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Noceboeffekte in der Krebstherapie

Tipps für die Arzt-Patienten-Kommunikation

Der Noceboeffekt – gerne als "Bruder des Placeboeffekts" bezeichnet – beschreibt das Phänomen, dass allein die Erwartung von Nebenwirkungen bei Patienten unerwünschte Ereignisse auslösen kann. Tumortherapien sind im Hinblick auf Nebenwirkungen bei Patientinnen und Patienten besonders häufig mit großen Befürchtungen verbunden. Es spricht viel dafür, dass die Art der Aufklärung über Therapierisiken einen starken Einfluss auf die Erwartungshaltung des Patienten hat. Tipps für das Arzt-Patienten-Gespräch hat krebsinformationsdienst.med aus verschiedenen Fachveröffentlichungen für Sie zusammengetragen.

Nocebo: Die Macht der Erwartung

Beipackzettel informiert über Nebenwirkungen ©Henry Schmitt - stock.adobe.com
Beipackzettel tragen häufig zur Ausprägung von Noceboeffekten bei ©Henry Schmitt - stock.adobe.com

In Placebo-kontrollierten klinischen Studien beenden Patienten regelmäßig die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen. Werden die Studien entblindet, stellt man fest, dass darunter auch Patienten der Placebo-Gruppe sind. Die Rede ist vom Noceboeffekt: In Gegenüberstellung zum Begriff Placebo (lateinisch "ich werde gefallen") bedeutet Nocebo "Ich werde schaden". So wie also der Placeboeffekt für die positive Wirkung einer Scheinbehandlung steht, steht der Noceboeffekt für deren negative Folgen.

Nicht nur "Scheinnebenwirkungen"

Nocebowirkungen sind nicht auf Placebopräparate beschränkt. Jedes Arzneimittel und auch nicht-medikamentöse Therapien können solche Effekte haben. Wichtig zu wissen: Nocebowirkungen sind nicht einfach "eingebildete" Symptome, sondern beeinflussen tatsächlich körperliche Vorgänge. Dabei ist gerade bei realen Therapien der Übergang zwischen "echten", also therapieinduzierten Nebenwirkungen und Nocebowirkungen fließend: So ist auch denkbar, dass sich therapieinduzierte Nebenwirkungen als Folge des Noceboeffekts verstärken oder als belastender wahrgenommen werden.

Vor allem unspezifische Nebenwirkungen betroffen

Besonders unspezifische Nebenwirkungen treten als Beschwerden des Noceboeffekts auf. Beispiele sind Übelkeit, Fatigue, Schwindel, Schmerzen, depressive Verstimmungen oder sexuelle Störungen – unerwünschte Ereignisse, die auch häufig unter Krebstherapien auftreten. Die Nocebowirkungen können für den Patienten so belastend sein, dass ihre Therapietreue (Compliance) gefährdet ist und sie die Therapie abbrechen.

Ursachen des Noceboeffekts

Entscheidend für die Ausbildung von Noceboeffekten ist vor allem die Erwartungshaltung des Patienten: Eine kürzlich im Fachmagazin "Science" veröffentlichte Untersuchung hatte gezeigt, dass selbst der Arzneimittelpreis beeinflussen kann, wie stark der Noceboeffekt ausgeprägt ist. Je teurer ein Medikament ist, desto eher scheinen Patienten Nebenwirkungen zu erwarten und desto wahrscheinlicher treten sie auf. Doch auch andere Faktoren beeinflussen die Erwartungshaltung gegenüber Nebenwirkungen und triggern dadurch Noceboeffekte.

Krebstherapien oft mit negativen Erwartungen verbunden

So wird die medizinische Erwartungshaltung der Patienten stark von Medien, der Familie und der Gesellschaft beeinflusst: Gerade Tumortherapien sind bei Patienten mit Ängsten und negativen Erwartungen verbunden. Die Rolle von Krebspatienten in Filmen, Berichten im Internet, Büchern und Erfahrungsberichten tragen ihren Teil dazu bei. Aber auch Ärzte haben eine besondere Verantwortung: Denn inzwischen weiß man, dass die Hauptquelle für Noceboeffekte die medizinische Patientenaufklärung ist. Nebenwirkungen treten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auf, wenn darüber aufgeklärt wurde.

Patientenaufklärung: Die Macht der Worte

Ärztinnen und Ärzte befinden sich also in einem ethischen Dilemma, dem sich schon viele Veröffentlichungen gewidmet haben: Einerseits sind sie zur Aufklärung des Patienten verpflichtet, andererseits laufen sie Gefahr, gerade durch die Aufklärung ihren Patienten zu schaden. Wie können Ärzte also im Beratungsgespräch seriös über Therapiefolgen aufklären, ohne negative Erwartungen des Patienten zu schüren?

Tipps für die Praxis

In verschiedensten Fachpublikationen finden sich konkrete Tipps, mit denen man im Aufklärungsgespräch Noceboeffekte vermeiden oder zumindest vermindern kann. Eine Auswahl davon ist im Quellenkasten am Ende des Beitrags zu finden. krebsinformationsdienst.med hat einige Beispiele herausgegriffen.

Die Erwartungen des Patienten erfragen

Ziel darf es nicht sein, Nebenwirkungen zu verschweigen oder schön zu reden. Es ist wichtig, die Ängste vor Nebenwirkungen ernst zu nehmen. Deshalb kann ein erster Schritt sein, den Patienten zu fragen, welche Beschwerden er erwartet, von welchen Ursachen er ausgeht und welche Vorstellungen ihn belasten. Die Antworten des Patienten ermöglichen es dem Arzt, sachlich und beruhigend auf die individuellen Sorgen des Patienten einzugehen.

Zahlen bewusst kommunizieren

Klärt man über die Häufigkeit einer Nebenwirkung auf, kann man hervorheben, wie viele Patienten diese Nebenwirkung nicht erleben, statt zu betonen, wie viele Patienten diese Nebenwirkungen zeigen. So sind bei "häufigen" Nebenwirkungen immer noch mehr als 90 von 100 Patienten nicht betroffen. Auch der Hinweis, dass gerade die unspezifischen Nebenwirkungen zwar unangenehm sind, aber keine bleibenden Schäden nach sich ziehen, kann für den Patienten beruhigend sein.

Aufklärung von Risiken und Nutzen verknüpfen

Es ist günstiger, wenn Ärzte Patienten zeitgleich über die Behandlung und die Therapienebenwirkungen aufklären. So können Risikoaussagen sofort mit einer positiven Botschaft verknüpft werden. Klärt man beispielsweise über Übelkeit unter Chemotherapie auf, kann man den Patienten erklären, dass sich dahinter die hohe Wirksamkeit des Medikaments gegen sich schnell teilende Zellen, wie Tumorzellen, verbirgt.

Neutrale Formulierungen wählen

Ganz allgemein hilft es, wenn Ärzte im Gespräch mit dem Patienten negative Begriffe meiden und durch neutrale Worte ersetzen: Statt beispielsweise darüber aufzuklären, dass das Risiko von "Blutungen" besteht, kann man den Patienten darauf hinweisen, dass das Medikament die Blutgerinnung stören kann. Zudem kann man darauf achten, Risiken unpersönlich zu benennen. Anstelle der Formulierung "Sie haben das Risiko... zu bekommen" ist es besser, neutrale Formulierungen zu wählen wie "Manche Patienten bekommen...".

Handlungsmöglichkeiten aufzeigen

Für Patienten ist es wichtig zu wissen, dass sie im Falle von Nebenwirkungen nicht alleine gelassen werden. Steht beispielsweise eine Therapie bevor, die Hautnebenwirkungen verursacht, kann der Arzt darüber informieren, welche Möglichkeiten der Vorbeugung und Behandlung es gibt. Zudem kann er signalisieren, jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Auch bietet es sich an, auf psychoonkologische Unterstützungsangebote hinzuweisen, wenn Patienten starke Ängste vor Nebenwirkungen haben. Diese können beispielsweise in zertifizierten Kliniken begleitend in Anspruch genommen werden.





Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Fachkreise-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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