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Recherche des Monats: Sunitinib und Matcha - passt das zusammen?

Wechselwirkungen zwischen zielgerichteter Therapie und Komplementärmedizin

In den letzten Jahren hat die Zahl zugelassener oraler Krebsmedikamente deutlich zugenommen. Da diese vom Patienten sehr viel eigenverantwortlicher eingenommen werden als intravenöse Arzneiformen, ist hier der Beratungsbedarf besonders hoch. Gleichzeitig greifen Krebspatienten vermehrt zu komplementären und alternativen Heilmethoden, um ihre Krebstherapie zu unterstützen. Dies stellt Fachkreise vor die Herausforderung, im Hinblick auf mögliche Wechselwirkungen Aufklärungsarbeit zu leisten. Auch den Krebsinformationsdienst erreichen dazu immer wieder Anfragen. In dieser "Recherche des Monats" widmet sich krebsinformationsdienst.med der Frage nach Wechselwirkungen zwischen dem Grüntee-Pulver Matcha und dem Tyrosinkinashemmer Sunitinib.



Fazit: Wechselwirkungen sind nicht ausgeschlossen

Grüntee-Pulver Matcha © grafvision/Fotolia
Trend-Getränk Matcha: An Wechselwirkungen denken, © grafvision/Fotolia

Verschiedene Forschungsergebnisse zeigen: Wechselwirkungen zwischen Sunitinib und Matcha (Grüntee-Pulver) sind theoretisch möglich. Die Evidenz dazu beruht jedoch lediglich auf Ergebnissen von in vitro- und in vivo-Studien und den daraus abgeleiteten theoretischen Überlegungen. Dabei kamen die bisher durchgeführten Untersuchungen zu einem gegensätzlichen Ergebnis: Tierexperimentelle Studie lassen vermuten, dass grüner Tee den Plasmaspiegel von Sunitinib wegen gerbstoffassoziierten Ausfällungen vermindert. Versuche an Zelllinien zeigten indes, dass grüner Tee Cytochrom-P450-Isoenzyme hemmt und so theoretisch die Plasmakonzentration von Sunitinib erhöhen könnte.
Die klinische Relevanz dieser gegensätzlichen Beobachtungen ist bisher noch ungeklärt: Wie sich grüner Tee auf den Sunitinib-Plasmaspiegel beim Menschen auswirkt, ist bislang nicht untersucht.

Mit der Patientin sollte diese unklare Datenlage sowie die Aussagekraft der bisherigen Ergebnisse besprochen werden. Steht für sie der Sicherheitsaspekt im Vordergrund, wäre mit ihr zu überlegen, ob für sie Alternativen zu Matcha in Betracht kommen. Möchte sie auf den Genuss von Matcha nicht verzichten, kann man ihr raten, das Getränk nur gelegentlich zu trinken und das in einem zeitlichen Abstand zur Einnahme von Sunitinib. Die behandelnden Ärzte sollten dann darüber Bescheid wissen.

Mehr zum Thema: Grüntee-Variante Matcha

Zum Weiterlesen

Was und wie soll man trinken als Krebspatient? Hintergrundinformationen dazu bietet der Text Richtig trinken bei der Krebstherapie - Was und wie viel sollte man trinken?.

Matcha (japanisch für "gemahlener Tee") ist ein zu feinstem Pulver vermahlener grüner Tee, der in japanischen Teezeremonien verwendet wird. Für die Zubereitung wird das Pulver mit heißem Wasser übergossen und mit einem Bambusbesen schaumig geschlagen. Doch nicht nur als Teegetränk, sondern auch als Zutat für Joghurt, Eiscreme oder Gebäck wird Matcha zunehmend verwendet.

Der für die gesundheitsfördernde Wirkung von grünem Tee verantwortlich gemachte Inhaltsstoff ist das Polyphenol Epigallocatechingallat (abgekürzt EGCG). Häufig findet man im Internet die Behauptung, Matcha hätte einen höheren EGCG-Gehalt als Blattgrüntee. Ist das richtig?
Wie hoch der EGCG-Gehalt von Grüntee ist, hängt von der Sorte und der Zubereitungsart ab. Bei Blattgrüntee geht durch den Aufguss nur ein Teil des EGCG in das Getränk über (zwischen 15 und 50 %). Der Rest wird nach dem Aufguss mit den Blättern weggeworfen. Beim Matcha wird das Blatt als Pulver komplett verzehrt. Geht man davon aus, dass eine Blattgrüntee-Sorte und eine Matchapulver-Sorte einen vergleichbaren EGCG-Gehalt haben, wird das fertige Matcha-Getränk eine höhere Konzentration an EGCG aufweisen. Andererseits muss auch die täglich aufgenommene Menge des Getränks berücksichtigt werden: Matcha wird üblicherweise nur in kleinen Portionen (50 bis 100 ml pro Tag) getrunken, Blattgrüntee dagegen im Bereich von 0,2 bis 1 Liter pro Tag.

Wechselwirkungspotential von Matcha und Grüntee bei Krebspatienten

Dass grüner Tee Wechselwirkungen mit Arzneimitteln haben kann, wird schon seit langem vermutet. Die Mechanismen sind bisher jedoch nicht vollständig aufgeklärt und auch die klinische Relevanz dieser Wechselwirkungen ist häufig noch unklar. Verantwortlich für die Wechselwirkungen ist unter anderem der Inhaltsstoff Epigallocatechingallat (EGCG). In Hinblick auf Krebsmedikamente werden folgende Wechselwirkungen diskutiert:
Zum einen kann EGCG als Antioxidans wirken und damit bei übermäßigem Verzehr die Wirkung einer Chemo- oder Strahlentherapie abschwächen: Die Wirkung dieser Therapien beruht zum Teil darauf, dass reaktive Sauerstoffradikale die Krebszellen schädigen. Daher ist der Verzehr großer Mengen von Antioxidantien kontraproduktiv.
Zum anderen deuten präklinische Experimente an, dass EGCG die Plasmakonzentration und damit möglicherweise die Bioverfügbarkeit verschiedener onkologischer Medikamente beeinflussen kann.

Recherche CYP-abhängiger Wechselwirkungen

Eine aktuelle Übersicht über die Substrate sowie Inhibitoren und Induktoren verschiedener CYP-Enzyme bietet die Flockhart Tabelle auf der Homepage der Indiana University unter http://medicine.iupui.edu/clinpharm/ddis/main-table.

Beispiele:

  • Bei Ratten zeigte sich, dass grüner Tee die Plasmakonzentration von 5-FU erhöhen kann. Allerdings deuten in vitro-Daten an, dass sich dieser Effekt nicht in einer erhöhten zytotoxischen Wirkung äußert.
  • Im Zusammenhang mit Sunitinib wurde bei Ratten ein verminderter Sunitinib-Plasmaspiegel durch den Einfluss von EGCG gemessen. Zuvor waren in vitro Ausfällungen (Präzipitate) beobachtet worden, wenn Sunitinib und EGCG unter neutralen und sauren Bedingungen vermischt worden waren. Im Magen der Ratten hatte man zudem nach Verabreichung von Sunitinib und EGCG halbfeste Rückstände gefunden, sodass von den Forschern eine gerbstoffassoziierte Ausfällung von Sunitinib vermutet wurde.
  • Ebenfalls aus der Grundlagenforschung bekannt sind verschiedene Interaktionen von EGCG mit Cytochrom P450-Isoenzymen sowie transmembranären Arzneimitteltransportsystemen (unter anderem P-Glykoprotein und OATP1A2). Beispielsweise ist eine hemmende Wirkung auf die Aktivität von CYP3A4 beschrieben. Ob diese Hemmung ausreichend stark ist, um sich auf den Plasmaspiegel von Sunitinib auszuwirken, wurde am Menschen bisher nicht untersucht. Dennoch raten die Forscher davon ab, große Mengen grünen Tee zu konsumieren, wenn man gleichzeitig Medikamente einnimmt, die von CYP1A2, CYP2C9 oder CYP3A4 verstoffwechselt werden.

Zu den diskutierten Wechselwirkungen zwischen grünem Tee und dem Proteasom-Hemmer Bortezomib ist die Datenlage der präklinischen Experimente widersprüchlich: Diskutiert wird, dass Grüntee die Wirkung von Bortezomib aufheben (antagonisieren) kann.

Mehr zum Thema: Orales Krebsmedikament Sunitinib

Sunitinib ist ein Tyrosinkinasehemmer. Da er sich gegen unterschiedliche Rezeptortyrosinkinasen richtet, wird Sunitinib auch als Multikinasehemmer bezeichnet. Zugelassen ist Sunitinib für die Behandlung von Nierenzellkarzinom, gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) und pankreatischen neuroendokrinen Tumoren (pNET) wenn die Erkrankung bereits fortgeschritten ist (metastasiert oder operativ nicht entfernbar). Sunitinib wird einmal täglich oral angewendet. Die Kapseln können unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden.

Wechselwirkungspotential von Sunitinib

Sunitinib wird hauptsächlich durch das Cytochrom P450-Isoenzym CYP3A4 verstoffwechselt. Arzneimittel, welche die Aktivität von CYP3A4 stark hemmen (inhibieren) oder fördern (induzieren) sollen dem Hersteller zufolge vermieden werden: Starke CYP3A4-Inhibitoren erhöhen und starke CYP3A4-Induktoren senken den Plasmaspiegel von Sunitinib deutlich. Gibt es keine Alternative zu solchen Arzneimitteln, muss die Dosis von Sunitinib unter Kontrolle der Verträglichkeit schrittweise angepasst werden. Eine aktuelle Übersicht über starke Inhibitoren und Induktoren von CYP3A4 finden sich in der Flockhart Tabelle (siehe Infokasten "Recherche CYP-abhängiger Wechselwirkungen").





Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Fachkreise-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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