Wer wenig gebildet ist und in einem sozial schwachen Viertel lebt, hat ein höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken - zumindest in den USA. Zu diesem Schluss kommen die Autoren einer Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift "Cancer" erschien.
Die Forscher der US-amerikanischen Studie nutzten Daten der "National
Institute of Health-AARP Diet and Health Study", die seit Mitte der
1990er Jahre in sechs Bundesstaaten und zwei Metropolregionen der USA
läuft.
Auswertung anhand von Befragung und Zensusdaten
Die Studienteilnehmer wurden mehr als zehn Jahre lang beobachtet. Zu Anfang der Studie waren sie zwischen 50 und 71 Jahre alt. Von ihnen lagen unter anderem Angaben zum höchsten Bildungsabschluss sowie zu Alter, Gewicht, Größe, Rauchverhalten oder Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten vor. Die Einstufung ihrer Wohnsituation erfolgte mithilfe von U.S.-Zensus-Daten. Diese beinhalten beispielsweise Angaben zur Arbeitslosenrate und zum mittleren Einkommen. Zur Verfügung standen Daten von insgesamt 506.488 Menschen. Im Studienzeitraum erhielten 7.676 Teilnehmer die Diagnose "Darmkrebs". Um herauszufinden, wie das Darmkrebsrisiko von äußeren Umständen abhängt, betrachteten die Studienverantwortlichen verschiedene Gruppen getrennt voneinander. Berücksichtigt wurden zum Beispiel Angaben zu Bildung, Einkommen und Besitz, bei Städtern das jeweilige Wohnviertel und bei Menschen aus dem ländlichen Raum die Struktur der jeweiligen Region.
Innerhalb von etwa zehn Jahren erkrankte nur einer von 79 Teilnehmern mit abgeschlossenem Studium. Im gleichen Zeitraum traf die Diagnose Darmkrebs dagegen einen von 51 Teilnehmern, die nur vergleichsweise kurz zur Schule gegangen waren und nur eine kurze oder gar keine berufliche Ausbildung durchlaufen hatten. Bezogen auf die Wohngegend sah das Ergebnis so aus: In den privilegiertesten Wohngegenden erkrankte einer vom 72 Menschen an Darmkrebs, in den sozial benachteiligten Gegenden dagegen einer von 59 Menschen.
Mögliche Ursache: Sozial bedingte Unterschiede bei der Teilnahme an Früherkennungsmaßnahmen
Um die Daten besser miteinander vergleichen zu können, rechneten die Forscher die Einzelschicksale zu sogenannten "Personenjahren" um. Dazu multiplizierten sie die Studiendauer mit der Teilnehmeranzahl. Bei den Teilnehmern mit abgeschlossenem Studium kamen auf 10.000 Personenjahre 13,2 Krebsdiagnosen. In der Gruppe der Teilnehmer mit weniger als zwölf Jahren Schul- und Berufsausbildung lag die Häufigkeit dagegen bei 21,2 pro 10.000 Personenjahren - und somit um 42 Prozent höher. Dieser Trend blieb auch bestehen, wenn die Forscher andere Risikofaktoren für Darmkrebs heraus rechneten, darunter Rauchverhalten, Ernährung, mangelnde Bewegung und Übergewicht: Trotzdem hatten bildungsarme Menschen immer noch ein gering, aber statistisch verlässlich höheres Erkrankungsrisiko.
Die Autoren führten das höhere Erkrankungsrisiko von Menschen mit einem geringeren sozioökonomischen Status unter anderem zurück auf Unterschiede bei der Teilnahme an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. Bereits in früheren Studien hatten sie festgestellt, dass Bevölkerungsgruppen mit niedriger formaler Bildung und schwierigen Lebensumständen seltener an Früherkennungsuntersuchungen teilnehmen.
Ergebnisse nur bedingt auf Deutschland übertragbar
Unklar ist, inwieweit die Ergebnisse dieser Studie auf Deutschland übertragbar sind. Seit 2002 ist die Darmspiegelung hierzulande Teil des gesetzlichen Früherkennungsprogramms. Somit entstehen gesetzlich Versicherten keine Kosten durch die Untersuchung. Allerdings zeigen Untersuchungen, dass auch in Deutschland Faktoren wie Bildung, berufliche Position und soziale Schicht einen Einfluss darauf haben, wer an Früherkennungsuntersuchungen teilnimmt. Bei Männern ist dieser Zusammenhang jedoch deutlich weniger ausgeprägt als bei Frauen. Die Teilnahmerate bei Menschen unter 70 Jahren lag in den letzten Jahren etwa bei 40 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer, so eine Auswertung aus dem Jahr 2009, die Hermann Brenner und seine Kollegen aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum durchgeführt hatten. Welche Faktoren die Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen insgesamt beeinflussen, soll auch in Deutschland noch weiter untersucht werden, so eine Forderung im Nationalen Krebsplan.
Zum Weiterlesen
Mehr zum Thema Darmkrebs und zur Darmkrebsfrüherkennung finden Interessierte unter Dickdarmkrebs: Diagnose, Therapie, Nachsorge. Ein kurz gefasstes Informationsblatt steht hier zum Laden, Ausdrucken und Lesen zur Verfügung.
Im Darmkrebsmonat März schaltet der Krebsinformationsdienst eine zusätzliche Leitung zum Thema Darmkrebsfrüherkennung unter der kostenfreien Nummer 0800 - 420 30 40 werktags von 9.00 - 19.00 Uhr frei. Hier informieren Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes über die verschiedenen Möglichkeiten der Vorbeugung und Früherkennung von Darmkrebs sowie über die Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten.
Die Originalpublikation ist in englischer Sprache in der Fachzeitschrift "Cancer" erschienen:
Doubeni CA et al. (2012) Socioeconomic Status and the Risk of Colorectal Cancer. Cancer 3 Jan 2012. Epub ahead of print. DOI 10.1002/cncr.26677
Wer sich über die zugrundeliegende Beobachtungsstudie informieren möchte, findet Hintergründe zur "National Institute of Health-AARP Diet and Health Study" unter www.dietandhealth.cancer.gov/.
Zur Teilnahmerate an der Früherkennungskoloskopie informierte im Jahr 2009 eine Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums, abrufbar unter www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2009/dkfz_pm_09_16.php.
Eine Zusammenfassung des aktuellen Jahresberichts zum "Projekt wissenschaftliche Begleitung von Früherkennungs-Koloskopien in Deutschland" des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland kann im Internet eingesehen werden unter www.zi.de/cms/fileadmin/images/content/PDFs_alle/Zusammenfassung_Jahresbericht_2010.pdf.
Zum Einfluss soziodemographischer Faktoren auf die Teilnahme an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen in Deutschland informiert eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2006:
Scheffer S et al. (2006) Soziodemografische Unterschiede in der Teilnahme an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) in Deutschland - Eine Übersicht. Gesundheitswesen 68: 139–146. DOI 10.1055/s-2006-926641
Ein PDF kann im Internet geladen werden unter www.psychologie.uni-heidelberg.de/ae/diff/gender/pdf-files/scheffer-dauven-sieverding-2006.pdf.
Wie die Krebsfrüherkennung in Deutschland in Zukunft aussehen könnte, und welche Fragen noch offen sind, darüber diskutierten in den vergangenen beiden Jahre Experten innerhalb des Nationalen Krebsplans auf Einladung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Hintergründe bietet das BMG unter www.bundesgesundheitsministerium.de/praevention/nationaler-krebsplan/was-haben-wir-bisher-erreicht.html.