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Krebs kann auch plötzlich entstehen: Explosion im Genom verursacht Hirntumoren

Eine Veränderung im Gen für das Protein p53, dem "Wächter des Genoms", führt zu einer geradezu explosionsartigen Umlagerung großer Teile des Erbguts von Krebszellen. Heidelberger Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und dem European Molecular Biology Laboratory (EMBL) entdeckten dies an einer besonders aggressiven Gruppe von Hirntumoren bei Kindern. Das geht aus einer Pressemitteilung des DKFZ hervor (www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/index.php, "Explosion im Genom verursacht Hirntumoren").

Menschen mit ererbten Defekten im Gen für das Protein p53 durchleben oft eine jahrzehntelange Leidensgeschichte: Häufig erkranken sie im Laufe ihres Lebens an mehreren verschiedenen Krebsarten. Ihnen mangelt es an intaktem p53, dem sogenannten "Wächter des Genoms". Dieses Protein hält nach Erbgutschädigung die Zellteilung auf, sodass die Zelle Zeit gewinnt, die DNA-Defekte zu reparieren. Sind die Schäden irreparabel, so sorgt p53 dafür, dass der Zelltod (Apoptose) eingeleitet wird.

Grundlagenforschung

Bei den neuesten Forschungserkentnissen über den Zusammenhang zwischen p53-Mutationen und Chromothripsis handelt es sich um erste Ergebnisse der Grundlagenforschung, welche noch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Therapie haben.

Auch ein kleines Mädchen, das an einem besonders aggressiven Hirntumor ("SHH-Medulloblastom") erkrankt war, hatte eine erbliche Veränderung im p53. Als Wissenschaftler um Prof. Peter Lichter aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), Dr. Stefan Pfister vom DKFZ und vom Universitätsklinikum Heidelberg, sowie Dr. Jan Korbel aus dem European Molecular Biology Laboratory das Tumorerbgut der kleinen Patientin entzifferten, wurden sie von einem beispiellosen Chaos überrascht: Abschnitte einzelner Chromosomen waren an unzähligen Stellen zerbrochen und regelwidrig wieder zusammengebaut worden, sodass ganze Erbgutabschnitte fehlten, andere dagegen vervielfältigt oder in falscher Orientierung eingebaut waren. Dieses Schadensbild unterscheidet sich von bisher bekannten Erbgutdefekten in Tumorzellen.

Chromothripsis: Das Phänomen wurde erst kürzlich entdeckt

Ein solches Desaster im Erbgut bezeichnen Wissenschaftler mit dem Begriff  Chromothripsis. Das erst kürzlich entdeckte Phänomen tritt bei etwa zwei bis drei Prozent Prozent aller Krebserkrankungen auf. Es entsteht wahrscheinlich durch ein einzelnes Ereignis in der Zelle, das die Chromosomen geradezu explodieren lässt. Eine allmähliche Anhäufung einzelner Mutationen, wie man sie von den meisten Krebserkrankungen kennt, kann ein solches Durcheinander nicht erklären.

Die Heidelberger Forscher unterzogen daraufhin Gewebeproben von 98 Medulloblastomen einer Erbgutanalyse. In 13 der 98 Proben entdeckten sie das für Chromothripsis typische Chromosomen-Chaos. 11 dieser 13 Proben stammten von den besonders aggressiven SHH-Medulloblastomen. Unter diesen 11 fanden die Forscher in 10 Fällen Mutationen im Gen für p53, die größtenteils erblich bedingt waren.

"Bei allen Patienten mit einem ererbten p53-Defekt finden wir das Chromosomen-Chaos in den Krebszellen. Dagegen weist keine Tumorprobe mit intaktem p53-Gen das Schadensmuster auf - der Zusammenhang ist hoch signifikant", erklärt Peter Lichter. "Eine p53-Mutation prädisponiert die Zelle offenbar für Chromothripsis. Allerdings wissen wir noch nicht, ob die Mutation die Chromosomen anfälliger und zerbrechlicher macht oder aber ob sie die Zelle trotz Chromosomen-Chaos am Leben erhält. Eigentlich wäre der Zelltod die normale Reaktion auf so massive Erbgutschäden", ergänzt sein Kollege Jan Korbel.



Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Internet-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

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