Was ist passiert, wenn Tumoren auf eine Chemotherapie nicht mehr
ansprechen? Niederländische Forscher haben einen möglichen Mechanismus
der sogenannten Resistenzentwicklung aufgeklärt.
Sie beobachteten, dass Bindegewebsstammzellen bei Mäusen durch die
Behandlung mit platinhaltigen Chemotherapie-Arzneimitteln zwei ganz
bestimmte Fettsäuren bildeten. Diese Fettsäuren führten dazu, dass
Tumoren bei den Tieren gegen ein breites Spektrum verschiedener
Zytostatika resistent wurden und nicht mehr auf die Medikamente
ansprachen.
Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass diese Fettsäuren auch für
Krebspatienten schädlich sein könnten, wenn man sie während einer
Behandlung zu sich nimmt.
Diese Hypothese überprüften sie in einem weiteren Tierversuch: Sie
verfütterten die entsprechenden Fettsäuren an krebskranke Mäuse kurz vor
einer Chemotherapie. Tatsächlich entwickelten die Tiere Resistenzen,
die Behandlung blieb wirkungslos.
Gefährlich: Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren in Fischölkapseln und Algenkonzentraten
Das Team von der Universität Utrecht und weiteren Einrichtungen hatte von den Untersuchungen zunächst eher grundlegende Erkenntnisse erwartet. Nun sehen die Forscher aber unmittelbare Konsequenzen für die klinische Therapieforschung: Die Resistenzentwicklung könnte möglicherweise in Zukunft durch Medikamente unterdrückt werden, die gezielt in den neu entdeckten Mechanismus eingreifen.
Bereits wesentlich konkreter sind die Schlussfolgerungen, die die Forscher für Krebspatienten ziehen:
Bei der genaueren Analyse fanden sie heraus, dass die betreffenden Substanzen zu den sogenannten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren gehören. Solche Fettsäuren sind beispielsweise auch in manchen Nahrungsergänzungsmitteln enthalten, etwa Fischölkapseln oder Algenextrakten.
Gerade Fischölkapseln werden jedoch von vielen Krebspatienten gerne verwendet, weil diese sich eine positive Auswirkung auf die tumortypische Auszehrung „Kachexie“ erwarten, oder von den Anbietern solcher Produkte die Linderung von Therapienebenwirkungen versprochen wird.
Zwar sind noch viele Fragen zur Resistenzentwicklung offen. Die Forscher raten aufgrund ihrer Erkenntnisse aber vorerst allen Betroffenen davon ab, während einer Chemotherapie Fischölkapseln einzunehmen.
Zum Weiterlesen
Fischöl als Nahrungsergänzungsmittel wurde auch in Deutschland als Therapie gegen Kachexie diskutiert. In den derzeit gültigen europäischen und deutschen Leitlinien zur Ernährung bei Krebs verweisen die Autoren jedoch auf das fehlende Wissen zum Nutzen. Hintergründe bieten die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. unter www.dgem.de, Stichwort „Leitlinien“, oder die Europäische Gesellschaft für klinische Ernährung und Stoffwechsel (ESPEN) in ihrer Leitlinie „Non-surgical oncology“ von 2009 unter http://espen.info (Link zur Leitlinie, PDF).
Generell warnen die meisten Experten Krebspatienten vor Produkten wie Fischölkapseln und anderen Mitteln ohne ausreichende wissenschaftliche Prüfung, mehr dazu beim Krebsinformationsdienst unter dem Stichwort „Nahrungsergänzungsmittel: Große Versprechungen, k(l)eine Wirkung?“.
Mehr zur Resistenzentwicklung hat der Krebsinformationsdienst in seinen Texten zur „Chemotherapie“ zusammengestellt.
Die Originalveröffentlichung ist in einer englischsprachigen Fachzeitschrift erschienen: Roodhart JML, Voest EE et al. (2011): Mesenchymal Stem Cells Induce Resistance to Chemotherapy through the Release of Platinum-Induced Fatty Acids. Cancer Cell 20(3), 370-383, doi:/10.1016/j.ccr.2011.08.010.