Viele Untersuchungen schreiben den Phytoöstrogenen,
Pflanzeninhaltsstoffen mit hormonähnlicher Wirkung, krebshemmende
Eigenschaften zu. Von Nahrungsergänzungsmitteln mit Phytoöstrogenen
raten Experten derzeit allerdings ab und fordern weitere Forschung.
Im Deutschen Krebsforschungszentrum hatten Wissenschaftler um Prof. Dr.
Jenny Chang-Claude bereits im vergangenen Jahr in einer Metaanalyse die
Ergebnisse mehrerer Studien zusammenfasst und so gezeigt, dass eine
phytoöstrogenreiche Nahrung das Risiko reduziert, nach den Wechseljahren
an Brustkrebs zu erkranken. Nun wollten die Heidelberger Forscher
herausfinden, ob die Phytoöstrogene auch einen Einfluss auf den Verlauf
einer Brustkrebserkrankung haben. Frühere Untersuchungen dazu hatten
einander widersprechende Ergebnisse erzielt.
Die wichtigste Klasse von Phytoöstrogenen in der westlichen Ernährung bilden die Lignane, die in Saaten, insbesondere in Leinsamen, aber auch Getreide und Gemüse vorkommen. Im Darm werden die Substanzen zu Enterolakton umgewandelt, das von der Schleimhaut absorbiert wird und das die Heidelberger Forscher als Biomarker im Blut der Patientinnen bestimmten. Zwischen 2002 und 2005 nahmen die DKFZ-Forscher im Rahmen der MARIE-Studie Blutproben von 1.140 Frauen, die nach den Wechseljahren an Brustkrebs erkrankt waren. Nach einer mittleren Beobachtungszeit von sechs Jahren setzten sie den Enterolakton-Spiegel in Bezug zum klinischen Verlauf der Erkrankung. Das Ergebnis: Verglichen mit den Teilnehmerinnen mit dem niedrigsten Enterolakton-Spiegel hatten die Frauen mit den höchsten Blutwerten für diesen Biomarker ein etwa 40 Prozent geringeres Sterblichkeitsrisiko. Berücksichtigten die Wissenschaftler zusätzlich das Auftreten von Metastasen und Zweittumoren, kamen sie zu einem ähnlichen Ergebnis. Statistisch signifikant war das Ergebnis jedoch nur für die Gruppe der Tumoren, die keinen Rezeptor für das weibliche Geschlechtshormon Östrogen tragen ("ER-negative Tumoren").
Lignane: Wissenschaftler raten von Nahrungsergänzungsmitteln ab
„Um herauszufinden, ob Enterolakton auch die Aggressivität von Östrogenrezeptor-positiven Tumoren hemmt, müssen wir diese Untersuchung noch auf wesentlich größere Gruppen von Frauen ausdehnen“, erklärt Jenny Chang-Claude. Außerdem betont die Wissenschaftlerin nachdrücklich: „Mit einer Kost reich an Vollkornprodukten, Saaten und Gemüsen, die ohnehin als gesundheitsfördernd gilt, kann sich jeder ausreichend mit Lignanen versorgen. Von zusätzlichen Nahrungsergänzungsmitteln können wir zu diesem Zeitpunkt nur abraten.“
Phytoöstrogene sind seit Jahren Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Debatten: Einerseits sprechen die Ergebnisse mehrerer Studien an Zellen sowie epidemiologische Befunde für eine krebshemmende Wirkung. Auf der anderen Seite befürchten Wissenschaftler, dass Isoflavone die wachstumsfördernden Eigenschaften der echten Hormone imitieren und dadurch hormonabhängige Tumoren wie Brust- oder Prostatakrebs beschleunigen könnten. „Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob Lignane im Körper die Hormonwirkung nachahmen oder, im Gegenteil, ihr entgegenwirken", sagt Jenny Chang-Claude. „Unsere Studien sollen dazu beitragen, in dieser wichtigen Frage, die auch unsere tägliche Ernährung betrifft, Klarheit zu schaffen.“
Zum Weiterlesen
Östrogen-Rezeptoren (ER) sind Andockstellen in der Zelle für das Geschlechtshormon Östrogen, das eine wichtige Rolle für das Wachstum und die Ausreifung der Brustzellen spielen. Bei zwei von drei Brustkrebspatientinnen findet sich eine erhöhte Konzentrationen dieser Rezeptoren im Tumorgewebe. Der Bestimmung der Hormonrezeptoren kommt eine große Bedeutung für die Therapie zu. Vom sogenannten Hormonstatus hängt ab, ob eine Hormonentzugstherapie das Tumorwachstum bei betroffenen Frauen bremsen kann, mehr dazu im Text www.krebsinformation.de/themen/behandlung/antihormontherapie2.php.
Hintergrundinformationen über Brustkrebs hat der Krebsinformationsdienst unter www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/brustkrebs/index.php zusammengestellt.
Warum Nahrungsergänzungsmittel eine gesunde, ausgewogene Ernährung nicht ersetzen können, erläutert der Krebsinformationsdienst in einem weiteren Text unter www.krebsinformation.de/themen/behandlung/nahrungsergaenzungsmittel.php.
Was versteht man unter epidemiologischen Studien? Über Methoden der Erforschung von Krebsrisiken informiert der Krebsinformationsdienst unter www.krebsinformationsdienst.de/themen/grundlagen/neue-verfahren-krebsforschung.php.
Die vollständige Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums vom 12.09.2011 kann im Internet unter www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2011/dkfz-pm-11-49-Pflanzeninhaltsstoff-senkt-Brustkrebs-Sterblichkeit.php nachgelesen werden.
Die Untersuchungen des Deutschen Krebsforschungszentrums wurden in der englischsprachigen Fachzeitschrift Journal of Clinical Oncology veröffentlicht: Buck K, Vrieling A, Zaineddin AK et al. Serum Enterolactone and Prognosis of Postmenopausal Breast Cancer. Journal of Clinical Oncology, 2011, DOI: 10.1200/JCO.2011.34.6478
Informationen über die zugrundeliegenden Daten der MARIE-Studie stellt das DKFZ unter www.dkfz.de/de/epidemiologie-krebserkrankungen/arbeitsgr/genepi/ge_pr07_MARIE.html bereit.