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Recherche des Monats: Nimotuzumab bei metastasiertem Pankreaskarzinom

Mutationsmuster im Tumor als Kriterium für eine zielgerichtete Therapie?

Heilung ist für Patienten mit Bauspeicheldrüsenkrebs nur in frühen Stadien und nur durch eine Operation möglich. Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom erhalten derzeit in der Regel etablierte Chemotherapie-Schemata. Dabei werden molekulare Eigenschaften der Bauchspeicheldrüsentumoren nicht berücksichtigt. Zwar verlängert die Chemotherapie das Überleben, jedoch nur um kurze Zeit. Umso wichtiger ist es, neue Therapieoptionen zu finden. Ein Ansatz könnte hier die molekulare Heterogenität der Pankreaskarzinome sein. Dass die Stratifizierung anhand von Tumor-Merkmalen bereits Einzug in den klinischen Alltag hält, zeigt Ihnen krebsinformationsdienst.med am Beispiel der folgenden "Recherche des Monats".



Stratifizierung als Chance: Neue zielgerichtete Therapien

Pankreaskrebs © Fotolia/ibreakstock
Stratifizierung bei Bauchspeicheldrüsenkrebs © Fotolia/ibreakstock

Die Patientin wurde anfänglich entsprechend der Empfehlungen der deutschen und europäischen Leitlinien mit einer Kombinationschemotherapie behandelt: mit Gemcitabin und nab-Paclitaxel. Bei nab-Paclitaxel handelt es sich um an Nanopartikel gebundenes Paclitaxel (nanoparticle albumin-bound). Allgemeine Informationen zu Behandlungsmöglichkeiten beim Pankreaskarzinom sind zu finden unter "Bauchspeicheldrüsenkrebs: Symptome, Untersuchungen, Behandlung".

Bereits vor Beginn der Chemotherapie war bei der Patientin eine RAS-Testung durchgeführt worden. RAS ("rat sarcoma") steht für eine Proto-Onkogen-Familie, zu der auch KRAS (Kirsten Rat Sarcoma [virus]) gehört. Nach einer Mutation entsteht aus einem Proto-Onkogen ein krebsförderndes Onkogen. Mehr als 90 % der duktalen Adenokarzinome des Pankreas, des häufigsten Subtyps, weisen eine Mutation im K-RAS-Gen auf.

In Pankreaskarzinomzellen ist häufig der EGFR-Signalweg (auch MAP-Kinase-Signalweg) zu stark aktiv und fördert die Proliferation der Tumorzellen. Dies geschieht durch Ras-Proteine, kleine GTPasen, die von den RAS-Proto-Onkogenen codiert werden. Sie liegen in der EGFR-Signalkaskade "unterhalb" von EGFR. Ist eines der RAS-Gene an einer bestimmten Schlüsselstelle mutiert, kann das resultierende Ras-Protein dauerhaft aktiv werden und fördert die Proliferation von Tumorzellen auch dann, wenn EGFR gehemmt wird.

Ist das K-RAS-Gen nicht mutiert, spricht man vom KRAS-Wildtyp. Bei Patienten mit KRAS-Wildtyp geht man davon aus, dass gegen den EGF-Rezeptor gerichtete Substanzen wirksam sein können.

Vom K-RAS-Gen zum Target EGFR

Was ist EGFR?

EGFR ("epidermal growth factor receptor") ist die Andockstelle für den Wachstumsfaktor EGF auf der Oberfläche von Zellen. EGFR wird auf Tumorzellen häufig überexprimiert. Am Rezeptor finden sich Tyrosinkinasen (EGFR-Kinasen), die das Wachstumssignal des EGF-Rezeptor über Signalkaskaden an die Zelle weiterleiten.

Für die kleine Gruppe von Pankreaskarzinom-Patienten mit einem Wildtyp - wie bei der Patientin - kann aufgrund des unmutierten K-RAS-Gens ein sinnvoller Angriffspunkt (Target) für eine zielgerichtete Substanz definiert sein: Der monoklonale Antikörper Nimotuzumab beispielsweise bindet an EGF-Rezeptoren an der Zelloberfläche und blockiert diese. Dadurch können Wachstumsfaktoren nicht andocken. Analog wird dieser Ansatz bereits bei Patienten mit metastasiertem Darmkrebs angewendet: Hier kommen die monoklonalen Anti-EGFR-Antikörper Cetuximab oder Panitumumab zum Einsatz, wenn ein RAS-Wildtyp vorliegt. Ob dieser Ansatz beim Pankreaskarzinom ähnlich effektiv ist wie bei Darmkrebs, ist derzeit noch unklar.
Die Hemmung von EGFR ist außerdem auch Ansatzpunkt für den EGFR-Tyrosinkinasehemmer Erlotinib, der in Kombination mit Gemcitabin zur Behandlung des metastasierten Pankreaskarzinoms zugelassen ist.

Weitere molekulare Veränderungen

Bei Pankreaskarzinomen können nicht nur proliferationsfördernde Gene wie die RAS-Gene mutiert und damit dauernd aktiviert sein. Verschiedene weitere Gene können durch Mutation oder epigenetische Veränderungen auch inaktiviert sein, wie zum Beispiel die Tumorsuppressor-Gene TP53, SMAD4 oder CDKN2A. Es handelt sich meist um sporadische Mutationen. In den seltenen Fällen von familiärem Pankreaskrebs liegen in der Regel BRCA 2-Mutationen vor, die das DNA-Reparatursystem der Zelle betreffen. Durch Identifizierung weiterer Marker mittels immunhistochemischer Methoden können Untergruppen von Pankreaskarzinomen gebildet werden, die unterschiedliche Eigenschaften haben. Diese können zum einen unterschiedlich auf Behandlungsformen ansprechen, zum anderen können sie auch in Wachstumsgeschwindigkeit und Metastasierungsmuster voneinander abweichen.

Stellenwert von Nimotuzumab

Der gegen den EGF-Rezeptor gerichtete monoklonale Antikörper Nimotuzumab hat in Europa Orphan-Drug-Status für Pankreaskarzinome und für Gliome. Er ist jedoch in der Europäischen Union nicht als Arzneimittel zugelassen. In etwa 35 Staaten weltweit besteht eine Zulassung als Arzneimittel, beispielsweise in Indien, China, Argentinien, Kolumbien und Kuba, wo der Wirkstoff entwickelt wurde. Nimotuzumab wurde in Studien bisher als Monotherapie und in Kombination mit Gemcitabin bei Patienten mit fortgeschrittenen Pankreaskarzinomen untersucht. Bei der Recherche wurden keine Studien zu einer Dreierkombination aus Gemcitabin, nab-Paclitaxel und Nimotuzumab gefunden.

Therapiekombinationen und Nebenwirkungen

Patienten, die in Studien als Erstlinientherapie mit der Zweier-Kombination Gemcitabin und Nimotuzumab behandelt wurden, lebten länger als Patienten, die Gemcitabin allein erhielten. Auch schritt die Erkrankung später fort. Insgesamt scheint Nimotuzumab gut verträglich zu sein. In Studien zeigten sich nur wenige schwere unerwünschte Ereignisse. Hauptsächlich wurde von Hautausschlägen, Fieber und Schüttelfrost, Magen-Darm-Beschwerden und Blutbildveränderungen berichtet.
Bei der Kombination mit anderen Zytostatika wie nab-Paclitaxel und Gemcitabin sind auch deren mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zu beachten.

Fazit:

Die Stratifizierung von Patienten mit Pankreaskarzinom anhand des Mutationsmusters der Tumoren oder dem Vorhandensein verschiedener molekularer Marker ist ein wichtiger neuer Ansatz. Er dient als Basis für eine genauer an den Tumor angepasste Behandlung. Derzeit werden solche Testungen - wie auch andere neue Behandlungsansätze - vorzugsweise in Studien untersucht.





Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Fachkreise-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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