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Umgang mit Ausscheidungen bei ambulanter Chemotherapie

Wenn Krebspatienten fragen: Hintergründe und Tipps zum Umgang mit Ausscheidungen im häuslichen Umfeld

Ist bei einer Patientin oder einem Patienten mit einer Krebserkrankung eine Chemotherapie notwendig, wird diese oft in Klinikambulanzen oder spezialisierten Arztpraxen verabreicht. Der Vorteil: Der Patient ist die meiste Zeit zu Hause in seiner gewohnten Umgebung. Gleichzeitig werden damit Fragen nach notwendigen Vorsichtsmaßnahmen im häuslichen Umfeld aufgeworfen. Im Vordergrund stehen dabei therapiebedingte Nebenwirkungen und der Schutz vor Infektionen. Aber Patienten und Angehörige bewegt unter Umständen auch: Sind Familie und Freunde durch Zytostatika-Ausscheidungen in Urin, Stuhlgang oder Schweiß gefährdet? Der Krebsinformationsdienst hat dazu für Sie Hintergründe aufbereitet und Tipps aus internationalen Ratgebern zusammengestellt.

Ausscheidung von Chemotherapeutika: Hintergründe

Rechtliches zu Gefahrenstoffen

Viele Zytostatika zählen zu den krebserregenden (carcinogenen), mutagenen und reproduktionstoxischen Substanzen (CMR).

Zubereitungen bzw. Flüssigkeiten, die CMR-Substanzen enthalten, werden als Gefahrenstoffe eingestuft, wenn der darin enthaltene CMR-Stoff den Massengehalt von 0,1 % überschreitet. Diese Zubereitungen bzw. Flüssigkeiten müssen dann entsprechend gekennzeichnet werden. Für den Umgang mit diesen Gefahrenstoffen gelten in Einrichtungen der medizinischen Versorgung besondere Regeln (TRGS 525, Stand 7/2015).

Bei Patienten, die Zytostatika in herkömmlicher Dosierung erhalten, wird das Zytostatikum im Blut (5-7 l) und anderen Körperkompartimenten stark verdünnt. Experten gehen davon aus, dass der Massengehalt an Zytostatikum in Körperflüssigkeiten unter 0,1 % liegt und daher nicht als umweltgefährdend einzustufen ist (BGW, Zytostatika im Gesundheitsdienst, Stand 7/2009).

Wo?
Zytostatika und ihre Abbauprodukte werden vor allem mit dem Urin und dem Stuhl ausgeschieden. Viele Substanzen können zudem in Spuren auch im Schweiß, Speichel, Erbrochenem, Tränenflüssigkeit und anderen Körperflüssigkeiten nachgewiesen werden.

Wie viel?
Im Gegensatz zu Zytostatika selbst werden Ausscheidungen von Patienten aufgrund des Verdünnungseffektes unter einer herkömmlich dosierten Chemotherapie nicht als "Gefahrenstoffe" eingestuft. Die Ausscheidungen können daher über die Toilette in die Kanalisation entsorgt werden. Entsprechend verunreinigte Windeln, Einmaltücher, Handschuhe und Ähnliches dürfen in den Haushaltsmüll. Anders ist dies gegebenenfalls, wenn kurz nach der Einnahme von Chemotherapie-Tabletten Mageninhalt erbrochen wird: Dann könnte die Konzentration des Chemotherapeutikums in einem Bereich liegen, der definitionsgemäß als gesundheitsgefährdend eingestuft wird. Ähnliches gilt für Ausscheidungen nach einer Hochdosis-Chemotherapie im Rahmen einer Stammzelltransplantation. Daher ist hier besondere Sorgfalt beim Umgang mit den Ausscheidungen geboten.

Wie lange?
Einige Zytostatika beziehungsweise ihre Abbauprodukte werden vorwiegend über den Urin, andere eher über den Stuhl ausgeschieden. Am höchsten ist die Konzentration eines Chemotherapeutikums in Ausscheidungen in der Regel während und in den ersten 48 Stunden nach der Verabreichung. Es kann dann unterschiedlich lange dauern, bis die Substanzen vollständig ausgeschieden sind – insgesamt nimmt die Konzentration mit der Zeit aber immer weiter ab. Etwa eine Woche nach Beendigung einer Chemotherapie ist in der Regel nicht mehr von auszugehen, dass Ausscheidungen durch Zytostatika belastet sind.

Schutzmaßnahmen sind wichtig – insbesondere bei regelmäßigem Kontakt
Älteren Untersuchungen zufolge litten Schwestern und Pfleger, die beruflich mit Ausscheidungen von Krebspatienten in Kontakt kommen, etwas häufiger an milden Beschwerden wie Durchfall und Kopfschmerzen als Personal, das keinen Kontakt zu solchen Ausscheidungen hatte. Die Wissenschaftler führten dies auf den regelmäßigen Hautkontakt des Pflegepersonals mit Zytostatika in den Ausscheidungen zurück. Deshalb gibt es heute im Krankenhaus klare Hygiene-Vorgaben, um das Personal vor einem solchen Kontakt zu schützen. Auch Angehörige, die Krebspatienten zuhause pflegen, sollten entsprechend informiert werden und einige einfache Vorsichtsmaßnahmen beachten.

Wichtig: Allgemein geltende Hygieneregeln sollten beachtet werden

Sozialer Kontakt ist für Angehörige sicher. Foto: Tobias Schwerdt, © Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum
Sozialer Kontakt ist für Angehörige sicher. Foto: Tobias Schwerdt, © Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum

Beim Umgang mit Ausscheidungen von Patienten nach einer Chemotherapie sollten allgemein geltende Regeln der Hygiene eingehalten werden. Dies gilt insbesondere während und in den ersten 2-7 Tagen nach einer herkömmlich dosierten Chemotherapie.

Händewaschen am Wichtigsten!
Die Hände sollten regelmäßig und insbesondere nach Kontakt mit Ausscheidungen immer sorgfältig mit Wasser und Seife gewaschen werden. Dies gilt auch, wenn Schutzhandschuhe getragen wurden.

Schutzhandschuhe sinnvoll!
Viele Ratgeber empfehlen den Angehörigen, beim Umgang mit Ausscheidungen von Chemotherapie-Patienten Schutzhandschuhe zu tragen: Je nach Art und Dosis der eingesetzten Zytostatika zumindest während und bis zu 2-7 Tage nach Ende der Chemotherapie. Besonders angeraten wird dies, wenn der Patient eine Hochdosis-Chemotherapie erhält oder Erbrochenes nach einer bis zu 2 Stunden zuvor eingenommenen oralen Chemotherapie entsorgt werden muss. Das Tragen spezieller Schutzkittel ist nicht erforderlich, wenn entsprechend verschmutze Kleidung sofort gewechselt und gewaschen wird.

Behandlungsteam ist Ansprechpartner für Zuhause!
Erste Ansprechpartner für Patienten und ihre Angehörigen sind die Ärzte, Schwestern oder Pfleger der betreuenden Fachpraxis beziehungsweise die Mitarbeiter der betreuenden Ambulanz oder Tagesklinik. Mit ihnen können auch alle Fragen zu Maßnahmen und Verhaltensweisen im häuslichen Umfeld während und nach einer ambulanten Chemotherapie besprochen werden.

Ausscheidung von Chemotherapeutika: Empfehlungen aus internationalen Ratgebern

Einheitliche Leitlinien zum Umgang mit Ausscheidungen von Patienten nach einer Chemotherapie im häuslichen Umfeld gibt es in Deutschland nicht. Die folgenden Empfehlungen sind verschiedenen Fach-Veröffentlichungen sowie Patienten- und Pflegeratgebern großer Zentren entnommen:

Soziale Kontakte

  • Für Angehörige sicher: In der wissenschaftlichen Literatur gibt es keine Hinweise darauf, dass Familienangehörige durch normalen sozialen Kontakt mit Patienten unter und nach einer herkömmlich dosierten Chemotherapie gefährdet sind. Sowohl Erwachsene als auch Kinder können ohne Gefahr für die Angehörigen umarmt und geküsst werden. Schwangere und stillende Mütter sollten dabei den direkten Kontakt mit Urin oder anderen Ausscheidungen des Patienten vermeiden.
  • Kondome sind ein Muss: Abbauprodukte von Zytostatika können in Spuren auch in Samenflüssigkeit und Vaginalsekret nachgewiesen werden. Beim Geschlechtsverkehr – sei es Vaginalverkehr, Analverkehr oder Oralsex – sollte zum Schutz des Partners zumindest während oder innerhalb von 48 Stunden nach einer herkömmlich dosierten Chemotherapie ein Kondom benutzt werden. Kondome schützen Patienten darüber hinaus auch vor möglichen Infektionen und sind Teil der während dieser Zeit empfohlenen Verhütungsmaßnahmen.

Bad, Küche und Co.

  • Toilettennutzung: Patienten können eine separate Toilette benutzen, zwingend notwendig ist dies jedoch nicht. Nach der Toilettenbenutzung sollte bei geschlossenem Deckel 2-mal nachgespült werden. Verunreinigungen auf der Toilette (und anderswo) sowie benutzte Bettpfannen sollten sorgfältig mit Wasser und Seife abgewaschen werden.
  • Wäsche: Verunreinigte Kleidung, Bettwäsche oder Handtücher sollten umgehend gewechselt werden. Es wird vielfach empfohlen, diese Wäschestücke getrennt von der restlichen Wäsche zu waschen. Normale Hauptwaschprogramme sind ausreichend, Kurzspülprogramme sollten nicht verwendet werden. Ist die Wäsche stark verschmutzt, kann ein Extraspülgang oder ein Intensivprogramm eingestellt werden. Kann nicht sofort gewaschen werden, sollten die Wäschestücke in einem geschlossenen Plastiksack aufbewahrt werden.
  • Küche: Benutztes Geschirr und Besteck kann wie gewohnt gemeinsam mit dem restlichen Familiengeschirr gereinigt werden.
  • Reinigen von Möbeln und Flächen: Schwer zu reinigende Polster und Teppiche, Kissen, Decken und Matratzen sollten möglichst nicht mit Ausscheidungen kontaminiert werden. Für Matratzen kann ein Matratzenschutzbezug hilfreich sein. Zur Reinigung von verschmutzten Flächen kann – je nach Material – ein entsprechend geeignetes haushaltsübliches Reinigungsmittel eingesetzt werden.




Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Fachkreise-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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