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Was ist dran: Helfen Backpulver oder Natron gegen Krebs?

Fakten zum Einsatz von chemischen Triebmitteln über das vorweihnachtliche Backen hinaus

Wenn die Nächte länger werden und der Duft von Zimt, Mandeln oder frisch gebackenen Plätzchen in der Luft liegt, haben Advent und Vorweihnachtszeit begonnen. Traditionelles Weihnachtsgebäck enthält oft Natron oder Backpulver als Triebmittel, etwa Spekulatius, Stollen, Früchtebrot und einige Plätzchensorten. Was Natron mit Krebs zu tun hat und ob es möglicherweise dagegen hilft, möchte manch einer vom krebsinformationsdienst.med wissen. Deshalb nutzen wir den Ausklang des Jahres, um Ihnen die Datenlage zum Thema Backpulver und Co. vorzustellen.

Was ist Natron? Was Backpulver?

Weihnachtsplätzchen, © Magele - Fotolia.com
Natron oder Backpulver sind oft Bestandteil von Weihnachtsgebäck. © Magele – Fotolia.com

Natron: Hinter dem Trivialnamen Natron verbirgt sich Natriumhydrogencarbonat (NaHCO3), das Natriumsalz der Kohlensäure. Im Handel ist es auch als Speisesoda, Backsoda, Backnatron oder Speisenatron erhältlich. Neben dem Einsatz als Backtriebmittel wird Natron vielfältig angewendet. In der Medizin wirkt Natron etwa als Antidot bei Vergiftungen mit Barbituraten, Salicylaten und trizyklischen Antidepressiva. Nicht zuletzt kann es bei Sodbrennen helfen, auch wenn die dafür zugelassenen Arzneimittel wie Antazida und Protonenpumpenhemmer oft wirksamer sind.

Backpulver: Bei Backpulver handelt es sich um eine Mischung aus Kohlendioxid(CO2)-Quelle, Säuerungsmittel und Trennmittel. Das CO2 stammt dabei entweder aus Natriumhydrogencarbonat oder Kaliumhydrogencarbonat. Säuerungsmittel können Weinsäure, Monocalciumorthophosphat (E 341a) oder Dinatriumdihydrogendiphosphat (E 450a) sein. Als Trennmittel ist Getreidestärke hinzugefügt und Aroma liefert oft Vanille. In Backpulver ist somit nicht in allen Fällen Natron, aber immer ein Salz der Kohlensäure enthalten.

Wie ist die Studienlage bei Krebs?

"Speisenatron killt Krebszellen" hieß es kürzlich in den Medien, befeuert durch eine in der Fachzeitschrift Cell erschienene Veröffentlichung1. Die Cell-Publikation erforschte zwei zentrale Mechanismen in Krebszellen:

  • Unter Sauerstoffmangel bilden Zellen vermehrt Milchsäure. An Tumorzellen zeigte sich, dass die Ansäuerung des Umgebungsgewebes ihre "innere Uhr" lahmlegen kann.
  • An Xenograft-Tumoren von menschlichen Zelllinien in Mäusen wurde festgestellt: Hatten die Mäuse mit Backpulver angereichertes Wasser getrunken, war die innere Uhr in den Tumorzellen aktiver als bei Tieren, die reines Wasser zu sich genommen hatten. Das Backpulver pufferte also in manchen Tumorzellen die Säure ab.

Hintergrund: Glykolyse

Steht Zellen kaum Sauerstoff zur Energiegewinnung zur Verfügung, weichen sie auf den Abbau von Zucker durch die Glykolyse aus, statt den Zitratzyklus zu nutzen. Dabei entsteht vermehrt Laktat, das zur Ansäuerung von Geweben führt. Manche Krebszellen gewinnen ihre Energie auch in sauerstoffreichem Milieu bevorzugt über die Glykolyse. Der Nobelpreisträger Otto Warburg nannte sie daher "aerobe Glykolyse", heute als Warburg-Effekt bezeichnet.

Ein Schalter steht auf "Aus"

Sauerstoffarme Tumorgewebe sind oftmals gegen Krebstherapien resistent. Ein Grund dafür: Die Krebszellen befinden sich in einer Art Ruhezustand. Die Zellen unterbrechen ihre Stoffwechselaktivität und ihre innere Uhr, wichtig für die Zellteilung, kommt zum Erliegen. Ursächlich beteiligt ist offenbar ein molekularer Schalter namens mTORC1, der wichtig für die Bildung von Eiweißen in Zellen ist und der bei einem niedrigen pH-Wert auf "Aus" steht.

Präklinische Studien: Die Forscher zeigten, dass Backpulver im Trinkwasser von Mäusen dabei helfen kann, die innere Uhr in hypoxischen Tumorbereichen zu reaktivieren: mTORC1 springt wieder auf "An". Die Hoffnung der Forscher ist, dass Krebszellen dann wieder beginnen, sich zu teilen und erneut auf die Therapie anzusprechen2,3.

Vieles ist noch unklar

Auch andere Studien aus dem Bereich der Grundlagenforschung liefern Hinweise dafür, dass der pH-Wert im Tumor Wachstum und Metastasierung von Tumorzellen beeinflussen kann4-7. Dies wird weiter untersucht, um die zugrundeliegenden Mechanismen besser zu verstehen. Offen sind noch folgende Fragen:

  • Wie viele Krebszellen betreiben Glykolyse?
  • Wie passen Krebszellen ihren Stoffwechsel an die Umgebung an?
  • Ist mTORC1 ein möglicher Ansatzpunkt für Krebstherapien?
  • Wie wirkt sich Backpulver auf das Wachstum und die Verbreitung von Tumoren in Mäusen aus?

Klinische Studien mit Krebspatienten, die einen Stellenwert dieser Mechanismen bei der Entstehung und Therapie von Krebs belegen könnten, wurden bislang noch nicht durchgeführt.

Wie ist der Stellenwert bei Krebspatienten?

In der komplementären und alternativen Medizin wird die Anwendung von Backpulver und Natron gelegentlich propagiert. Behauptet wird, dass die Substanzen – in Kombination mit Melasse oder Zitronensaft – eine Therapie gegen Krebs wirksam ergänzen oder sie gar ersetzen könnten.

Methode mit unbewiesener Wirksamkeit: Da keine evidenzbasierten Daten aus klinischen Studien mit Krebspatienten vorliegen, handelt es sich hierbei jedoch um eine Methode unbewiesener Wirksamkeit. Natron und Backpulver sind nicht Bestandteil einer evidenzbasierten Krebstherapie.

Nebenwirkungen: Eine hohe Zufuhr von Natriumhydrogencarbonat kann zu Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Muskelschwäche und Krämpfen führen. Selten werden Bluthochdruck oder Nierensteine ausgelöst.

Wechselwirkungen: Aufgrund des alkalischen pH-Wertes beeinflusst Natron die Wirksamkeit anderer Medikamente. Unter anderem interagiert die Substanz mit Sympathomimetika, Barbituraten, H2-Rezeptorenblockern, Captopril, Clorazepat, Chinidin, Glucocorticoiden und Diuretika8.

Patienten, die unbedingt Natron einnehmen möchten, sollten zumindest darauf achten, das mit 1 bis 2 Stunden Abstand zu anderen Arzneimitteln zu tun8.

Was bedeutet das für die Praxis?

Die Daten zur Wirksamkeit von Natron oder Backpulver bei Krebs stammen bislang aus der Grundlagenforschung. Solche Erkenntnisse können nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen werden. Dazu bedarf es klinischer Studien mit Krebspatienten. Solange sind Backtriebmittel in der Krebsmedizin eine Methode mit unbewiesener Wirksamkeit, die jedoch nicht unbedenklich ist: Die Einnahme von Natron oder Backpulver kann zu Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten führen.

Doch betrifft dies auch Weihnachtsgebäck? Nein! Da Natron oder Backpulver durch die Hitze beim Backen zu Kohlenstoffdioxid zerfällt, gibt es keinen Grund für Sie und Ihre Patientinnen und Patienten sich die leckeren Plätzchen zu versagen. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine frohe und besinnliche Vorweihnachtszeit.





Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Fachkreise-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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