Ballaststoffe aus Getreide senken das Risiko, an Dick- und Enddarmkrebs
zu erkranken. Wer viel Getreide, Müsli, Vollkornbrot und Vollkornreis
isst, hat ein geringeres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Dies ist das
Ergebnis einer Übersichtsarbeit britischer und niederländischer
Wissenschaftler, die im British Medical Journal veröffentlicht wurde.
Die Autoren hatten für ihre Arbeit 25 internationale Studien zu diesem
Thema erneut ausgewertet.
Der nachgewiesene Effekt der Ballaststoffe auf das Darmkrebsrisiko ist
jedoch alles in allem eher gering. Die Wissenschaftler fanden in dieser
Untersuchung außerdem keine Hinweise dafür, dass auch Ballaststoffe aus
Obst oder Gemüse das Darmkrebsrisiko senken.
Ballaststoffzufuhr in Deutschland geringer als empfohlen
Frauen in Deutschland nehmen täglich 23 Gramm und Männer 25 Gramm Ballaststoffe zu sich. Empfohlen sind 30 Gramm.
In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 68.740 Menschen neu an Darmkrebs. Etwa eine von 15 Frauen und einer von 13 Männern erkranken im Laufe des Lebens an Darmkrebs. Dieses Erkrankungsrisiko ließe sich bei vielen Menschen zumindest geringfügig senken, wenn sie mehr Ballaststoffe zu sich nehmen würden. Laut der "Nationalen Verzehrsstudie II" von 2008 nehmen Frauen in Deutschland im Durchschnitt nur 23 Gramm Ballaststoffe pro Tag und Männer nur 25 Gramm auf. In den Studien, die der aktuellen Veröffentlichung zugrunde lagen, nahmen die meisten Befragten noch deutlich weniger auf. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt aber 30 Gramm pro Tag.
Fakten zur Studie
In der zitierten aktuellen Meta-Analyse werteten die Forscher Daten aus 25 prospektiven Beobachtungsstudien bis zum Jahr 2010 aus, darunter auch neuere und sehr große Untersuchungen. Alle Studien, die für die Übersichtsarbeit analysiert wurden, untersuchten den Zusammenhang zwischen der Menge verzehrter Ballaststoffe allgemein sowie dem von Vollkornprodukten im engeren Sinn und dem Auftreten von Dick- und Enddarmkrebs. Sie konnten einen linearen Zusammenhang zwischen der aufgenommenen Menge von Ballaststoffen und der risikosenkenden Wirkung feststellen. Jede Steigerung des Ballaststoffverzehrs führte statistisch gesehen zu einer geringen, aber messbaren Senkung des Darmkrebsrisikos: Pro zehn Gramm mehr sank die Wahrscheinlichkeit zu erkranken, um 10 Prozent. Zum Vergleich: Aus anderen Studien weiß man, dass beispielsweise Frauen, die nie geraucht haben, ein um 60 Prozent niedrigeres Darmkrebsrisiko haben als Raucherinnen.
Die Forscher ermittelten außerdem, ob es eine Rolle spielt, woher die Ballaststoffe stammten. Sie unterschieden dabei nach der Herkunft aus Getreide, Früchten, Gemüsen oder Hülsenfrüchten. Insgesamt bezogen die Wissenschaftler Daten von fast zwei Millionen Teilnehmern in ihre Meta-Analyse mit ein.
Hintergründe zur Forschungslage
In der Forschung waren Ballaststoffe und ihr Einfluss auf das Krebsrisiko jahrelang umstritten, trotz zahlreicher epidemiologischer Studien zum Thema. Deren Ergebnisse waren zu widersprüchlich: In einigen Studien konnte ein geringfügiger Einfluss auf das Darmkrebsrisiko nachgewiesen werden, abhängig von der Menge der aufgenommenen Ballaststoffe. In anderen Untersuchungen fand sich keine Auswirkung.
Auch die aktuell veröffentlichte Übersichtsarbeit konnte nur einen geringen Effekt nachweisen. Die Autoren dieser Arbeit betonen, dass nach wie vor weitere Forschung zum Thema nötig ist. Beispielsweise sollte noch ermittelt werden, welche Fasern genau einen risikosenkenden Effekt haben. Offen ist aus ihrer Sicht auch, ob die risikosenkende Wirkung tatsächlich auf Ballaststoffe zurückgeht oder ob Vitamine, Mineralstoffe oder andere schützende Substanzen aus Getreide sich auswirken. Unter Umständen spielen weitere, bisher nicht ausreichend berücksichtigte Lebensstilfaktoren bei Probanden eine Rolle und beeinflussen die Studiendaten entsprechend, etwa der Alkohol- oder Fleischkonsum. Aufgrund uneinheitlicher Erhebungsinstrumente und Definitionen von Ballaststoffen sind viele Studien nicht direkt vergleichbar. Die Autoren der Übersichtsarbeit weisen deshalb darauf hin, dass Forscher diese Messfehler in zukünftigen Studien stärker berücksichtigen sollten.
Zum Weiterlesen
Hintergründe zu Risikofaktoren beim Darmkrebs hat der Krebsinformationsdienst in seinem Text "Dickdarmkrebs: Ursachen, Risikofaktoren, Vorbeugung" zusammengefasst.
Informationen zur Rolle der Ernährung in der Vorbeugung von Krebs finden sich in den Texten "Ernährung und Krebs: Kann gesunde Kost das Krebsrisiko senken?" des Krebsinformationsdienstes.
Wie sich Darmkrebs früh erkennen lässt und welche gesetzlichen Früherkennungsmaßnahmen es gibt, fasst der Text "Darmkrebs: Früherkennung mit Stuhltest und Koloskopie" des Krebsinformationsdienstes zusammen.
Die zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. finden sich im Internet unter www.dge.de/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=15.
Für Interessierte und Fachkreise
Die Übersichtsarbeit ist in englischer Sprache im Internet frei zugänglich unter www.bmj.com/content/343/bmj.d6617. Aune D, Chan D S M, Lau R, Vieira R, Greenwood D C, Kampman E, Norat T. (2011): Dietary fibre, whole grains, and risk of colorectal cancer: systematic review and dose-response meta-analysis of prospective studies. British Medical Journal (BMJ) 2011;343. doi: 10.1136/bmj.d6617.
Sie war Teil des so genannten "Continuous Update Project (CUP)" des World Cancer Research Fund und des American Institute for Cancer Research. Hintergründe dazu finden sich in englischer Sprache unter www.dietandcancerreport.org/cup/index.php. Eine systematische Literaturübersicht im Rahmen des CUP finden sich unter www.wcrf.org/PDFs/Colorectal-cancer-CUP-report-2010.pdf.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung bietet auf ihren Internetseiten die evidenzbasierte Leitlinie "Kohlenhydratzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsbedingter Krankheiten" von 2011 an unter www.dge.de/modules.php?name=St&file=w_leitlinien. Der Artikel "Müssen die Ernährungsempfehlungen für die Ballaststoffe geändert werden" liefert Hintergründe zu der Kontroverse zum Thema Ballaststoffeinnahme und Darmkrebsrisiko unter www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=296. Die US-amerikanische "Dietary Guidelines for Americans" von 2010 findet sich im Internet in englischer Sprache unter www.cnpp.usda.gov/DGAs2010-PolicyDocument.htm.
Der Ergebnisbericht der "Nationalen Verzehrstudie II" von 2008 lässt sich unter www.was-esse-ich.de/uploads/media/NVSII_Abschlussbericht_Teil_2.pdf nachlesen.
S3-Leitlinie "Kolorektales Karzinom" 2004/2008 der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) ist abrufbar unter www.dgvs.de/media/Leitlinie.pdf.
Einen Überblick über die Erkrankungsrate und weitere statistische Daten bietet die Broschüren "Krebs in Deutschland", die vom Robert-Koch-Institut und der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister zur Verfügung gestellt wird - im Internet unter www.gekid.de.