Archiv

Operation bei Magenkrebs: Vitamin-B12-Mangel – was tun?

Eine Operation ist für viele Patienten mit Magenkrebs das wichtigste Behandlungsverfahren. Die Ernährungsumstellung danach wird jedoch für einige zur Herausforderung: Wichtige Funktionen, die der Magen übernimmt, fehlen. Ein Beispiel ist die Vitamin-Versorgung: Insbesondere Vitamin B12 kann der Körper nicht mehr ausreichend aus der Nahrung aufnehmen. Was können Magenoperierte gegen einen Mangel tun?
In seinem "Aktuellen Thema" geht der Krebsinformationsdienst auf Fragen von Betroffenen ein und erläutert Hintergründe zur Vitamin-B12-Versorgung.

Linktipps sowie eine Auswahl genutzter Quellen finden sich am Textende.



Vielen Dank für Ihre Anfrage an den Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums. Sie möchten wissen, ob Ihr Mann nach seiner Magenoperation Vitamin B12 wirklich als Spritze erhalten muss oder ob es andere Möglichkeiten gibt.

In der Regel bekommen Patienten nach dem Eingriff Vitamin B12 tatsächlich als Spritze. Der Grund ist: Ihr Körper kann Vitamin B12 aus der Nahrung nicht mehr ausreichend nutzen. Er scheidet es fast unverbraucht wieder aus: Nach der Operation fehlt Betroffenen ein Transport-Eiweiß, das für die Aufnahme des Vitamins in den Körper notwendig ist. Dieses Eiweiß wird normalerweise im Magen gebildet. Vitamin B12 bindet daran und kann erst so im  Darm aufgenommen werden. Zwar nimmt der Körper einen sehr kleinen Anteil des Vitamins auch ohne Transport-Eiweiß auf. Diese Menge reicht aber bei Weitem nicht aus, um den täglichen Bedarf über die Ernährung zu decken.

Nahrungsergänzungsmittel © Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum
Frei verkäufliche Vitaminpräparate sind für Magenoperierte nicht geeignet. © Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum

Aus diesem Grund würde es Ihrem Mann auch nicht helfen, wenn Sie verstärkt Vitamin-B12-reiche Lebensmittel verwenden: Sie könnten damit nicht die Menge an Vitamin B12 erreichen, die er jetzt benötigt. Auch die Vitaminpräparate, die frei verkäuflich im Drogeriemarkt oder auch in der Apotheke erhältlich sind, enthalten in der Regel nicht die große Dosis an Vitamin B12, die ein Magenoperierter braucht.

Es gibt zwar Tabletten, die Vitamin B12 in sehr hoher Dosierung enthalten - ein Vielfaches dessen, was ein gesunder Mensch täglich benötigen würde. Die Menge ist so groß, dass auch Menschen ohne Magen theoretisch ausreichend Vitamin B12 aufnehmen können. Diese Arzneimittel werden aber in der Praxis bisher kaum eingesetzt. Ärzte empfehlen ihren Patienten normalerweise die regelmäßige Spritze, weil damit die meisten Erfahrungen vorliegen und die Vitamin-Versorgung zuverlässig gesichert ist. Hinzu kommt: Die Vitamin-B-Injektionen sind nur in vergleichsweise großen Abständen erforderlich, die Tabletten müssten Patienten dagegen täglich einnehmen.
Ob solche Tabletten für Ihren Mann als Alternative zu regelmäßigen Spritzen infrage kommen, sollte er daher auf jeden Fall auch mit seinem behandelnden Arzt besprechen.

Egal, ob Ihr Mann Vitamin B12 als Spritze oder als Tablette erhält: Seine Blutwerte müssen bei den Nachsorgeuntersuchungen regelmäßig überprüft werden. So kann der Arzt Menge und Häufigkeit der Vitamingaben an seinen Bedarf anpassen, und Ihr Mann ist trotz des fehlenden Magens zuverlässig vor Mangelerscheinungen geschützt.

Müssen weitere Vitamine ersetzt werden?

Bei manchen Magenoperierten - aber längst nicht bei allen - ist auch die Aufnahme der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K gestört. Auch bei diesen Vitaminen ist die Einnahme von Tabletten oder Kapseln auf eigene Faust nicht ratsam: Ein eventueller Mangel sollte stattdessen genau geprüft und gezielt ausgeglichen werden.

  • Wichtigster Ansprechpartner ist auch hier der Arzt: Er kann bei den regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen feststellen, ob bei Ihrem Mann Mangelzustände vorliegen und die Werte für diese Vitamine prüfen. Bei Bedarf verschreibt er entsprechende Medikamente.

Ihr Mann sollte das Thema Vitamine insgesamt nochmals mit seinem Arzt besprechen. Beim nächsten Termin hat er auch die Möglichkeit, die Probleme mit der Ernährungsumstellung anzusprechen, die Sie in Ihrer Anfrage erwähnt haben. Gemeinsam mit dem Arzt kann Ihr Mann dann entscheiden, ob eine Beratung durch einen qualifizierten Ernährungsberater für ihn sinnvoll wäre.

Wir würden uns freuen, wenn wir Ihnen und Ihrem Mann mit diesen Auskünften erste Anhaltspunkte bieten konnten. Der folgende Text bietet Ihnen mehr zum Thema Vitamin B12 nach Magenkrebs, außerdem Linktipps und Hinweise auf weitere Informationsquellen.

Hintergrund: Wofür benötigt der Körper Vitamin B12?

Vitamin B12 - auch Cobalamin genannt - ist an vielen verschiedenen Stoffwechselvorgängen im Körper beteiligt. Es spielt zum Beispiel eine wichtige Rolle bei der Zellteilung und der Blutbildung, im Nervensystem und bei der Energiegewinnung aus Fett.

Wie wirkt sich ein Mangel an Vitamin B12 aus?

Wenn Vitamin B12 nicht in ausreichender Menge im Körper ankommt, dauert es meist eine ganze Weile, bis sich das zeigt: Der Körper speichert das Vitamin in größeren Mengen, vor allem in der Leber. Es dauert daher mindestens ein bis zwei Jahre, bis die ersten Symptome auftreten. Bei einigen Magenkrebspatienten macht sich ein Mangel allerdings schon früh bemerkbar. Ihr Vitamin-B12-Speicher war schon vor der Operation entleert: Aufgrund ihrer Erkrankung konnten sie bereits vor der Magenentfernung das Transport-Eiweiß nicht mehr in ausreichender Menge bilden, das für die Aufnahme von Vitamin B12 nötig ist.

Vitamin-B12-Mangel

Die ersten Anzeichen zeigen sich meist erst nach mehreren Jahren. Zu den möglichen Symptomen gehören Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Kribbeln und Taubheitsgefühle.

Die anfänglichen Anzeichen des Vitaminmangels sind eher unspezifisch und wenig auffällig: Sie reichen von Müdigkeit und Konzentrationsstörungen über Appetitlosigkeit bis hin zu Kopf- und Rückenschmerzen.

Auch neurologische Symptome wie Kribbeln, Brennen und Taubheitsgefühle im Körper weisen manchmal auf einen Mangel an Vitamin B12 hin. Fachleute bezeichnen diese Probleme als "Neuropathie". In einem späteren Stadium werden die Nervenschäden ausgeprägter: Es können Bewegungsprobleme auftreten oder Gedächtnisstörungen und Verwirrung.

Auch im Blutbild zeigt sich das Fehlen des wichtigen Zellteilungsfaktors: Weil weniger rote Blutzellen gebildet werden, entsteht eine Blutarmut, eine Anämie. Diese wenigen Blutzellen sind allerdings auffallend vergrößert, man bezeichnet sie auch als Megaloblasten und nennt das Krankheitsbild megaloblastäre Anämie. Äußere Anzeichen der Blutarmut sind zum Beispiel Blässe und Leistungsminderung.

Wie kommt das Vitamin normalerweise in den Körper?

Vitamin B12 wird ausschließlich von Bakterien hergestellt. Menschen benötigen Vitamin B12, müssen es aber mit der Nahrung aufnehmen: Hauptquelle sind tierische Nahrungsmittel, also Fleisch, aber auch Eier und Milchprodukte. Pflanzliche Nahrung enthält nur sehr wenig oder gar kein Vitamin B12.

Vitamin B12 braucht Helfer-Eiweiß

Magenoperierten fehlt ein Eiweiß, das die Aufnahme von Vitamin B12 in den Körper vermittelt. Das Vitamin wird daher fast ungenutzt wieder ausgeschieden.

In der Nahrung ist das Vitamin meist an Eiweiße gebunden. Bei der Verdauung setzen Magensäure und Enzyme es frei. Vitamin B12 bindet dann an ein spezifisches Transport-Eiweiß. Dieser sogenannte "Intrinsic factor" wird bei gesunden Menschen im Magen gebildet. Erst aus dem letzten Teil des Dünndarms gelangt das gebundene Vitamin dann über die Darmschleimhautzellen in die Blutbahn: Der "Intrinsic factor" bindet dort an ein spezifisches Empfängermolekül - einen Rezeptor - und vermittelt die Aufnahme.

Fehlt der Magen und damit das Transport-Eiweiß, dann kann der Körper Vitamin B12 nicht effektiv verwerten: Nur etwa ein bis drei Prozent gelangen auch ohne das Transport-Eiweiß in den Körper. Der Rest wird ungenutzt ausgeschieden. Die Vitaminmenge, die ein Magenoperierter über die Nahrung aufnehmen müsste, wäre also mindestens hundertfach höher als bei gesunden Menschen. Diesen Bedarf kann man aus Lebensmitteln allein nicht decken. Auch frei verkäufliche Vitaminpräparate enthalten in der Regel nicht die benötigte Menge an Vitamin B12.

Wie sieht es bei Menschen aus, denen nicht der gesamte Magen, sondern nur ein Teil entfernt werden musste?  Einige dieser Patienten benötigen trotzdem zusätzliches Vitamin B12, bei anderen reicht der Restmagen für die Produktion der notwendigen Menge an "intrinsischem Faktor" aus. Ob ein Mangel vorliegt, muss der behandelnde Arzt daher individuell prüfen.

Hintergrund: Wie erkennt und behandelt man einen Vitamin-B12-Mangel?

Magenkrebspatienten wird nach ihrer Operation eine regelmäßige medizinische Nachsorge angeboten. Bei diesen Untersuchungen prüft der Arzt unter anderem auch die Vitamin-B12-Versorgung. Der Vitaminspiegel sollte auch dann getestet werden, wenn keine Anzeichen eines Mangels vorliegen.
Dazu entnimmt der Arzt eine Blutprobe und gibt sie zur Untersuchung ins Labor. Die Werte liegen meist innerhalb weniger Tage vor. Getestet wird nicht immer nur der Spiegel des eigentlichen Vitamins im Blut; auch die Stoffwechselprodukte von Vitamin B12 können gemessen werden.

Nach einer kompletten Entfernung des Magens - einer Gastrektomie - müssen die meisten Patienten langfristig mit einer Unterversorgung rechnen. Daher empfiehlt der behandelnde Arzt in der Regel von vornherein eine zusätzliche Vitamin-Gabe. Sie erfolgt in der Regel als Injektion in einen Muskel, um die fehlende "Verdauung" des Vitamins in Magen und Darm zu umgehen (intramuskulär, i.m). Es ist aber auch möglich, Vitamin B12 unter die Haut zu spritzen (subkutan, s.c.). Welche Art der Injektion infrage kommt, sollten Betroffene individuell mit ihrem Arzt besprechen. Ob man Vitamin B12 nach entsprechender Schulung auch selbst spritzen kann oder pflegende Angehörige dies übernehmen dürfen, ist ebenfalls Thema für das Arztgespräch.

Zeitabstand: Wie oft Vitamin B12 spritzen?

Der Körper speichert Vitamin B12: vor allem in der Leber, aber auch in Muskeln und anderen Organen. Die Vitaminspritze muss man daher nicht täglich bekommen. Früher galt ein Abstand von drei Monaten als sinnvoll. Heute weiß man allerdings, dass es individuelle Unterschiede gibt: Nicht für jeden Patienten ist diese Zeitspanne ausreichend. Daher testet der Arzt die Blutwerte regelmäßig. Je nach Ergebnis legen Arzt und Patient gemeinsam fest, wie häufig Vitamin B12 gespritzt werden soll. Bei einigen Patienten ändert sich der Bedarf im Lauf der Zeit. Dann kann man den Zeitabstand der Spritzen erneut anpassen.

Behandlung: Gibt es Alternativen zur Spritze?

Vitamin B12: Nur als Spritze möglich?

In der Regel erhalten Patienten Vitamin B12 als Spritze. Auch Tabletten oder Infusionen sind möglich, werden aber nur selten angewendet.

Die meisten Patienten erhalten Vitamin B12 als Spritze. Es gibt zwar auch Tabletten, die für Magenoperierte unter Umständen geeignet sind: Sie enthalten Vitamin B12 in sehr hochdosierter Form - etwa fünfhundert Mal mehr, als der gesunde menschliche Körper täglich benötigt. Da wenige Prozent der verabreichten Menge auch ohne das Transport-Eiweiß in den Körper aufgenommen werden, reicht das theoretisch für die Versorgung von Patienten nach einer Magenoperation aus.

Die tatsächlich aufgenommene Menge unterscheidet sich aber von Mensch zu Mensch. Daher muss der Arzt den Erfolg der Therapie anhand der Blutwerte vergleichsweise häufig überprüfen. In der Praxis werden solche Tabletten bisher nur selten eingesetzt. Das hat auch ganz praktische Gründe: Sie müssen, anders als die Injektion, täglich eingenommen werden, um eine möglichst ausreichende Versorgung zu erreichen.

Vitamin B12 als Infusion in eine Vene zu bekommen, ist ebenfalls möglich. Notwendig wird dies allerdings meist nur bei Betroffenen, die einen ausgeprägten Vitamin-Mangel aufweisen. Falls Patienten aber sowieso einen Port tragen, also einen dauerhaften Venenzugang etwa wegen einer Chemotherapie, dann kann Vitamin B12 unter Umständen über diesen gegeben werden. 

Linktipps zum Weiterlesen und Quellen für Interessierte und Fachkreise





Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Internet-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

powered by webEdition CMS