.

Eine Studie3 speziell zum CEA-Verlauf stellte fest:

  • Knapp ein Fünftel (18,7 %) der Corona-Infizierten wies erhöhte CEA-Werte auf.
  • Im Median lag der maximale CEA-Spiegel bei rund 11 μg/l (Norm bis 5 μg/l). Nicht selten traten auch Spiegel über 15 bis um 20 μg/l auf.
  • Der Maximalwert wurde im Median 12 Tage nach Symptombeginn erreicht.

Hintergrundinformationen

Welcher pathophysiologische Mechanismus verantwortlich ist, wenn Tumormarker im Rahmen einer Corona-Infektion ansteigen, ist noch nicht abschließend geklärt. Dazu gibt es diverse Hypothesen3.

Wichtig zu wissen: Es gibt viele unterschiedliche Tumormarker. In der Regel handelt es sich um Eiweiße oder eiweißhaltige Verbindungen wie etwa Glykoproteine. Je nach Marker werden sie von verschiedenen Zellen im Körper gebildet. Nur bei bestimmten Krebsarten empfehlen ärztliche Leitlinien sie zur Früherkennung, Verlaufskontrolle oder Nachsorge. Grund dafür ist, dass diese Biomarker häufig nicht spezifisch sind. Das heißt, sie können auch bei gutartigen Veränderungen ansteigen – zum Beispiel bei Entzündungen.

COVID-19 ist eine akute Infektionskrankheit, hervorgerufen durch das neue Coronavirus SARS-CoV-2. Bekannt ist, dass Corona-Infizierte ein sehr vielfältiges Krankheitsbild zeigen können. Nicht nur die Lunge, sondern auch andere Organe und Gewebe können betroffen sein. Das Virus kann direkt zellschädigend wirken sowie Immunreaktionen auslösen, manchmal auch überschießend.

Mögliche Pathomechanismen: Corona – Tumormarker

Die Wissenschaftler vermuten ein komplexes Wechselspiel zwischen Wirt und Virus. Coronaviren können an sogenannte ACE-2-Rezeptoren binden, die sich an zahlreichen Stellen des Körpers befinden wie etwa im Atem- oder Verdauungstrakt. Auf diesem Wege schädigen die Viren beispielsweise das Darmepithel, in dem das Carcinoembryonale Antigen (CEA) gebildet wird. CEA wird vermehrt aus der Schleimhaut freigesetzt.

Eine andere Erklärung für einen Anstieg der Tumormarker ist, dass eine Corona-Infektion, wie andere Virusinfektionen auch, das Immunsystem aktiviert – abzulesen an einer vermehrten Ausschüttung Akuter-Phase-Proteine wie etwa des C-reaktiven Proteins (CRP). Diesen Effekt konnten die Forscher in einer Reihe von Studien2 messen. Je schwerer die COVID-19-Symptome waren, desto höher waren das CRP, aber auch andere Proteine wie die Glykoproteine CEA und CA 125.

Fazit für die Praxis

Die tumorspezifischen Leitlinien empfehlen nur bei wenigen Krebsarten, Tumormarker in der Routine zu kontrollieren. Ein Beispiel ist die Bestimmung des Carcinoembryonalen Antigens (CEA) bei Darmkrebs.

Es gibt jetzt erste Hinweise, dass eine COVID-19-Erkrankung transiente Anstiege von Tumormarkern verursachen kann. Bisherigen Veröffentlichungen zufolge scheint ein solcher Zusammenhang von verschiedenen Voraussetzungen abhängig zu sein: etwa welcher Tumormarker eingesetzt wird und wie sich die Virusinfektion manifestiert.

Wie Ärzte vorgehen, wenn sie bei Krebspatienten erhöhte Tumormarker feststellen – daran ändert sich mit den neuen wissenschaftlichen Daten nichts Wesentliches: Denn sie beurteilen nicht einen Laborwert alleine, sondern berücksichtigen die Gesamtsituation der Betroffenen.

Im individuellen Fall bedeutet dies zu entscheiden, ob weitere Untersuchungen zur Abklärung notwendig sind. Üblich sind bildgebende Verfahren, um ein Tumorwachstum auszuschließen. Ob eine Corona-Infektion bei einzelnen Patientinnen und Patienten als zusätzlicher Einflussfaktor infrage kommen kann, gilt es zu bedenken. Dann können Corona-Tests die Diagnostik ergänzen, um eine mögliche Infektion nachzuweisen.



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