In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Arzneiverordnung in der Praxis" weist die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) auf die Rechtslage bei bedenklichen Rezepturen hin. Neben Hinweisen für die ärztliche Verschreibung findet sich dort eine Liste der aktuell als bedenklich eingestuften Rezepturarzneimittel. Mit dabei: Substanzen, die in der Alternativmedizin bei Krebs verbreitet sind wie beispielsweise Amygdalin, Cäsiumsalze oder Schöllkraut. krebsinformationsdienst.med fasst die wichtigsten Fakten für Sie zusammen.
Zu den rechtlichen Hintergründen
Bedenklich sind Arzneimittel,
- bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben,
- die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.
Laut § 5 des Arzneimittelgesetzes (AMG) ist es verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen oder bei Menschen anzuwenden. Das gilt auch für individuell angefertigte Rezepturen, wenn sie Stoffe enthalten, die von Experten als bedenklich eingestuft wurden. Darauf weist die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) im Heft 2/2018 der Fachzeitschrift "Arzneiverordnung in der Praxis"1 hin.
Die wichtigsten Botschaften für verschreibende Ärzte
Die Autorin des Artikels, Dr. Dicheva-Radev, weist verschreibende Ärzte auf folgende wichtige Hintergründe und Fakten hin:
- Die Einstufung, ob ein Stoff bedenklich oder unbedenklich ist, kann sich jederzeit ändern. Sie hängt vom aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ab.
- Im Gegensatz zu Fertigarzneimitteln werden Rezepturarzneimittel nicht regelmäßig pharmakologisch-toxikologisch und klinisch geprüft.
- Apotheker und Apothekerinnen befinden sich in einem rechtlichen Zwiespalt: Sie sind nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) verpflichtet, die Abgabe bedenklicher Rezepturarzneimittel abzulehnen. Andererseits müssen sie gemäß der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ärztliche Verschreibungen in angemessener Zeit ausführen. Auch wenn hier das Gesetz (AMG) Vorrang vor dem Verordnungsrecht hat, macht diese Konfliktsituation eine fachliche Rücksprache zwischen Arzt und Apotheker notwendig.
- Ob eine Einzelrezeptur bedenklich ist, muss immer im Einzelfall durch eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung eingeschätzt werden: Anhand der vorliegenden Daten sollten Arzt und Apotheker gemeinsam den zu erwartenden Nutzen und die möglichen Risiken für den individuellen Patienten bewerten sowie Therapiealternativen erwägen.
Liste bedenklicher Stoffe / Rezepturen

Ob ein Stoff als bedenklich anzusehen ist, kann in einer Liste der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK) recherchiert werden. Diese ist in dem hier zitierten Artikel sowie auf der Homepage der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) zu finden. Zu beachten ist, dass die Liste nicht rechtsverbindlich ist. Zudem kann eine solche Liste nie vollständig sein: Gerade in der Alternativ- und Komplementärmedizin ist nicht vorhersehbar, welche Stoffe neu rezeptiert werden.
Stand der Wissenschaft und behördliche Einstufung maßgeblich
Aufgenommen in die Liste wurden Stoffe,
- die von einer Zulassungsbehörde wie dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als bedenklich eingestuft wurden oder
- wenn die Zulassung eines entsprechenden Fertigarzneimittels widerrufen wurde beziehungsweise ruht oder
- wenn nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse die Anwendung auf Grund von Risiken bedenklich beziehungsweise nicht vertretbar ist.
Auch die pharmazeutische Plausibilität zählt
Wenn ein Stoff nicht in der Liste aufgeführt ist, so kann daraus aber nicht generell geschlossen werden, dass er unkritisch in Rezepturarzneimitteln verarbeitet werden darf. Jede Rezeptur muss vor der Herstellung auf ihre Plausibilität geprüft, also nach pharmazeutischen Gesichtspunkten beurteilt werden. Bei der Plausibilitätsprüfung werden unter anderem Art, Menge und Kompatibilität der Ausgangsstoffe untereinander kontrolliert. Auch die pharmazeutische Qualität spielt eine Rolle. Wenn keine ausreichende Qualität des Ausgangsstoffes oder Endproduktes gewährleistet werden kann, darf das Arzneimittel nicht angefertigt und abgegeben werden.
Bedenkliche Stoffe in der Alternativmedizin bei Krebs
Auf der Liste der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK) sind auch Rezepturbestandteile als bedenklich eingestuft worden, die vor allem in der Alternativmedizin bei Krebs verbreitet sind. Beispiele:
- Amygdalin (Laetrile, Vitamin B 17) und verwandte Stoffe wie Mandelonitril(-Glykoside) oder Bittermandelwasser
- Cäsiumsalze wie Cäsiumchlorid
- Furfurol (Alpha FM)
- Germanium-Verbindungen
- Schöllkraut (Bestandteil von Ukrain)
Brauchen Sie wissenschaftliche Hintergründe zu den hier genannten Stoffen, können Sie sich dafür an den Fachkreiseservice krebsinformationsdienst.med (siehe Infokasten unten) wenden.
Zum Weiterlesen: Verwendete Quellen und vertiefende Informationen
1Dicheva-Radev PHS (2018). Bedenkliche Stoffe und Rezepturen – Hinweise für die ärztliche Verschreibung. AVP. 45(2). 92-9.
https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/201802/092.pdf (PDF)
Rechtlicher Rahmen/Behördeninformationen
Im Arzneimittelgesetz (AMG) sind im § 5 bedenkliche Arzneimittel definiert und deren Rechtslage verankert: www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) informiert auf ihrer Homepage zu bedenklichen Rezepturarzneimitteln. Außerdem bietet sie dort eine Liste bedenklicher Stoffe. Diese beruht auf einer Einstufung der Arzneimittelkommission deutscher Apotheker (AM) (Stand Mai 2015): www.abda.de/amk-nachricht/2015-informationen-der-institutionen-und-behoerden-bedenkliche-rezepturarzneimittel-stand-mai-2015/
Weitere Quellen (Auswahl)
Das Bundesinstitut für Risikobewertung ist eine wertvolle Quelle, wenn zur Bedenklichkeit eines Stoffes recherchiert werden muss: www.bfr.bund.de.
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