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EU-Neuzulassung: Erstes Biosimilar gegen Krebs

Das biologische Nachahmer-Präparat Rituximab macht die Vorhut

In der onkologischen Supportivtherapie begleiten sie uns schon seit längerem. Nun halten sie auch Einzug in die onkologische zielgerichtete Therapie: Die Europäische Kommission hat Ende Februar 2017 mit Rituximab das erste Biosimilar gegen Krebs zugelassen. Weitere Zulassungsanträge für andere biosimilare monoklonale Antikörper mit onkologischer Indikation sind gestellt. Aber sind Biosimilars so gut wie das Referenzprodukt? Der Zulassungsprozess gibt hier wertvolle Antworten. Hintergründe, Konsequenzen für die Praxis und Stellungnahmen von Fachgesellschaften hat krebsinformationsdienst.med für Sie zusammengestellt.

Biosimilares Rituximab: Ähnlichkeit zum Referenzarzneimittel belegt

Europaflagge mit Schriftzug: EU-Neuzulassung
EU-Zulassung © Krebsinformationsdienst, DKFZ

Am 22. Februar 2017 hat die Europäische Kommission die europaweite Zulassung für ein Rituximab-Biosimilar mit der Bezeichnung CT-P10 erteilt (Handelsname: Truxima®).

Rituximab ist ein monoklonaler, vorwiegend nicht humaner (chimärer) Antikörper. Er richtet sich spezifisch gegen das B-Zell-Antigen CD20. Das Biosimilar wurde von der Europäischen Kommission für dieselben Indikationen zugelassen wie das Referenzarzneimittel mit dem Handelsnamen MabThera®. Im onkologischen Bereich kann es daher für die Therapie des Non-Hodgkin-Lymphoms (NHL) und der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) eingesetzt werden.

Positive Bewertung der europäischen Arzneimittelbehörde

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelbehörde (European Medicines Agency, EMA) hatte das Biosimilar im Dezember 2016 zur Zulassung empfohlen, da es dem Referenzprodukt strukturell ausreichend ähnlich ist. Laut CHMP haben klinische Studien außerdem eine vergleichbare Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit nachgewiesen. Beispiele für veröffentlichte klinische Studien, in denen Pharmakokinetik, Wirksamkeit und Sicherheit von CT-P10 untersucht worden waren, sind den Quellenangaben zu entnehmen.

Besonderheiten biologischer Arzneimittel

Definition von Biosimilars durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI)

Ein Biosimilar ist ein biologisches Arzneimittel, das eine Version des Wirkstoffs eines biologischen Arzneimittels enthält, welches bereits in der EU zugelassen wurde, das sogenannte Referenzarzneimittel (Originatorprodukt).

Biologische Arzneimittel enthalten Wirkstoffe, die von einem lebenden Organismus hergestellt werden oder aus einem lebenden Organismus stammen. Das können Mikroorganismen oder tierische Zellen sein. Da sie in jedem Herstellungsverfahren unterschiedlich sind, führt das zu einem gewissen Grad an Variabilität der biologischen Arzneimittel, beispielsweise in der Glykosylierung. Solche geringfügigen Unterschiede können auch zwischen verschiedenen Chargen desselben Produkts bestehen. Dies gilt sowohl für die Referenzarzneimittel als auch für Biosimilars.

Das bedeutet: Auch wenn es sich bei dem Wirkstoff eines Biosimilar-Arzneimittels und dem eines Referenzarzneimittel um die gleiche biologische Substanz handelt, sind aufgrund der komplexen Natur und der Herstellungsverfahren dieser Arzneimittel geringfügige Abweichungen möglich.
Und: Biosimilars dürfen nicht mit Generika gleichgesetzt werden. Im Gegensatz zu den Biosimilars wird der molekular kleine Wirkstoff in einem Generikum chemisch synthetisiert und stimmt daher mit dem im Originalpräparat überein.

Besonderheiten im Zulassungsverfahren von Biosimilars

Damit ein Biosimilar zugelassen werden kann, muss die Ähnlichkeit mit dem Referenzarzneimittel nachgewiesen werden. Der Hersteller muss also belegen, dass das Biosimilar die gleichen physikochemischen und biologischen Eigenschaften sowie die gleiche Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit hat. Hierfür sind, im Gegensatz zur Generika-Zulassung, umfangreichere pharmakologische, toxikologische und klinische Studien notwendig. Aus diesem Grund besteht in Europa seit 2003 ein eigener Zulassungsweg für Biosimilars.

Anforderungen an Biosimilars

Leitlinie der EMA für die Zulassung biosimilarer monoklonaler Antikörper

Derzeit gibt es in Europa 9 Wirkstoffklassen-spezifisch ausgearbeitete Leitlinien für die pharmakologisch-toxikologische und klinische Prüfung von Biosimilars. Die Leitlinie für monoklonale Antikörper (Stand 2012) ist in englischer Sprache auf der Homepage der EMA zu finden.

Bei den Studien zur Qualität eines Biosimilars werden die Struktur und die biologischen Aktivität der Wirkstoffe mit denen des Referenzarzneimittels verglichen. Die Anforderungen an die biopharmazeutische Qualität sowie die pharmakologischen und toxikologischen Studien sind für alle Biosimilars gleich.

Klinische Studien unterliegen klaren Regelungen

Mit den klinischen Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit muss nachgewiesen werden, dass es für das Biosimilar im Hinblick auf Nutzen und Risiken keine bedeutsamen Unterschiede zum Referenzarzneimittel gibt. Welche Anforderungen für den Nachweis der klinischen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei den verschiedenen Wirkstoffklassen erfüllt sein müssen, regelt die europäische Arzneimittelbehörde.

Regulatorisches Konzept der "Extrapolation"

Wurde für ein Biosimilar die Wirksamkeit in einer Indikation nachgewiesen, kann damit die Zulassung für alle Indikationen des Referenzarzneimittels erlangt werden: Man spricht von Extrapolation. Wichtig zu wissen: Das regulatorische Konzept der "Extrapolation" gibt es bei biologischen Arzneimitteln schon länger. Es wird beispielsweise angewendet, wenn deren Herstellungsprozess verändert wird.

Sicherheitsaspekte werden im Auge behalten

Im Zusammenhang mit extrapolierten Indikationen von nicht-onkologischen Biosimilars gibt es bisher keine Daten, die auf Wirksamkeits- oder Sicherheitsnachteile in diesen Indikationen hinweisen. Künftig soll im European Public Assessment Report wissenschaftlich begründet werden, warum eine Extrapolation durch die Zulassungsbehörde akzeptiert wurde, um dadurch die Akzeptanz der Biosimilars zu erhöhen.

Konsequenzen für die Praxis

Wird ein Patient mit einem biologischen Arzneimittel behandelt, entscheidet prinzipiell der behandelnde Arzt, ob die Behandlung auf ein Biosimilar umgestellt werden soll (= englisch: „switch"). Ein automatischer Austausch (Substitution) von biologischen Originalarzneimitteln durch Biosimilars in der Apotheke - wie bei Generika üblich - ist bislang nicht vorgesehen.

Arzneimittelrechtliche Einordnung

Die automatische Substitution in der Apotheke ist in Deutschland durch den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband geregelt: Danach ist ein automatischer Austausch biotechnologisch hergestellter Arzneimittel bisher nur dann erlaubt, wenn sie wirkstoffgleich sind und sich in Ausgangsstoffen sowie dem Herstellungsprozess nicht unterscheiden". Die Rede ist von sogenannten „Bioidenticals", also biologischen Arzneimitteln, die der gleichen Produktionsstätte entstammen.

Ein Biosimilar hat im Gegensatz dazu für den Gesetzgeber den Stellenwert eines Originalpräparates. Möchte ein Arzt, etwa aufgrund der Wirtschaftlichkeit ein Biosimilar verordnen, muss er das mit dem Handelsnamen tun. Eine reine Wirkstoff-Verordnung reicht hier nicht aus.

Positionen und Stellungnahmen von Experten und Fachgesellschaften

Verschiedene Fachgesellschaften, Behörden und Experten haben sich bereits zum Einsatz von Biosimilars geäußert:

  • 2017 hat die European Society for Medical Oncology (ESMO) in einem Fachartikel ihre Position zu Biosimilars in der Onkologie vertreten. Sie spricht sich für den verstärkten Einsatz von Biosimilars aus. Das Positionspapier beschreibt unter anderem, wie man höchste Sicherheits- und Effizienzstandards für Biosimilars zu gewährleisten kann: http://esmoopen.bmj.com/content/1/6/e000142.
  • Ebenfalls 2017 erschienen ist eine aktualisierte evidenzbasierte Zusammenfassung zu Biosimilars des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE). Sie ist zu finden unter www.nice.org.uk/advice/ktt15.
  • Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat im April 2015 ein Positionspapier zum Einsatz von Biosimilars herausgebracht. Demnach können Biosimilars grundsätzlich so eingesetzt werden wie Originatorprodukte. Dies gilt sowohl für Patienten, die vorher noch keine Therapie mit biologischen Arzneimitteln erhalten haben, als auch für Patienten, die vorher das Original bekommen haben. Das PEI "vertritt den Standpunkt, dass die Therapieentscheidung des Arztes auf wissenschaftlichen Daten beruhen muss, insbesondere zur belegten hochgradigen Vergleichbarkeit eines Biosimilars zu seinem Originatorprodukt". Die vollständige Stellungnahme ist zu lesen unter www.pei.de/DE/arzneimittel/immunglobuline-monoklonale-antikoerper/monoklonale-antikoerper/zusatz/position-pei-interchangebility-biosimilars-inhalt.html.
  • Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) beurteilte in ihrer Stellungnahme zu Biosimilars bereits 2008 den therapeutischen Einsatz von Biosimilars als unproblematisch. Nach der Auffassung der AkdÄ sind aufgrund der behördlichen Anforderungen bei der Zulassung die notwendigen Nachweise für die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorhanden: www.akdae.de/Stellungnahmen/Weitere/20081209.pdf (PDF).




Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Fachkreise-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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